Quelle: Qualitas Energy Deutschland GmbH
Die Windkraft hat es in der Stadt Wassenberg nicht leicht. Mal klagen Anlagenbetreiber für, mal Naturschützer gegen Turbinen. Ab und an helfen Vergleiche mit allen Beteiligten.
Gute Stimmung am Oberverwaltungsgericht in Münster Ende Dezember: Ein vier Windenergieanlagen großer Park in der Stadt Wassenberg darf in der gewünschten Form entstehen, weil Gegner, Genehmigungsbehörde und Projektierer sich durchaus überraschend auf einen Vergleich verständigten.
Wassenberg liegt im Kreis Heinsberg an der Grenze zu den Niederlanden und gilt als waldarme Region. Entsprechend schlechte Karten hatte das erstmals 2015 präsentierte Projekt, vier Turbinen ausgerechnet im Birgeler Wald zu errichten. Naturschutzrechtliche Bedenken und landespolitische Vorgaben, Turbinen im Wald möglichst auszuschließen, sprachen lange gegen das Vorhaben.
Der Kreis Heinsberg lehnte daher den Antrag der BMR Energy Solutions aus Geilenkirchen und des niederrheinischen, kommunalen Versorgers NEW Energy auf Bau des Windparks zunächst ab. Die erste Klage vor dem OVG folgte, eingereicht von den Projektierern. Sie argumentierten, die Standorte der Anlagen beträfen Fichten-Bestände, die dem Klimawandel wenig entgegenzusetzen hätten. Als Ausgleich wollten sie einen widerstandsfähigen Laubmischwald pflanzen.
Kreis Heinsberg erhält Klagen von allen Seiten
Der erste Prozess lief noch, als die Aussichten für BMR und NEW sich schlagartig verbesserten. Mit der Regierungsübernahme in Berlin durch die Ampelkoalition erlangte der Ausbau der erneuerbaren Energien übergeordnetes öffentliches Interesse. In Wassenberg musste der Landschaftsschutz folglich zurücktreten, der Kreis Heinsberg gab seinen Widerstand gegen den Windpark auf.
Die Genehmigungsbehörde wurde die Rolle des Beklagten am OVG dadurch allerdings nicht los. Denn prompt trat der NRW-Landesverband des Naturschutzbundes (Nabu) auf den Plan. Er verklagte den Kreis Heinsberg Anfang 2023 darauf, die Genehmigung für den Windpark zurückzunehmen. Als am 22. Dezember nun alles auf einen Spruch des 7. Senats unter Vorsitz von Jens Saurenhaus zulief, schlossen Nabu, Kreis und die Energie-Unternehmen einen Vergleich.
Dieser schreibt unter anderem fest, dass die weiteren Gebiete des Birgeler Walds künftig unangetastet bleiben. Weil dieser Schutz des Waldes als „Wildnis“ in die Nutzungsrechte des Eigentümers, hier: der öffentlichen Hand, eingreift, erweitern BMR und NEW ihre Ausgleichs- und Entschädigungsmaßnahmen. Für den Nabu zeigte Rechtsanwalt Martin Gellermann sich zufrieden, weil nun größere Anstrengungen für die Artenvielfalt, neudeutsch Biodiversität, unternommen würden. Für BMR sagte Geschäftsführer Guido Rulands zu unserer Redaktion, er sei froh, den Windpark nun rechtssicher bauen zu können.
Wassenberg bekommt damit vermutlich im Jahr 2025 vier Anlagen des Herstellers General Electric mit einer Gesamthöhe von jeweils 240 Metern und einer Nennleistung von je 5,3 MW. Derweil geht der Streit um die Windkraft in der mit 20.000 Einwohnern kleinsten Kommune des Kreises Heinsberg allerdings weiter. Denn die Stadt möchte ungern drei weitere Windturbinen auf ihrem Offenland sehen.
Wassenbergs Fehlplanung ermöglicht weitere Anlagen
Im Falle des Windparks „Ohe an der Rur“ verfolgt die SL Naturenergie aus Gladbeck ein anderes Erneuerbaren-Projekt in Wassenberg. Das Unternehmen von Klaus Schulze Langenhorst, der auch im Vorstand des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE NRW) sitzt, hatte zunächst den Kürzeren gezogen. Wassenbergs Rathaus machte geltend, das Turbinen-Trio liege außerhalb der vorgesehenen Windkraftvorrangzonen. Daraufhin verweigerte der Kreis Heinsberg die Zustimmung.
SL Naturenergie aber klagte gegen die Wirksamkeit des entsprechenden Flächennutzungsplans und erhielt vor dem OVG Münster Recht. Das Tauziehen um die Anlagen geht allerdings in die Verlängerung. Denn die Stadt Wassenberg ist nicht damit einverstanden, dass das Münsteraner Gericht keine Möglichkeit zur Revision zugelassen hat. Dagegen hat die Kommune Beschwerde eingelegt.
Dass das kleine Wassenberg mit seinen überschaubaren Windenergieplänen durchaus prominente Beachtung findet, bewies ein Blick in den Publikumsbereich des Sitzungssaals. Am OVG hatte sich auch Josef Tumbrinck eingefunden. Der ehemalige NRW-Landesvorsitzende des Nabu ist heute für das Bundesumweltministerium – am Sitz in Bonn – als Sonderbeauftragter für das Nationale Artenhilfsprogramm tätig.
Seine Anwesenheit war nicht dienstlich veranlasst, sagte er unserer Redaktion, sondern eher privat motiviert. Beim Weihnachtsbesuch in seiner Heimatstadt Münster nutzte Josef Tumbrinck die Gelegenheit zu verfolgen, was im Kreis Heinsberg künftig im Konfliktfeld Klimaschutz und Naturschutz geschieht – er hat dort heute seinen Wohnsitz.
Donnerstag, 28.12.2023, 15:58 Uhr
Volker Stephan
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