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Energie & Management > Nordrhein-Westfalen - Mehr Windräder, mehr Arbeit fürs Oberverwaltungsgericht Münster
Quelle: Fotolia / vege
Nordrhein-Westfalen

Mehr Windräder, mehr Arbeit fürs Oberverwaltungsgericht Münster

Überragendes öffentliches Interesse hin, gestraffte Beteiligungsmöglichkeiten her: Das Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen rechnet mit mehr Klagen durch den Windkraft-Zubau.
Noch bevor die Maßnahmen der Bundesregierung greifen, den Erneuerbaren-Ausbau zu beschleunigen und rechtliche Einwände zu beschränken, deutet alles auf mehr Arbeit für die Gerichte hin. Schon in den ersten beiden Monaten des Jahres sind beim Oberverwaltungsgericht (OVG) für Nordrhein-Westfalen so viele neue Klagen im Windkraft-Bereich eingegangen, dass es 2023 auf doppelt so viele Fälle wie im gesamten Vorjahr hinauslaufen könnte.

21 neue Verfahren seien beim höchsten Verwaltungsgericht des Landes in Münster im Januar und Februar 2023 eingegangen, sagte der Vorsitzende des 22. Senats, Hans-Joachim Hüwelmeier, bei einer Pressekonferenz des OVG am 2. März. Er steht dem seit Juli 2022 existierenden Senat vor, den das Land ausschließlich für die Windenergie eingerichtet hatte. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2022 hatte das OVG 61 neu angestrengten Windkraft-Klagen entgegengenommen.

Hochgerechnet, so Senatsvorsitzender Hüwelmeier, könnten es also 2023 mehr als 120 neue Arbeitsaufträge für den Senat werden. 2022 jedenfalls fällte das OVG in weniger als jedem fünften Fall ein Urteil. Die große Mehrzahl der Streitigkeiten lässt sich in Erörterungen und Vergleichen vorzeitig beilegen. Gleichwohl bleibt das OVG mit diesen Fällen bis zum Schluss befasst.

Seit Dezember 2020 ist das OVG in Münster erste und einzige Instanz für alle Rechtsstreitigkeiten über die Windkraft in NRW. Es gibt aber noch eine Reihe anhängiger, also älterer Fälle, die zuvor eines der sieben Verwaltungsgerichte im Land beschäftigt hatten. Diese verhandelt das OVG noch in zweiter Instanz, sie liegen in der Regel bei zwei anderen – nur teilweise mit Windkraft befassten – Senaten (7 und 8).
 
 
Daher liegt die Anzahl der 2022 neu am OVG eingegangenen Verfahren insgesamt bei 86. Zu den 61 erstinstanzlichen kamen sieben im Eilverfahren und 18 im Hauptsache-Verfahren der zweiten Instanz. Angestaut hatten sich bis Ende 2022 insgesamt 110 Prozesse, davon 97 erstinstanzliche, also neueren Datums. OVG-Vizepräsident Sebastian Beimesche verwies allerdings auf 53 erledigte Verfahren in erster Instanz. Dies sei ein Zeichen für die erhoffte Schnelligkeit in der Gerichtsbarkeit, schließlich sei der „Spezialsenat“ erst ein halbes Jahr tätig gewesen.

Hans-Joachim Hüwelmeier erkennt in den Anstrengungen der Bundesregierung, Genehmigungsverfahren für Windkraftprojekte zu beschleunigen und rechtssicherer zu machen, Vor- und Nachteile für das Gericht: Einerseits ließen sich Verfahren einheitlich und schematisierter abhandeln. Andererseits seien die Neuregelungen des Osterpakets von Bundesenergieminister Robert Habeck (Grüne) noch mit Auslegungsproblemen behaftet.

Im Artenschutz etwa gebe es mehr Klarheit zum Schutz von Brutvögeln. Für Zugvögel und Vögel mit Meideverhalten sowie andere Tierarten gebe es aber keine Richtschnur. Das Gericht müsse vermehrt auf Sachverständige zurückgreifen. Auch seien dauerhafte EU-Regelungen noch abzuwarten. Im Moment arbeitet die EU noch auf ihrer Notfallverordnung.

Beim Repowering, also dem Ersatz alter durch neue Windkraftanlagen am selben Standort, könnten die Klagen weniger werden, da die Projekte von diversen Gutachten und Auflagen befreit seien.

Das Ansinnen der Ampelkoalition, den Ausbau (auch) der Windkraft zu beschleunigen und zu entbürokratisieren, werde sich im Alltag des OVG kaum niederschlagen, glaubt Hans-Joachim Hüwelmeier. Die Rechtssicherheit werde voraussichtlich zwar zunehmen. Angesichts des Ausbauziels von hunderten Anlagen pro Jahr „ist die Wahrscheinlichkeit zugleich höher, dass die Klagen zunehmen“, so Hüwelmeier. Die gute Bilanz von 53 erledigten Neufällen des Windsenats veranlasste OVG-Vizepräsident Beimesche zu der Prognose, dass „der Ausbau der Erneuerbaren in NRW gewiss nicht an den gerichtlichen Verfahrenslaufzeiten scheitern“ werde.

Relativ wenige Klagen der Naturschützer

Mit einem Vorurteil räumte das OVG zugleich auf. Die Windkraft-Lobby argwöhnt ab und an, Naturschutzverbände wie der Nabu in NRW hätten sich Klagen zum „Geschäftsmodell“ gemacht, um aufwändige und teure Feldforschungen oder Auflagen zu erstreiten. Richterin Annette Kleinschnittger sagte, von den 61 neuen Klagen im Jahr 2022 entfielen weniger als zehn auf Natur- und Umweltschutzverbände. Die Tendenz nehme auch hier ab.

Tatsächlich wurde 2022 dagegen ungefähr die Hälfte der erstinstanzlichen Klagen von Anlagenbetreibern selbst eingereicht. Diese wollten entweder nicht erteilte Genehmigungen erzwingen oder Nebenbestimmungen ändern. Damit sind Auflagen gemeint, die zur zeitweisen Abschaltung von Anlagen führen. Das OVG sieht bei solchen Klagen eine stark steigende Tendenz.

Auch streiten Windkraftentwickler untereinander, dann geht es um Abstände benachbarter Windparks oder um die Standsicherheit von Turbinen.

Donnerstag, 2.03.2023, 16:04 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Nordrhein-Westfalen - Mehr Windräder, mehr Arbeit fürs Oberverwaltungsgericht Münster
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Nordrhein-Westfalen
Mehr Windräder, mehr Arbeit fürs Oberverwaltungsgericht Münster
Überragendes öffentliches Interesse hin, gestraffte Beteiligungsmöglichkeiten her: Das Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen rechnet mit mehr Klagen durch den Windkraft-Zubau.
Noch bevor die Maßnahmen der Bundesregierung greifen, den Erneuerbaren-Ausbau zu beschleunigen und rechtliche Einwände zu beschränken, deutet alles auf mehr Arbeit für die Gerichte hin. Schon in den ersten beiden Monaten des Jahres sind beim Oberverwaltungsgericht (OVG) für Nordrhein-Westfalen so viele neue Klagen im Windkraft-Bereich eingegangen, dass es 2023 auf doppelt so viele Fälle wie im gesamten Vorjahr hinauslaufen könnte.

21 neue Verfahren seien beim höchsten Verwaltungsgericht des Landes in Münster im Januar und Februar 2023 eingegangen, sagte der Vorsitzende des 22. Senats, Hans-Joachim Hüwelmeier, bei einer Pressekonferenz des OVG am 2. März. Er steht dem seit Juli 2022 existierenden Senat vor, den das Land ausschließlich für die Windenergie eingerichtet hatte. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2022 hatte das OVG 61 neu angestrengten Windkraft-Klagen entgegengenommen.

Hochgerechnet, so Senatsvorsitzender Hüwelmeier, könnten es also 2023 mehr als 120 neue Arbeitsaufträge für den Senat werden. 2022 jedenfalls fällte das OVG in weniger als jedem fünften Fall ein Urteil. Die große Mehrzahl der Streitigkeiten lässt sich in Erörterungen und Vergleichen vorzeitig beilegen. Gleichwohl bleibt das OVG mit diesen Fällen bis zum Schluss befasst.

Seit Dezember 2020 ist das OVG in Münster erste und einzige Instanz für alle Rechtsstreitigkeiten über die Windkraft in NRW. Es gibt aber noch eine Reihe anhängiger, also älterer Fälle, die zuvor eines der sieben Verwaltungsgerichte im Land beschäftigt hatten. Diese verhandelt das OVG noch in zweiter Instanz, sie liegen in der Regel bei zwei anderen – nur teilweise mit Windkraft befassten – Senaten (7 und 8).
 
 
Daher liegt die Anzahl der 2022 neu am OVG eingegangenen Verfahren insgesamt bei 86. Zu den 61 erstinstanzlichen kamen sieben im Eilverfahren und 18 im Hauptsache-Verfahren der zweiten Instanz. Angestaut hatten sich bis Ende 2022 insgesamt 110 Prozesse, davon 97 erstinstanzliche, also neueren Datums. OVG-Vizepräsident Sebastian Beimesche verwies allerdings auf 53 erledigte Verfahren in erster Instanz. Dies sei ein Zeichen für die erhoffte Schnelligkeit in der Gerichtsbarkeit, schließlich sei der „Spezialsenat“ erst ein halbes Jahr tätig gewesen.

Hans-Joachim Hüwelmeier erkennt in den Anstrengungen der Bundesregierung, Genehmigungsverfahren für Windkraftprojekte zu beschleunigen und rechtssicherer zu machen, Vor- und Nachteile für das Gericht: Einerseits ließen sich Verfahren einheitlich und schematisierter abhandeln. Andererseits seien die Neuregelungen des Osterpakets von Bundesenergieminister Robert Habeck (Grüne) noch mit Auslegungsproblemen behaftet.

Im Artenschutz etwa gebe es mehr Klarheit zum Schutz von Brutvögeln. Für Zugvögel und Vögel mit Meideverhalten sowie andere Tierarten gebe es aber keine Richtschnur. Das Gericht müsse vermehrt auf Sachverständige zurückgreifen. Auch seien dauerhafte EU-Regelungen noch abzuwarten. Im Moment arbeitet die EU noch auf ihrer Notfallverordnung.

Beim Repowering, also dem Ersatz alter durch neue Windkraftanlagen am selben Standort, könnten die Klagen weniger werden, da die Projekte von diversen Gutachten und Auflagen befreit seien.

Das Ansinnen der Ampelkoalition, den Ausbau (auch) der Windkraft zu beschleunigen und zu entbürokratisieren, werde sich im Alltag des OVG kaum niederschlagen, glaubt Hans-Joachim Hüwelmeier. Die Rechtssicherheit werde voraussichtlich zwar zunehmen. Angesichts des Ausbauziels von hunderten Anlagen pro Jahr „ist die Wahrscheinlichkeit zugleich höher, dass die Klagen zunehmen“, so Hüwelmeier. Die gute Bilanz von 53 erledigten Neufällen des Windsenats veranlasste OVG-Vizepräsident Beimesche zu der Prognose, dass „der Ausbau der Erneuerbaren in NRW gewiss nicht an den gerichtlichen Verfahrenslaufzeiten scheitern“ werde.

Relativ wenige Klagen der Naturschützer

Mit einem Vorurteil räumte das OVG zugleich auf. Die Windkraft-Lobby argwöhnt ab und an, Naturschutzverbände wie der Nabu in NRW hätten sich Klagen zum „Geschäftsmodell“ gemacht, um aufwändige und teure Feldforschungen oder Auflagen zu erstreiten. Richterin Annette Kleinschnittger sagte, von den 61 neuen Klagen im Jahr 2022 entfielen weniger als zehn auf Natur- und Umweltschutzverbände. Die Tendenz nehme auch hier ab.

Tatsächlich wurde 2022 dagegen ungefähr die Hälfte der erstinstanzlichen Klagen von Anlagenbetreibern selbst eingereicht. Diese wollten entweder nicht erteilte Genehmigungen erzwingen oder Nebenbestimmungen ändern. Damit sind Auflagen gemeint, die zur zeitweisen Abschaltung von Anlagen führen. Das OVG sieht bei solchen Klagen eine stark steigende Tendenz.

Auch streiten Windkraftentwickler untereinander, dann geht es um Abstände benachbarter Windparks oder um die Standsicherheit von Turbinen.

Donnerstag, 2.03.2023, 16:04 Uhr
Volker Stephan

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