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Energie & Management > Öl - Mehr Stadtwerke setzen Öl statt Gas zur Wärmeproduktion ein
Quelle: Pixabay / ri
Öl

Mehr Stadtwerke setzen Öl statt Gas zur Wärmeproduktion ein

Auf der Suche nach Einsparmöglichkeiten für Gas setzen immer mehr Stadtwerke in der Wärmeversorgung auf Öl. Das Potenzial ist unterschiedlich groß.
In der Krise wollen Versorger sich nicht die Finger am teuersten und unsichersten Energieträger verbrennen. Für die Wärmeproduktion rücken etwa die Stadtwerke Schwerin aktuell vom Gas ab. Eins von zwei Heizkraftwerken in der Hauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns setzt in einer Art Probebetrieb seit Anfang September bereits wieder Öl ein, bestätigte eine Sprecherin des Versorgers auf Anfrage unserer Redaktion.

Bis zu 350.000 Liter Heizöl täglich könnten Lastwagen-Transporte zum Kraftwerk Lankow liefern, wenn die Stadtwerke Schwerin im Winter vollständig auf Wärme aus Öl setzen sollten. Die Tanks des Versorgers fassen insgesamt sechs Mio. Liter. Zum Beginn des Winters sollen sie gefüllt sein und mit dieser Menge und die Schweriner Bevölkerung, die zu 60 % am Fernwärmenetz der Stadtwerke hängt, bis zu 30 Tage versorgen können.

Das zweite Heizkraftwerk im Süden, eigentlich ein reines Gaskraftwerk, soll nach Modernisierungsarbeiten noch im Laufe des Jahres ebenfalls einen Miet-Ölkessel einsetzen, der allein der Fernwärmeproduktion dient. Die KWK-Anlage wird auf Ölbasis etwas weniger Strom produzieren als mit Gas.
 

Holzvergaser bei den Stadtwerken Rosenheim in der Entwicklung

Auch am anderen Ende der Republik, in Rosenheim, hatte Öl bereits im vergangenen Winter wieder ein Comeback in der Wärmeproduktion gefeiert – nach 30 Jahren Abstinenz. Zusätzlich arbeiten die Stadtwerke Rosenheim an einer Anlage, die Holz nicht direkt als Brennstoff einsetzt, sondern dessen Biomasse in Gas umwandelt und für die Strom- und Wärmeproduktion verfügbar macht.

Für Claus-Heinrich Stahl sind solche „unternehmerischen Entscheidungen“ von Stadtwerken nachvollziehbar. Der Präsident des Bundesverbands Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK) betrachtet sie als aktuelle „Optimierung“: Wer Anlagen mit Öl fahren und gleichzeitig nicht eingesetztes Gas am Markt verkaufen könne, stelle sich derzeit einfach besser. Schließlich fielen im Einkauf für eine MWh Heizöl aktuell 100 bis 120 Euro an, für Gas seien mindestens 180 Euro auszugeben. Tatsächlich verkaufen die Stadtwerke Schwerin überschüssiges Gas mit entsprechendem Gewinn inzwischen an der Börse.

Den Effekt auf das Wärmeangebot innerhalb der Kraft-Wärme-Kopplung hält Claus-Heinrich Stahl allerdings für überschaubar. Er verweist auf einen Anteil von etwa 17 % der Wärmelieferungen in Deutschland, die auf Blockheizkraftwerke (BHKW) entfallen. Diese funktionieren in der Regel nicht über den Einsatz von Öl. Lediglich etwa 5 % davon könnten auf Kesselbetrieb umgestellt werden, diese seien aufgrund ihrer Bivalenz also auch relativ problemlos mit Öl statt Gas zu befüllen.

Verbandschef kritisiert Stilllegung von KWK-Anlagen

B.KWK-Präsident Stahl gibt zu bedenken, dass in der Kraft-Wärme-Kopplung der Primärenergiefaktor im Wärmenetz einzuhalten sei. Der Wert entwickle sich ungünstig, wenn nun Öl statt Gas zum Einsatz komme. „Das ist aber weniger schädlich, als wenn KWK-Betreiber aufgrund der hohen Gaspreise ihre Anlagen komplett stehen lassen“, so Stahl. Für letzteren Fall fehlt ihm das Verständnis, da der erzeugte Strom über die Börse in der Direktvermarktung aktuell vergleichsweise gute Preise erziele und somit kostendämpfend wirke.

Für Privathaushalte sei zu beachten, so Stahl, dass der Staat KfW-Kredite in Abhängigkeit vom Primärenergiefaktor gewährt habe. Wenn ein Wärmelieferant den Faktor wegen des Einsatzes von Öl nicht einhalten könne, sei unter Umständen die Baugenehmigung für das Haus ungültig. Bisher habe Stahl noch keine Signale aus Berlin erhalten, dass es hier Ausnahmeregelungen geben könne.

Einen regelrechten Run auf Ölheizungen im privaten Bereich kann der Bundesverband der deutschen Heizungsindustrie (BDH) übrigens nicht ausmachen. Zur Jahresmitte hatte hier das Plus an installierten Anlagen bei 14 % gelegen, verglichen zum ersten Halbjahr 2021 (wir berichteten). Bis Ende Juli, so die aktuellsten Zahlen, habe sich der Zuwachs auf 12% leicht abgeschwächt, so der BDH-Sprecher auf Anfrage unserer Redaktion.

In Summe handele es sich im laufenden Jahr bisher um 29.000 neue Ölheizungen in Deutschland, womit diese Anlagenart mit einem Anteil von etwa 5 % am Gesamtwärmemarkt das Schlusslicht hinter Gas, Biomasse und Wärmepumpen darstellt. Gleichwohl bleibe Öl für all jene Haushalte die erste Wahl, so der BDH-Sprecher, wenn Alternativen wie Gas- oder Fernwärmeanschluss nicht zur Verfügung stehen. Noch immer gebe es 5 Mio. Ölheizungen in Deutschland, die irgendwann zu modernisieren oder zu ersetzen seien.

Donnerstag, 6.10.2022, 15:37 Uhr
Volker Stephan
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Mehr Stadtwerke setzen Öl statt Gas zur Wärmeproduktion ein
Auf der Suche nach Einsparmöglichkeiten für Gas setzen immer mehr Stadtwerke in der Wärmeversorgung auf Öl. Das Potenzial ist unterschiedlich groß.
In der Krise wollen Versorger sich nicht die Finger am teuersten und unsichersten Energieträger verbrennen. Für die Wärmeproduktion rücken etwa die Stadtwerke Schwerin aktuell vom Gas ab. Eins von zwei Heizkraftwerken in der Hauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns setzt in einer Art Probebetrieb seit Anfang September bereits wieder Öl ein, bestätigte eine Sprecherin des Versorgers auf Anfrage unserer Redaktion.

Bis zu 350.000 Liter Heizöl täglich könnten Lastwagen-Transporte zum Kraftwerk Lankow liefern, wenn die Stadtwerke Schwerin im Winter vollständig auf Wärme aus Öl setzen sollten. Die Tanks des Versorgers fassen insgesamt sechs Mio. Liter. Zum Beginn des Winters sollen sie gefüllt sein und mit dieser Menge und die Schweriner Bevölkerung, die zu 60 % am Fernwärmenetz der Stadtwerke hängt, bis zu 30 Tage versorgen können.

Das zweite Heizkraftwerk im Süden, eigentlich ein reines Gaskraftwerk, soll nach Modernisierungsarbeiten noch im Laufe des Jahres ebenfalls einen Miet-Ölkessel einsetzen, der allein der Fernwärmeproduktion dient. Die KWK-Anlage wird auf Ölbasis etwas weniger Strom produzieren als mit Gas.
 

Holzvergaser bei den Stadtwerken Rosenheim in der Entwicklung

Auch am anderen Ende der Republik, in Rosenheim, hatte Öl bereits im vergangenen Winter wieder ein Comeback in der Wärmeproduktion gefeiert – nach 30 Jahren Abstinenz. Zusätzlich arbeiten die Stadtwerke Rosenheim an einer Anlage, die Holz nicht direkt als Brennstoff einsetzt, sondern dessen Biomasse in Gas umwandelt und für die Strom- und Wärmeproduktion verfügbar macht.

Für Claus-Heinrich Stahl sind solche „unternehmerischen Entscheidungen“ von Stadtwerken nachvollziehbar. Der Präsident des Bundesverbands Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK) betrachtet sie als aktuelle „Optimierung“: Wer Anlagen mit Öl fahren und gleichzeitig nicht eingesetztes Gas am Markt verkaufen könne, stelle sich derzeit einfach besser. Schließlich fielen im Einkauf für eine MWh Heizöl aktuell 100 bis 120 Euro an, für Gas seien mindestens 180 Euro auszugeben. Tatsächlich verkaufen die Stadtwerke Schwerin überschüssiges Gas mit entsprechendem Gewinn inzwischen an der Börse.

Den Effekt auf das Wärmeangebot innerhalb der Kraft-Wärme-Kopplung hält Claus-Heinrich Stahl allerdings für überschaubar. Er verweist auf einen Anteil von etwa 17 % der Wärmelieferungen in Deutschland, die auf Blockheizkraftwerke (BHKW) entfallen. Diese funktionieren in der Regel nicht über den Einsatz von Öl. Lediglich etwa 5 % davon könnten auf Kesselbetrieb umgestellt werden, diese seien aufgrund ihrer Bivalenz also auch relativ problemlos mit Öl statt Gas zu befüllen.

Verbandschef kritisiert Stilllegung von KWK-Anlagen

B.KWK-Präsident Stahl gibt zu bedenken, dass in der Kraft-Wärme-Kopplung der Primärenergiefaktor im Wärmenetz einzuhalten sei. Der Wert entwickle sich ungünstig, wenn nun Öl statt Gas zum Einsatz komme. „Das ist aber weniger schädlich, als wenn KWK-Betreiber aufgrund der hohen Gaspreise ihre Anlagen komplett stehen lassen“, so Stahl. Für letzteren Fall fehlt ihm das Verständnis, da der erzeugte Strom über die Börse in der Direktvermarktung aktuell vergleichsweise gute Preise erziele und somit kostendämpfend wirke.

Für Privathaushalte sei zu beachten, so Stahl, dass der Staat KfW-Kredite in Abhängigkeit vom Primärenergiefaktor gewährt habe. Wenn ein Wärmelieferant den Faktor wegen des Einsatzes von Öl nicht einhalten könne, sei unter Umständen die Baugenehmigung für das Haus ungültig. Bisher habe Stahl noch keine Signale aus Berlin erhalten, dass es hier Ausnahmeregelungen geben könne.

Einen regelrechten Run auf Ölheizungen im privaten Bereich kann der Bundesverband der deutschen Heizungsindustrie (BDH) übrigens nicht ausmachen. Zur Jahresmitte hatte hier das Plus an installierten Anlagen bei 14 % gelegen, verglichen zum ersten Halbjahr 2021 (wir berichteten). Bis Ende Juli, so die aktuellsten Zahlen, habe sich der Zuwachs auf 12% leicht abgeschwächt, so der BDH-Sprecher auf Anfrage unserer Redaktion.

In Summe handele es sich im laufenden Jahr bisher um 29.000 neue Ölheizungen in Deutschland, womit diese Anlagenart mit einem Anteil von etwa 5 % am Gesamtwärmemarkt das Schlusslicht hinter Gas, Biomasse und Wärmepumpen darstellt. Gleichwohl bleibe Öl für all jene Haushalte die erste Wahl, so der BDH-Sprecher, wenn Alternativen wie Gas- oder Fernwärmeanschluss nicht zur Verfügung stehen. Noch immer gebe es 5 Mio. Ölheizungen in Deutschland, die irgendwann zu modernisieren oder zu ersetzen seien.

Donnerstag, 6.10.2022, 15:37 Uhr
Volker Stephan

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