E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Windkraft Onshore - Ein Turmrumpf darf mit richterlichem Segen wachsen
Quelle: Pixabay / Simon
Windkraft Onshore

Ein Turmrumpf darf mit richterlichem Segen wachsen

Der Turmrumpf einer Windkraftanlage hat nun die höchstrichterliche Erlaubnis, weiter in den Himmel zu wachsen. Das OVG für NRW bremste eine Klage des Nabu gegen die Anlage aus.
Der Widerstand der Landesgruppe NRW des Naturschutzbundes (Nabu) gegen den Windpark „Himmelreich“ ist zunehmend aussichtslos. Das noch nicht realisierte, elf Turbinen starke Windfeld im Hochsauerland könnte in Summe noch im September die letztinstanzliche Zustimmung erhalten. Eine Einzelanlage aus dem Park in Marsberg darf derweil nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für NRW vom 24. August schon jetzt weitergebaut werden.

Es ist eine knifflige Angelegenheit. „Himmelreich“ war als Windpark geplant und so vor dem – damals noch zuständigen – Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg gestrandet. Dessen Richter hatten die Sammlung an Turbinen als Gesamtheit betrachtet und 2018 für rechtswidrig erklärt, weil nicht auszuschließen sei, dass Rotmilane und Uhus durch die Rotoren zur Tode kommen könnten.

Das OVG wiederum hatte das Arnsberger Urteil im November 2022 kassiert und in seiner Begründung auch auf den neuen Paragrafen 45b des Bundesnaturschutzgesetzes verwiesen. Die darin enthaltenen, weniger strengen Auflagen für den Artenschutz und damit für windkraftsensible Vogelarten kritisiert der Nabu aufs Schärfste. Gegen das November-Urteil will der Nabu weiter vorgehen, dafür ringt er beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig um Zulassung der Revision, die das OVG mit dem Spruch untersagt hatte.

Das OVG brachte in jedem Fall Bewegung – in den Windpark. Von den elf geplanten Anlagen ist bis heute eine einzige komplett errichtet, die seit dem Münsteraner Spruch im November (bis auf weiteres) auch den Betrieb aufnehmen durfte. Zwei Türme waren ebenfalls bereits im Bau, als Arnsberg dazwischen grätschte. Einer dieser Rümpfe war nun Gegenstand des neuen Verfahrens am OVG in Münster.

Denn Windkraftunternehmer Michael Flocke hat seit 2018 auf verschiedene Weise versucht, das Windparkprojekt und seine Anfangsinvestitionen in Höhe von 14 Millionen Euro zu retten. Neben der Berufung gegen das Arnsberger Urteil wandte er auch einen Trick an. Er sah nicht ein, dass alle elf Anlagen in der Betrachtung des Verwaltungsgerichts gleich bewertet worden waren. Und so gründete er für jede der Turbinen eine eigene Gesellschaft, um sie nun einzeln neu genehmigen zu lassen – parallel zum laufenden „Himmelreich“-Rechtsstreit.

Der Versuch, den Windpark Stück für Stück durchzusetzen, erntete die bekannten Reaktionen. Der zuständige Hochsauerlandkreis (HSK) genehmigte zwar die einzelne Enercon E-138, auf Klage des Nabu entschied das VG Arnsberg 2020 jedoch wiederum auf rechtswidrig. Darauf besserte Michael Flocke nach und erwirkte einen geänderten Genehmigungsbescheid beim HSK mit besonderen Schutzmaßnahmen für Rotmilan und Uhu. Auch diesen nahm der Nabu zum Anlass für eine Klage, die Abschaltzeiten für die Turbine zum Beispiel seien nicht ausreichend für den Schutz der Tiere. Wegen der Straffung der Instanzen landete der Fall nun direkt beim OVG in Münster.
 
Geballter Artenschutz-Sachverstand im Verhandlungssaal:
Matthias Kaiser (LANUV) und Gutachter Günter Ratzbor,
daneben Rechtsanwalt Oliver Frank (v.r.).
Quelle: Volker Stephan

Dessen 22. Senat unter Vorsitz von Hans-Joachim Hüwelmeier hatte für besondere Expertise im Verhandlungssaal gesorgt. Mehr Sachverstand in den Fall brachten auf Einladung des Gerichts Matthias Kaiser, Abteilungsleiter Artenschutz beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV), und dazu der Landespflege-Ingenieur und Gutachter zu Artenschutzfragen im Windenergie-Zusammenhang, Günter Ratzbor aus Lehrte. An ihrer Stelle hätte auch der neue Artenschutz-Leitfaden für NRW zur Erhellung beitragen können, doch diese Orientierungshilfe ist nach Vorlage durch das LANUV vor einem Jahr noch immer nicht aus der Ressortabstimmung in der schwarz-grünen Landesregierung zurück.

Im Beisein von Nabu-Landeschefin Heike Naderer versuchte Rechtsbeistand Martin Gellermann, die Position der Experten in Detailfragen zum Flugverhalten und Gefährdungsrisiko von Rotmilan und Uhu zu erschüttern. Das misslang ebenso wie zwei Beweisanträge Gellermanns. Mit ihnen wollte er neue Sachverständigen-Gutachten beantragen, die das Verhalten von Rotmilanen an Schlafplätzen sowie die Wirksamkeit von Abschaltungen während des Mähens, Pflügens oder der Ernte untersuchen lassen wollte. Richter Hüwelmeier kommentierte letzteren als „Antrag ins Blaue“, also als aus der Not geborenen Versuch. Dass Rotmilane morgens und abends rund um ihre Schlafplätze zusätzliche Flüge unternehmen, sei als Tatsache anzunehmen, unstreitig und angesichts des Abstands zur beklagten Anlage (knapp 1.000 Meter) überdies unerheblich. Das LANUV empfiehlt hier Abschaltregelungen wie im Falle von Brutplätzen.

Am Ende erhielt die Enercon den Segen des OVG. Ob es eine E-138 wird, ist gleichwohl eher unrealistisch. In der Zwischenzeit sind größere Anlagen standesgemäß, für sie wäre eine Änderungsgenehmigung zu beantragen. Das ist auch für den Fall zu erwarten, dass Leipzig den kompletten „Himmelreich“-Park durchwinkt.

Freitag, 25.08.2023, 10:40 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Windkraft Onshore - Ein Turmrumpf darf mit richterlichem Segen wachsen
Quelle: Pixabay / Simon
Windkraft Onshore
Ein Turmrumpf darf mit richterlichem Segen wachsen
Der Turmrumpf einer Windkraftanlage hat nun die höchstrichterliche Erlaubnis, weiter in den Himmel zu wachsen. Das OVG für NRW bremste eine Klage des Nabu gegen die Anlage aus.
Der Widerstand der Landesgruppe NRW des Naturschutzbundes (Nabu) gegen den Windpark „Himmelreich“ ist zunehmend aussichtslos. Das noch nicht realisierte, elf Turbinen starke Windfeld im Hochsauerland könnte in Summe noch im September die letztinstanzliche Zustimmung erhalten. Eine Einzelanlage aus dem Park in Marsberg darf derweil nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für NRW vom 24. August schon jetzt weitergebaut werden.

Es ist eine knifflige Angelegenheit. „Himmelreich“ war als Windpark geplant und so vor dem – damals noch zuständigen – Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg gestrandet. Dessen Richter hatten die Sammlung an Turbinen als Gesamtheit betrachtet und 2018 für rechtswidrig erklärt, weil nicht auszuschließen sei, dass Rotmilane und Uhus durch die Rotoren zur Tode kommen könnten.

Das OVG wiederum hatte das Arnsberger Urteil im November 2022 kassiert und in seiner Begründung auch auf den neuen Paragrafen 45b des Bundesnaturschutzgesetzes verwiesen. Die darin enthaltenen, weniger strengen Auflagen für den Artenschutz und damit für windkraftsensible Vogelarten kritisiert der Nabu aufs Schärfste. Gegen das November-Urteil will der Nabu weiter vorgehen, dafür ringt er beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig um Zulassung der Revision, die das OVG mit dem Spruch untersagt hatte.

Das OVG brachte in jedem Fall Bewegung – in den Windpark. Von den elf geplanten Anlagen ist bis heute eine einzige komplett errichtet, die seit dem Münsteraner Spruch im November (bis auf weiteres) auch den Betrieb aufnehmen durfte. Zwei Türme waren ebenfalls bereits im Bau, als Arnsberg dazwischen grätschte. Einer dieser Rümpfe war nun Gegenstand des neuen Verfahrens am OVG in Münster.

Denn Windkraftunternehmer Michael Flocke hat seit 2018 auf verschiedene Weise versucht, das Windparkprojekt und seine Anfangsinvestitionen in Höhe von 14 Millionen Euro zu retten. Neben der Berufung gegen das Arnsberger Urteil wandte er auch einen Trick an. Er sah nicht ein, dass alle elf Anlagen in der Betrachtung des Verwaltungsgerichts gleich bewertet worden waren. Und so gründete er für jede der Turbinen eine eigene Gesellschaft, um sie nun einzeln neu genehmigen zu lassen – parallel zum laufenden „Himmelreich“-Rechtsstreit.

Der Versuch, den Windpark Stück für Stück durchzusetzen, erntete die bekannten Reaktionen. Der zuständige Hochsauerlandkreis (HSK) genehmigte zwar die einzelne Enercon E-138, auf Klage des Nabu entschied das VG Arnsberg 2020 jedoch wiederum auf rechtswidrig. Darauf besserte Michael Flocke nach und erwirkte einen geänderten Genehmigungsbescheid beim HSK mit besonderen Schutzmaßnahmen für Rotmilan und Uhu. Auch diesen nahm der Nabu zum Anlass für eine Klage, die Abschaltzeiten für die Turbine zum Beispiel seien nicht ausreichend für den Schutz der Tiere. Wegen der Straffung der Instanzen landete der Fall nun direkt beim OVG in Münster.
 
Geballter Artenschutz-Sachverstand im Verhandlungssaal:
Matthias Kaiser (LANUV) und Gutachter Günter Ratzbor,
daneben Rechtsanwalt Oliver Frank (v.r.).
Quelle: Volker Stephan

Dessen 22. Senat unter Vorsitz von Hans-Joachim Hüwelmeier hatte für besondere Expertise im Verhandlungssaal gesorgt. Mehr Sachverstand in den Fall brachten auf Einladung des Gerichts Matthias Kaiser, Abteilungsleiter Artenschutz beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV), und dazu der Landespflege-Ingenieur und Gutachter zu Artenschutzfragen im Windenergie-Zusammenhang, Günter Ratzbor aus Lehrte. An ihrer Stelle hätte auch der neue Artenschutz-Leitfaden für NRW zur Erhellung beitragen können, doch diese Orientierungshilfe ist nach Vorlage durch das LANUV vor einem Jahr noch immer nicht aus der Ressortabstimmung in der schwarz-grünen Landesregierung zurück.

Im Beisein von Nabu-Landeschefin Heike Naderer versuchte Rechtsbeistand Martin Gellermann, die Position der Experten in Detailfragen zum Flugverhalten und Gefährdungsrisiko von Rotmilan und Uhu zu erschüttern. Das misslang ebenso wie zwei Beweisanträge Gellermanns. Mit ihnen wollte er neue Sachverständigen-Gutachten beantragen, die das Verhalten von Rotmilanen an Schlafplätzen sowie die Wirksamkeit von Abschaltungen während des Mähens, Pflügens oder der Ernte untersuchen lassen wollte. Richter Hüwelmeier kommentierte letzteren als „Antrag ins Blaue“, also als aus der Not geborenen Versuch. Dass Rotmilane morgens und abends rund um ihre Schlafplätze zusätzliche Flüge unternehmen, sei als Tatsache anzunehmen, unstreitig und angesichts des Abstands zur beklagten Anlage (knapp 1.000 Meter) überdies unerheblich. Das LANUV empfiehlt hier Abschaltregelungen wie im Falle von Brutplätzen.

Am Ende erhielt die Enercon den Segen des OVG. Ob es eine E-138 wird, ist gleichwohl eher unrealistisch. In der Zwischenzeit sind größere Anlagen standesgemäß, für sie wäre eine Änderungsgenehmigung zu beantragen. Das ist auch für den Fall zu erwarten, dass Leipzig den kompletten „Himmelreich“-Park durchwinkt.

Freitag, 25.08.2023, 10:40 Uhr
Volker Stephan

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.