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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Mit Robotern und frischen Ideen gegen den Fachkräftemangel
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe

Mit Robotern und frischen Ideen gegen den Fachkräftemangel

Nicht nur schleppende Genehmigungsverfahren bremsen Energiewende und Klimaziele aus. Der Fachkräftemangel behindert den Bau neuer Windräder, Solaranlagen und Stromleitungen ebenso.
Die Arbeitsmarktzahlen sind besorgniserregend − vor allem, wenn man Ziele und Zeitleisten dagegenhält, die sich diese Bundesregierung beim Klimaschutz gesetzt hat. Gerade im Bereich der erneuerbaren Energien, wo in den vergangenen Jahren Beschäftigte freigestellt werden mussten, die jetzt hinten und vorne fehlen. „Wir haben 40.000 Mitarbeiter entlassen, von denen wir wussten, dass wir sie dringend für die Energiewende brauchen würden“, hatte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie, die Merkel-Regierung im vergangenen Jahr scharf kritisiert.

151.300 Stellen in Ingenieur- und Informatikberufen sind im ersten Quartal des Jahres hierzulande unbesetzt geblieben. Das haben der Verein Deutscher Ingenieure und das Institut der deutschen Wirtschaft errechnet. In Nordrhein-Westfalen sind es fast 25.000, in Bayern sogar 39.000. Mehr als 600.000 unbesetzte Stellen insgesamt sieht Klaus Josef Lutz, Präsident der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, bis Ende des Jahrzehnts im Freistaat. Dabei hat er durchaus die Hoffnung, dass die Energiewende und der damit verbundene Investitions- und Innovationsbedarf ein ausreichend sinnstiftendes Thema sein könnte, um den Berufsnachwuchs zu begeistern: „Deutschland hätte durchaus das Potenzial, hier die Innovationsführerschaft für sich zu beanspruchen.“ Und ausnahmsweise stelle sich auch niemand quer: „Es ist ein allgemein verabredetes Ziel, die geopolitische Abhängigkeit von endlichen und umweltschädlichen Ressourcen zu verringern“, so Lutz in einem Beitrag für das IHK-Magazin.

Zugegeben, das macht ein bisschen Hoffnung. Aber welche konkreten Ansatzpunkte gibt es, um die Probleme der Energiewende-Branche zu lösen? Betrachten wir erst noch Fakten und Ursachen. Der Verband der Elektrotechnik sieht folgende Gründe für die „Lücke mit dramatischen Ausmaßen“ zwischen Absolventenzahlen und dem steigenden Bedarf an Elektroingenieuren: demografischer Wandel, mangelndes Interesse am Elektrotechnikstudium, Probleme bei der erfolgreichen Ausbildung der Studierenden und eine geringe Frauenquote von nur 17 %. Das Interesse an E-Technik, so der VDE, sinke seit Jahren, während die Informatik immer mehr Zulauf hat.

Dass mehr Frauen nicht nur für Ingenieurswissenschaften, sondern generell für technische Berufe begeistert werden müssen, darüber herrscht ebenso breiter Konsens wie über die Sinnhaftigkeit des Klimaschutzes. Das Fachkräftebarometer der KfW-Bankengruppe rät darüber hinaus zum Gegensteuern durch Zuwanderung und vereinfachte Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Untermauert wird diese Forderung mit der Feststellung, dass laut einer Umfrage 44 % der erfassten Firmen angaben, durch Fachkräftemangel in ihrer Geschäftstätigkeit behindert worden zu sein.

Nachwuchswerbung wird immer fantasievoller

Kaum verwunderlich bei solchen Zahlen ist, dass die Unternehmen in der Energiebranche bei ihrer Nachwuchswerbung immer intensiver und fantasievoller werden. Unter „intensiv“ können Bemühungen verstanden werden, auch schon auf Studierende früher Semester zuzugehen oder Schülerinnen und Schülern reale Einblicke in die verschiedenen technischen Berufe zu geben. Die Erweiterung der Ausbildungsbandbreite sowie die Weiterbildung sind ebenfalls große Themen. Konzepte, das Know-how zum Energiewende-Hoffnungsträger Wasserstoff an die Frau und an den Mann zu bringen, hat beispielsweise der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) entwickelt. Unter dem Motto „Zeit für einen Stoffwech2el“ soll das Thema intensiv in die berufliche Bildung einfließen. Vorstandsvorsitzender Prof. Gerald Linke verweist dabei auf die hohen technischen und sicherheitstechnischen Herausforderungen, die der Betrieb von Wasserstoffanlagen mit sich bringt.

Mit ausgefallenen Ideen versuchen Arbeitgeber wie die Stadtwerke Düsseldorf an Nachwuchskräfte zu kommen. Unter dem Motto „Your next level 2.0“ werden Jugendliche angesprochen − remote oder vor Ort −, mit einem Ausbilder oder einer Recruiterin an einer Spielekonsole zu daddeln. Kennenlernen in lockerer Atmosphäre statt beim steifen Vorstellungsgespräch. Auch die Kampagnen der vergangenen Jahre waren von Einfallsreichtum geprägt: Bei „ausbildunglaeuft“, „azubianbord“ und „ausbildungsvollabgefahren“ erfuhren die potenziellen Berufseinsteiger und ihre potenziellen Vorgesetzten beim Dauerlauf am Rhein, im Tretboot oder auf dem Indoor-Fahrrad mehr übereinander. Das Stadtwerk am See in Baden-Württemberg dreht den Spieß um − und bewirbt sich selbst beim Nachwuchs. Was ja die realen Umstände abbildet. Eine Bewerbungsmappe braucht der Versorger vom Bodensee folglich nicht vom Interessenten, über die Homepage kann eine erste Kontaktaufnahme erfolgen.

Allerdings gibt es auch völlig andere Wege, als die Suche nach Personal zu intensivieren: nämlich es durch nichtmenschliche Lösungen zu ersetzen. Roboter, Drohnen, künstliche Intelligenz, verstärkte Digitalisierung von Prozessen sind die Stichworte. Den Laufroboter Basti nimmt beispielsweise das Bayernwerk unter Vertrag. Basti − das steht für Bayernwerk, Sicherheit, Technologie, Innovation − wird in Zukunft zusammen mit Kollegen in den unbemannten Umspannwerken der Regensburger Eon-Tochter Dienst tun. Er soll dort nicht nur regelmäßige Kontrollgänge übernehmen, Basti kann ebenso bei einer Fehlermeldung in Gang gesetzt werden und nach dem Rechten sehen. Viel zu oft passiert es, dass ein in Marsch gesetzter Inspektionstrupp feststellt, dass nur ein Ast in die Anlage geweht wurde, der jetzt auf dem Boden liegt. Das können die Roboteraugen dem menschlichen Kollegen in der Zentrale auch zeigen. Die Monteure müssen deswegen nicht ausrücken, sie können sich um Wichtigeres kümmern.

Moderne Technologien und Gamifiction

Viel Geld, Zeit und Personaleinsatz lässt sich durch Inspektionsflüge mit Drohnen sparen. Im Herbst will man beim Bayernwerk das Projekt „NEXT.Sieaero“ starten und in Kooperation mit Siemens ein mächtiges Fluggerät der österreichischen Firma Schiebel in die Luft bringen, das Hochspannungsleitungen und Masten kontrolliert. Mithilfe von KI sollen alle Bauteile wie Isolatoren und Verschraubungen, aber auch das Umfeld mit Sollzuständen abgeglichen werden. 100 GW Daten pro Flugkilometer werden von Multisensorköpfen erfasst und verarbeitet. Aufwendige Hubschrauberflüge könnten schon bald der Vergangenheit angehören.

Natürlich arbeiten auch der agile Roboter und die Drohne mit ihrem Hightech-Equipment nicht allein vor sich hin. Gerade für sie ist wiederum gut geschultes Personal nötig. „Durch neue Technologien wie Augmented & Virtual Reality, Robotics, Drohnen oder 3D-Druck und die Digitalisierung werden bestimmte bisherige Tätigkeiten teilweise und vollständige substituierbar“, verlautet etwa der baden-württembergische EnBW-Konzern. Aber: „Dadurch, dass sich die Jobprofile verändern, benötigen die Beschäftigten zunehmend neue Kompetenzen.“ Deshalb biete man entsprechende Weiterbildungen an. Im vergangenen Jahr wurden mit der Tochter Netze BW vier neue Ausbildungszentren eröffnet. Moderne Technologien kommen hier ebenso zum Einsatz wie Gamifiction-Ansätze für ein spielerisches Lernen. Daneben will sich das Unternehmen − wie viele andere auch − mit Teilzeit- und Homeoffice-Angeboten für Fachkräfte und Nachwuchs attraktiv machen.

Montag, 11.07.2022, 08:54 Uhr
Günter Drewnitzky
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Mit Robotern und frischen Ideen gegen den Fachkräftemangel
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe
Mit Robotern und frischen Ideen gegen den Fachkräftemangel
Nicht nur schleppende Genehmigungsverfahren bremsen Energiewende und Klimaziele aus. Der Fachkräftemangel behindert den Bau neuer Windräder, Solaranlagen und Stromleitungen ebenso.
Die Arbeitsmarktzahlen sind besorgniserregend − vor allem, wenn man Ziele und Zeitleisten dagegenhält, die sich diese Bundesregierung beim Klimaschutz gesetzt hat. Gerade im Bereich der erneuerbaren Energien, wo in den vergangenen Jahren Beschäftigte freigestellt werden mussten, die jetzt hinten und vorne fehlen. „Wir haben 40.000 Mitarbeiter entlassen, von denen wir wussten, dass wir sie dringend für die Energiewende brauchen würden“, hatte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie, die Merkel-Regierung im vergangenen Jahr scharf kritisiert.

151.300 Stellen in Ingenieur- und Informatikberufen sind im ersten Quartal des Jahres hierzulande unbesetzt geblieben. Das haben der Verein Deutscher Ingenieure und das Institut der deutschen Wirtschaft errechnet. In Nordrhein-Westfalen sind es fast 25.000, in Bayern sogar 39.000. Mehr als 600.000 unbesetzte Stellen insgesamt sieht Klaus Josef Lutz, Präsident der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, bis Ende des Jahrzehnts im Freistaat. Dabei hat er durchaus die Hoffnung, dass die Energiewende und der damit verbundene Investitions- und Innovationsbedarf ein ausreichend sinnstiftendes Thema sein könnte, um den Berufsnachwuchs zu begeistern: „Deutschland hätte durchaus das Potenzial, hier die Innovationsführerschaft für sich zu beanspruchen.“ Und ausnahmsweise stelle sich auch niemand quer: „Es ist ein allgemein verabredetes Ziel, die geopolitische Abhängigkeit von endlichen und umweltschädlichen Ressourcen zu verringern“, so Lutz in einem Beitrag für das IHK-Magazin.

Zugegeben, das macht ein bisschen Hoffnung. Aber welche konkreten Ansatzpunkte gibt es, um die Probleme der Energiewende-Branche zu lösen? Betrachten wir erst noch Fakten und Ursachen. Der Verband der Elektrotechnik sieht folgende Gründe für die „Lücke mit dramatischen Ausmaßen“ zwischen Absolventenzahlen und dem steigenden Bedarf an Elektroingenieuren: demografischer Wandel, mangelndes Interesse am Elektrotechnikstudium, Probleme bei der erfolgreichen Ausbildung der Studierenden und eine geringe Frauenquote von nur 17 %. Das Interesse an E-Technik, so der VDE, sinke seit Jahren, während die Informatik immer mehr Zulauf hat.

Dass mehr Frauen nicht nur für Ingenieurswissenschaften, sondern generell für technische Berufe begeistert werden müssen, darüber herrscht ebenso breiter Konsens wie über die Sinnhaftigkeit des Klimaschutzes. Das Fachkräftebarometer der KfW-Bankengruppe rät darüber hinaus zum Gegensteuern durch Zuwanderung und vereinfachte Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Untermauert wird diese Forderung mit der Feststellung, dass laut einer Umfrage 44 % der erfassten Firmen angaben, durch Fachkräftemangel in ihrer Geschäftstätigkeit behindert worden zu sein.

Nachwuchswerbung wird immer fantasievoller

Kaum verwunderlich bei solchen Zahlen ist, dass die Unternehmen in der Energiebranche bei ihrer Nachwuchswerbung immer intensiver und fantasievoller werden. Unter „intensiv“ können Bemühungen verstanden werden, auch schon auf Studierende früher Semester zuzugehen oder Schülerinnen und Schülern reale Einblicke in die verschiedenen technischen Berufe zu geben. Die Erweiterung der Ausbildungsbandbreite sowie die Weiterbildung sind ebenfalls große Themen. Konzepte, das Know-how zum Energiewende-Hoffnungsträger Wasserstoff an die Frau und an den Mann zu bringen, hat beispielsweise der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) entwickelt. Unter dem Motto „Zeit für einen Stoffwech2el“ soll das Thema intensiv in die berufliche Bildung einfließen. Vorstandsvorsitzender Prof. Gerald Linke verweist dabei auf die hohen technischen und sicherheitstechnischen Herausforderungen, die der Betrieb von Wasserstoffanlagen mit sich bringt.

Mit ausgefallenen Ideen versuchen Arbeitgeber wie die Stadtwerke Düsseldorf an Nachwuchskräfte zu kommen. Unter dem Motto „Your next level 2.0“ werden Jugendliche angesprochen − remote oder vor Ort −, mit einem Ausbilder oder einer Recruiterin an einer Spielekonsole zu daddeln. Kennenlernen in lockerer Atmosphäre statt beim steifen Vorstellungsgespräch. Auch die Kampagnen der vergangenen Jahre waren von Einfallsreichtum geprägt: Bei „ausbildunglaeuft“, „azubianbord“ und „ausbildungsvollabgefahren“ erfuhren die potenziellen Berufseinsteiger und ihre potenziellen Vorgesetzten beim Dauerlauf am Rhein, im Tretboot oder auf dem Indoor-Fahrrad mehr übereinander. Das Stadtwerk am See in Baden-Württemberg dreht den Spieß um − und bewirbt sich selbst beim Nachwuchs. Was ja die realen Umstände abbildet. Eine Bewerbungsmappe braucht der Versorger vom Bodensee folglich nicht vom Interessenten, über die Homepage kann eine erste Kontaktaufnahme erfolgen.

Allerdings gibt es auch völlig andere Wege, als die Suche nach Personal zu intensivieren: nämlich es durch nichtmenschliche Lösungen zu ersetzen. Roboter, Drohnen, künstliche Intelligenz, verstärkte Digitalisierung von Prozessen sind die Stichworte. Den Laufroboter Basti nimmt beispielsweise das Bayernwerk unter Vertrag. Basti − das steht für Bayernwerk, Sicherheit, Technologie, Innovation − wird in Zukunft zusammen mit Kollegen in den unbemannten Umspannwerken der Regensburger Eon-Tochter Dienst tun. Er soll dort nicht nur regelmäßige Kontrollgänge übernehmen, Basti kann ebenso bei einer Fehlermeldung in Gang gesetzt werden und nach dem Rechten sehen. Viel zu oft passiert es, dass ein in Marsch gesetzter Inspektionstrupp feststellt, dass nur ein Ast in die Anlage geweht wurde, der jetzt auf dem Boden liegt. Das können die Roboteraugen dem menschlichen Kollegen in der Zentrale auch zeigen. Die Monteure müssen deswegen nicht ausrücken, sie können sich um Wichtigeres kümmern.

Moderne Technologien und Gamifiction

Viel Geld, Zeit und Personaleinsatz lässt sich durch Inspektionsflüge mit Drohnen sparen. Im Herbst will man beim Bayernwerk das Projekt „NEXT.Sieaero“ starten und in Kooperation mit Siemens ein mächtiges Fluggerät der österreichischen Firma Schiebel in die Luft bringen, das Hochspannungsleitungen und Masten kontrolliert. Mithilfe von KI sollen alle Bauteile wie Isolatoren und Verschraubungen, aber auch das Umfeld mit Sollzuständen abgeglichen werden. 100 GW Daten pro Flugkilometer werden von Multisensorköpfen erfasst und verarbeitet. Aufwendige Hubschrauberflüge könnten schon bald der Vergangenheit angehören.

Natürlich arbeiten auch der agile Roboter und die Drohne mit ihrem Hightech-Equipment nicht allein vor sich hin. Gerade für sie ist wiederum gut geschultes Personal nötig. „Durch neue Technologien wie Augmented & Virtual Reality, Robotics, Drohnen oder 3D-Druck und die Digitalisierung werden bestimmte bisherige Tätigkeiten teilweise und vollständige substituierbar“, verlautet etwa der baden-württembergische EnBW-Konzern. Aber: „Dadurch, dass sich die Jobprofile verändern, benötigen die Beschäftigten zunehmend neue Kompetenzen.“ Deshalb biete man entsprechende Weiterbildungen an. Im vergangenen Jahr wurden mit der Tochter Netze BW vier neue Ausbildungszentren eröffnet. Moderne Technologien kommen hier ebenso zum Einsatz wie Gamifiction-Ansätze für ein spielerisches Lernen. Daneben will sich das Unternehmen − wie viele andere auch − mit Teilzeit- und Homeoffice-Angeboten für Fachkräfte und Nachwuchs attraktiv machen.

Montag, 11.07.2022, 08:54 Uhr
Günter Drewnitzky

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