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Energie & Management > Gas - LNG-Importe: Unterschätzte Emissionen
Quelle: Shutterstock / Igor Grochev
Gas

LNG-Importe: Unterschätzte Emissionen

Geänderte Berechnungsmethoden sowie die Betrachtung der gesamten Lieferkette lassen die Klimauswirkungen von LNG doppelt so hoch erscheinen wie jene von Pipelinegas.
Die Treibhausgasemissionen durch den Import von LNG könnten möglicherweise um etwa die Hälfte unterschätzt worden sein. Das ist eine der wesentlichsten Feststellungen in dem Bericht „LNG-Boom in Deutschland – Pläne, Kritik, Fakten, Hintergründe“, den das Hamburger Forschungs- und Beratungsbüro „Energy Comment“ im Auftrag des Energieversorgers Green Planet Energy (vormals Greenpeace Energy) zusammenstellte.

Als einen der Gründe für diese Behauptung nennt der Autor des Berichts, „Energy Comment“-Geschäftsführer Steffen Bukold: Die durchschnittliche Auswirkung der Emission von Methan durch Verbrennung fossiler Energieträger auf das Klima werde bislang zumeist über 100 Jahre hinweg berechnet. Daraus ergebe sich „eine Klimawirkung, die 29,8 Mal höher“ sei als jene von CO2. Dieser Wert werde auch in den „Sachstandsberichten“ des Weltklimarats IPCC genannt.

Doch wird immer häufiger auch ein Zeithorizont von 20 Jahren betrachtet. "Über einen Zeitraum von 20 Jahren wirkt fossiles Methan in der Atmosphäre laut IPCC etwa 82,5 Mal stärker als CO2.“ Für die veränderte Perspektive gibt es laut Bukold gute Gründe: So werde bei einer Betrachtung über 100 Jahre hinweg übersehen, „dass es schon in den nächsten Jahren zu irreversiblen Klimaschäden und Kipp-Punkten kommen kann. Auch peilen viele Staaten die Klimaneutralität bis 2045 oder 2050 an.“

Doppelt so hoch

Bukold verweist auf Angaben der Internationalen Energieagentur, denen zufolge im Gas-, Öl- und Kohlesektor jährlich rund 130 Millionen Tonnen Methan emittiert werden, davon etwa 35 bis 40 Millionen Tonnen in der Gasbranche. Auf Aktivitäten im Bereich der Förderung (Upstream) entfallen davon wiederum rund 80 Prozent oder 28 bis 32 Millionen Tonnen. Ausschlaggebend dafür seien das absichtliche Ablassen von Methan aus Bohrlöchern (Venting), das unvollständige Abfackeln von Erdgas (Flaring) sowie Leckagen.

Hinzu kommen bei der Lieferung des LNG weitere Emissionen durch den Energieaufwand bei der Verflüssigung von Erdgas, beim Transport von LNG per LNG-Tanker sowie in vergleichsweise geringem Maße bei der Regasifizierung. Ferner sind Leckagen bei den Kompressoren für die Gasverteilung im Leitungsnetz sowie bei den Anlagen der Endverbraucher von Kraftwerken bis zu Gasheizungen zu berücksichtigen.

„Fast alle internationalen Untersuchungen zeigen höhere Methan-Emissionen als bislang vermutet. Sie bewegen sich auf ein Volumen zu, das 3 Prozent der geförderten Erdgasmengen entspricht“, konstatiert Bukold in seinem Bericht. Damit aber werde „der Klimaschaden durch die Gaswirtschaft deutlich unterschätzt. Über einen Zeithorizont von 20 Jahren ist der gesamte Treibhauseffekt durch Erdgas doppelt so hoch wie der Klimaschaden, der nur bei der Verbrennung von Erdgas beim Verbraucher entsteht.“

Schätze das Umweltbundesamt die Emissionen an CO2-Äquivalenten durch die Verbrennung von gewöhnlichem Erdgas bei Industrie und Haushalten auf rund 200 Gramm/kWh, seien es bei der Nutzung von LNG unter Berücksichtigung der genannten Faktoren rund 300 Gramm/kWh. Bei der Verstromung in Form von LNG gelieferten Erdgases mit 50 Prozent Wirkungsgrad müsse mit 600 Gramm/kWh gerechnet werden, verglichen mit rund 400 Gramm bei Pipelinegas. Und das gilt laut Bukold „selbst bei überdurchschnittlich günstigen Bedingungen in den Lieferketten.“

Überzogener Ausbau

Das Problem ist dem Bericht zufolge, dass Europa und damit auch Deutschland für die nächsten Jahre nicht auf LNG verzichten kann, ohne die Sicherheit seiner Gasversorgung zu gefährden: „Die LNG-Importe der EU stiegen von 80 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2021 auf etwas über 130 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2022.

Im Jahr 2023 werden noch größere Mengen benötigt.“ Allerdings bestehe in Deutschland die Gefahr einer Überdimensionierung der LNG-Infrastruktur. Auch, wenn nicht sämtliche geplanten Terminals errichtet würden, werde die Bundesrepublik voraussichtlich „zum EU-Land mit den zweithöchsten LNG-Importkapazitäten nach Spanien.“ Ob dies indessen empfehlenswert ist, lässt sich laut Bukold bezweifeln. Er verweist auf eine Kurzstudie des Kölner New Climate Institute vom Dezember 2002, laut der der geplante Ausbau „überzogen“ ist. Denn um seine Klimaziele zu erreichen, müsse Deutschland seinen Gasverbrauch „bis 2030 um ein Fünftel und bis 2035 um die Hälfte“ verringern.

Donnerstag, 5.01.2023, 16:07 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Gas - LNG-Importe: Unterschätzte Emissionen
Quelle: Shutterstock / Igor Grochev
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LNG-Importe: Unterschätzte Emissionen
Geänderte Berechnungsmethoden sowie die Betrachtung der gesamten Lieferkette lassen die Klimauswirkungen von LNG doppelt so hoch erscheinen wie jene von Pipelinegas.
Die Treibhausgasemissionen durch den Import von LNG könnten möglicherweise um etwa die Hälfte unterschätzt worden sein. Das ist eine der wesentlichsten Feststellungen in dem Bericht „LNG-Boom in Deutschland – Pläne, Kritik, Fakten, Hintergründe“, den das Hamburger Forschungs- und Beratungsbüro „Energy Comment“ im Auftrag des Energieversorgers Green Planet Energy (vormals Greenpeace Energy) zusammenstellte.

Als einen der Gründe für diese Behauptung nennt der Autor des Berichts, „Energy Comment“-Geschäftsführer Steffen Bukold: Die durchschnittliche Auswirkung der Emission von Methan durch Verbrennung fossiler Energieträger auf das Klima werde bislang zumeist über 100 Jahre hinweg berechnet. Daraus ergebe sich „eine Klimawirkung, die 29,8 Mal höher“ sei als jene von CO2. Dieser Wert werde auch in den „Sachstandsberichten“ des Weltklimarats IPCC genannt.

Doch wird immer häufiger auch ein Zeithorizont von 20 Jahren betrachtet. "Über einen Zeitraum von 20 Jahren wirkt fossiles Methan in der Atmosphäre laut IPCC etwa 82,5 Mal stärker als CO2.“ Für die veränderte Perspektive gibt es laut Bukold gute Gründe: So werde bei einer Betrachtung über 100 Jahre hinweg übersehen, „dass es schon in den nächsten Jahren zu irreversiblen Klimaschäden und Kipp-Punkten kommen kann. Auch peilen viele Staaten die Klimaneutralität bis 2045 oder 2050 an.“

Doppelt so hoch

Bukold verweist auf Angaben der Internationalen Energieagentur, denen zufolge im Gas-, Öl- und Kohlesektor jährlich rund 130 Millionen Tonnen Methan emittiert werden, davon etwa 35 bis 40 Millionen Tonnen in der Gasbranche. Auf Aktivitäten im Bereich der Förderung (Upstream) entfallen davon wiederum rund 80 Prozent oder 28 bis 32 Millionen Tonnen. Ausschlaggebend dafür seien das absichtliche Ablassen von Methan aus Bohrlöchern (Venting), das unvollständige Abfackeln von Erdgas (Flaring) sowie Leckagen.

Hinzu kommen bei der Lieferung des LNG weitere Emissionen durch den Energieaufwand bei der Verflüssigung von Erdgas, beim Transport von LNG per LNG-Tanker sowie in vergleichsweise geringem Maße bei der Regasifizierung. Ferner sind Leckagen bei den Kompressoren für die Gasverteilung im Leitungsnetz sowie bei den Anlagen der Endverbraucher von Kraftwerken bis zu Gasheizungen zu berücksichtigen.

„Fast alle internationalen Untersuchungen zeigen höhere Methan-Emissionen als bislang vermutet. Sie bewegen sich auf ein Volumen zu, das 3 Prozent der geförderten Erdgasmengen entspricht“, konstatiert Bukold in seinem Bericht. Damit aber werde „der Klimaschaden durch die Gaswirtschaft deutlich unterschätzt. Über einen Zeithorizont von 20 Jahren ist der gesamte Treibhauseffekt durch Erdgas doppelt so hoch wie der Klimaschaden, der nur bei der Verbrennung von Erdgas beim Verbraucher entsteht.“

Schätze das Umweltbundesamt die Emissionen an CO2-Äquivalenten durch die Verbrennung von gewöhnlichem Erdgas bei Industrie und Haushalten auf rund 200 Gramm/kWh, seien es bei der Nutzung von LNG unter Berücksichtigung der genannten Faktoren rund 300 Gramm/kWh. Bei der Verstromung in Form von LNG gelieferten Erdgases mit 50 Prozent Wirkungsgrad müsse mit 600 Gramm/kWh gerechnet werden, verglichen mit rund 400 Gramm bei Pipelinegas. Und das gilt laut Bukold „selbst bei überdurchschnittlich günstigen Bedingungen in den Lieferketten.“

Überzogener Ausbau

Das Problem ist dem Bericht zufolge, dass Europa und damit auch Deutschland für die nächsten Jahre nicht auf LNG verzichten kann, ohne die Sicherheit seiner Gasversorgung zu gefährden: „Die LNG-Importe der EU stiegen von 80 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2021 auf etwas über 130 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2022.

Im Jahr 2023 werden noch größere Mengen benötigt.“ Allerdings bestehe in Deutschland die Gefahr einer Überdimensionierung der LNG-Infrastruktur. Auch, wenn nicht sämtliche geplanten Terminals errichtet würden, werde die Bundesrepublik voraussichtlich „zum EU-Land mit den zweithöchsten LNG-Importkapazitäten nach Spanien.“ Ob dies indessen empfehlenswert ist, lässt sich laut Bukold bezweifeln. Er verweist auf eine Kurzstudie des Kölner New Climate Institute vom Dezember 2002, laut der der geplante Ausbau „überzogen“ ist. Denn um seine Klimaziele zu erreichen, müsse Deutschland seinen Gasverbrauch „bis 2030 um ein Fünftel und bis 2035 um die Hälfte“ verringern.

Donnerstag, 5.01.2023, 16:07 Uhr
Klaus Fischer

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