E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > IT - Licht und Schatten
Bild: Fotolia/Nmedia
IT

Licht und Schatten

Einige Abschnitte des aktuellen Digitalisierungsbarometers strahlen Optimismus aus. Der Gesamteindruck wird aber durch dunkle Wolken über dem Rechtsrahmen getrübt.
Fast überraschend hat das Bundeswirtschaftsministerium im Juni den aktuellen Fortschrittsbericht über die Umsetzung des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende im Berichtsjahr 2020 veröffentlicht. Keine Pressemitteilung, keine öffentliche Begleitmusik, obwohl eine Reihe von Digitalisierungsthemen ganz entscheidend für eine erfolgreiche Energiewende ist.

Ursprünglich war das Digitalisierungsbarometer, das von der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums im jährlichen Turnus erstellt wird, für den 30. Januar angekündigt. Durch den späten Erscheinungstermin haben nun auch einige aktuelle Entwicklungen Eingang gefunden, die im laufenden Jahr für Aufsehen gesorgt haben.

„Vergabe der 450-MHz-Frequenzen kann langfristig für die Branche nicht hoch genug eingeschätzt werden“
 
Dazu gehört die Entscheidung der Bundesnetzagentur vom 9. März, nach einem Ausschreibungsverfahren der 450 Connect GmbH den Zuschlag zu geben. Damit ist der Weg zu einem 450-MHz-Netz für die Energiewirtschaft geebnet, was die Autoren sowohl aus technischer als auch aus volkswirtschaftlicher Sicht begrüßen. Dadurch bestehe nun die Perspektive einer einheitlichen und flächendeckenden Infrastruktur- und Frequenzlösung. „Diese Entscheidung kann, was die langfristige Digitalisierung der Branche angeht, gar nicht hoch genug eingeschätzt werden“, sagt Mathias Kaniut, einer der Autoren und Direktor Digitale Infrastruktur Energiewirtschaft bei Ernst & Young. Die Branche hat mit dem 450-MHz-Netz zum einen eine ideale Grundlage für die Kommunikation in Smart Grids etwa durch die Anbindung von intelligenten Messsystemen. Zum anderen verfügt sie damit über eine schwarzfallfeste Funklösung in Krisensituationen. Die Autoren verbuchen dies als „spürbaren Fortschritt“. Vor diesem Hintergrund haben die Gutachter dem neuen Lizenzinhaber auf die To-do-Liste geschrieben: „Jetzt ist es Aufgabe der 450 Connect, den zügigen und flächendeckenden Aufbau des 450-MHz-Netzes umzusetzen.“
 
Mehrere regionale 450-MHz-Netze sind zumindest in Teilen bereits im Wirkbetrieb. Hier ein Funkmast der Wemag
Foto: WEMAG/Stephan Rudolph-Kramer

Erste Schritte auf diesem Weg sind gemacht. Mehrere regionale 450-MHz-Netze, die aktuell 342 Funkstandorte umfassen, sind zumindest in Teilen bereits im Wirkbetrieb. Alliander hat sie mit seinen Ankerkunden aufgebaut, zu denen beispielsweise die Netzgesellschaft Düsseldorf, die EWE Netz, die Westfalen Weser Netz und die Wemag gehören. Bis Ende 2020 war der niederländische Strom- und Telekommunikationsnetzbetreiber alleiniger Gesellschafter von 450 Connect. Zugunsten einer Branchenlösung hat er jedoch mittlerweile jeweils 25 % der Anteile an ein Konsortium regionaler Energieversorger, an den Eon-Konzern und an die Versorger-Allianz 450 abgegeben. Ende 2024 soll dann nach den Plänen der „neuen“ 450 Connect ein bundesweites Netz mit rund 1.600 Funkstandorten in Betrieb sein.

Positiv ist den Beratern auch der weiterhin zügige Rollout sogenannter moderner Messeinrichtungen aufgefallen. Waren es 2019 noch 2,5 Mio. verbaute Einheiten, stehen für 2020 insgesamt 5,8 Mio. Geräte zu Buche, was rund 11 % des Bestands entspricht. Damit haben die grundzuständigen Messstellenbetreiber ihre gesetzliche Rollout- beziehungsweise Umstellungspflicht, die eine Quote von 10 % bis zum 1. Juli 2020 vorschrieb, insgesamt erreicht. Und auch bei individueller Betrachtung habe die Bundesnetzagentur keine säumigen Unternehmen festgestellt, heißt es im Barometer.

Verhaltenes Interesse an modernen Messeinrichtungen
 
Für Euphorie gibt es allerdings keinen Anlass. Denn die neuen Geräte sind „nur“ digitale Zähler, die per se nicht intelligent sind. Das werden sie erst durch Zusatzgeräte und -dienste. Zwar haben verschiedene Stadtwerke und Metering-Dienstleister bereits Module entwickelt, um Mehrwerte auf Basis der modernen Messeinrichtungen zu ermöglichen. Ob die Endkunden diese jedoch auch honorieren, wird derzeit noch in Pilotprojekten untersucht. Skepsis ist angebracht. Denn erfahrungsgemäß nehmen Endkunden angebotene Verbrauchstransparenzfunktionen nur selten in Anspruch, wie überhaupt ihr Interesse an den digitalen Zählern und Zusatzdiensten sehr verhalten ist. Dies ergab eine Umfrage der Autoren unter Netz- beziehungsweise Messstellenbetreibern aus den Reihen der kommunalen Unternehmen.

Große Aufmerksamkeit wird dagegen den intelligenten Messsystemen zuteil, also den elektronischen Zählern, die mit einem Smart-Meter-Gateway als Kommunikationseinheit verbunden sind. Deren gesetzlich vorgegebener Rollout hat Anfang 2020 offiziell begonnen und ist nicht einmal allzu sehr durch die Corona-Pandemie ins Stocken geraten. Kaniut und seine Kollegen hatten zunächst erwartet, dass die Bestandsaufnahme für 2020 ein „reines Covid-Barometer“ werden würde. Doch weit gefehlt: „Die Pandemie hatte auf den Fortschritt der Digitalisierung in der Energiewirtschaft allenfalls im Frühjahr des vergangenen Jahres einen spürbaren Einfluss“, sagt er.

Für mehr Verunsicherung im Markt hat der Eilbeschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für Nordrhein-Westfalen in Münster vom 4. März 2021 gesorgt. Dieser hatte dazu geführt, dass für einige Messstellenbetreiber die Pflicht zum Rollout intelligenter Messsysteme ausgesetzt wurde. Es ging unter anderem um die Frage, ob eine Einbaupflicht von Smart-Meter-Gateways auch dann besteht, wenn sie bei der Installation noch nicht den vollen, vom Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) vorgegebenen Funktionsumfang haben, sondern dieser erst stufenweise durch Software-Updates erreicht wird. Ein solches Vorgehen liegt der „Standardisierungsstrategie zur sektorübergreifenden Digitalisierung nach dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“ von BMWi und BSI zugrunde. Das Ministerium und die Behörde hatten sich mit Teilen der Energiewirtschaft darauf verständigt. Das Gericht monierte es jedoch.
 
Roadmap stärkt das Vertrauen in strukturierte Weiterentwicklung der Smart-Meter-Gateway-Standards
 
Vor diesem Hintergrund zeige sich, wie die Autoren des Barometers betonen, dass noch Handlungsbedarf im Hinblick auf die rechtssichere Umsetzung der regulatorischen Vorgaben besteht. Allerdings erscheint ihnen das Zeitfenster bis zum Ende der Legislaturperiode für eine kurzfristige Änderung des Rechtsrahmens sehr klein, auch wenn das BMWi bereits einen Arbeitsprozess unter Beteiligung mehrerer Verbände initiiert und eine Anpassung des Messstellenbetriebsgesetzes in die laufende EEG-Novelle eingebracht hat. Auf jeden Fall könne die Zeit bis zu einem Urteil im Hauptverfahren jedoch genutzt werden, um Verbesserungen in den Verfahren zur Zertifizierung und Standardisierung herbeizuführen. Wobei die BMWi/BSI-Roadmap und die Entwicklung des sogenannten Stufenmodells für Smart-Meter-Gateways „das Vertrauen in ein strukturiertes, transparentes Vorgehen zur Weiterentwicklung der technischen Standards und des Rechtsrahmens gestärkt“ hätten, trotz einiger Klagen über dessen Komplexität und Zeitintensivität.
 
Die Corona-Pandemie hat den Smart Meter Rollout kaum verzögert. Dagegen hat ein Beschluss des OVG in Münster zu großer Verunsicherung geführt
Bild: EVM/Sascha Ditscher

Bezüglich des Modells der Spitzenglättung würde Kaniut nicht von „gekippt“ sprechen, sagt er. Eher würde er den Begriff „pausiert“ verwenden. Die Ausgestaltung des § 14a EnWG soll die Nutzung steuerbarer Verbrauchseinrichtungen für die Stabilisierung der Netze regeln. Damit würden unter anderem die Basis für einen netzverträglichen Ausbau der Ladeinfrastruktur geschaffen und die Grundlage für eine Reihe digitaler Geschäftsmodelle rund um die Elektromobilität. Das von der Beratungsgesellschaft BET entwickelte Konzept der Spitzenglättung hatte bereits Eingang in den entsprechenden Verordnungsentwurf gefunden, wurde dann vom BMWi aber wieder zurückgezogen − mutmaßlich nach Intervention der Automobilwirtschaft.

„Es ist ein gutes Modell, vor allem verursachergerecht“, erklärt Kaniut und berichtet von einem grundsätzlichen Konsens aller Beteiligten auf der Arbeitsebene, die im Beirat des Digitalisierungsbarometers die Spitzenglättung diskutiert haben. „Dann haben wir es aber nicht geschafft, das große Ganze auf die Entscheiderebene zu transportieren“, merkt er an. Die Hoffnung, dass das vielversprechende Flexibilisierungsinstrument in irgendeiner Form doch noch kommt, und sei es als Kompromiss in irgendeiner Form, hat er jedoch nicht aufgegeben. „Denn es muss hier und bei anderen rechtlichen Weichenstellungen weitergehen. Im nächsten Barometer muss ein Fortschritt im Rechtsrahmen erkennbar sein“, so Kaniut. Das sei für die Verkehrs- aber auch für die Wärmewende von entscheidender Bedeutung.
 
Masterplan „Digitalisierung der Energiewende“ vorgeschlagen

Um künftig zu vermeiden, dass trotz intensiver Abstimmung letztlich doch Ressort- und Sektorinteressen wichtige Entscheidungen blockieren, schlagen Kaniut und seine Kollegen einen „Masterplan Digitalisierung der Energiewende“ vor. „Es gibt bisher noch keine Gesamtübersicht über die Zielsetzungen der Energiewende, deren Notwendigkeit und das Zusammenspiel einzelner Maßnahmenbündel. Eine ganzheitliche ‚Digitalisierungskarte‘ könnte das leisten“, sagt der EY-Manager. Notwendigkeiten aufzuzeigen, eher als Konsequenzen − das wäre aus seiner Sicht verständnisfördernd.
Apropos Verständnis: Ein Ergebnis des Digitalisierungsbarometers ist für Kaniut besonders erschreckend. Nach wie vor ist der Informationsstand der Öffentlichkeit zu den Digitalisierungsmaßnahmen, die für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende notwendig sind, fast null. Dies ergab eine repräsentative Umfrage von Ernst & Young unter 1.000 Privathaushalten und 400 Gewerbebetrieben. Allerdings sei grundsätzlich die Bereitschaft erkennbar gewesen, an der Energiewende mitzuwirken − sofern man im Gespräch die wesentlichen Grundlagen vermittelt habe. „Mit Smart Metern konnten allerdings die allerwenigsten etwas anfangen. Da braucht man mit Netzflexibilisierung erst gar nicht kommen“, bedauert Kaniut. Die groß angekündigte Informationskampagne der Bundesregierung hat hier offenkundig noch nicht ihre Zielgruppe erreicht.
Die Gesprächspartner hätten klar signalisiert, dass sie informiert werden wollen und hier die regulierenden Behörden und Energieversorger in der Pflicht sehen. Dass Datenschutz und -sicherheit für die Kunden eine ganz wesentliche Rolle spielen, sollte eigentlich den intelligenten Messsystemen mit ihren zertifizierten Smart-Meter-Gateways in die Hände spielen. Gleichzeitig seien die Kunden aber kaum über die Kosten und den Nutzen einer solchen Infrastruktur im Bilde. Wobei Information nur die eine Seite der Medaille ist. Wer vom Nutzen für die Kunden spreche, müsse das tatsächliche Angebot an digitalen Mehrwertdiensten, seien es flexible Tarife oder Energiesparoptionen, in den Blick nehmen. Solche Angebote sind derzeit aber noch Mangelware. E&M
 

Neue Kosten-Nutzen-Analyse avisiert

Im Herbst 2017 hatte das Bundeswirtschaftsministerium Ernst & Young mit der Evaluierung des Digitalisierungsprozesses bei der Energiewende beauftragt. Ziel sollte es sein, bis 2021 jährlich ein Digitalisierungsbarometer zu erstellen, das den Fortschritt der Energiewende analysiert. Drei darüber hinaus gehende Gutachten zu „Topthemen“ sollten zudem Impulse setzen und Handlungsempfehlungen geben. So hat BET in Aachen untersucht, wie eine fluktuierende erneuerbare Einspeisung und eine zunehmend flexiblere Einspeisung in Einklang gebracht werden können, um den Verteilnetzausbau effizient zu begrenzen. Ergebnis ist das Modell der Spitzenglättung. Das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) verfasste ein Gutachten zur Telekommunikationsinfrastruktur, die für eine Digitalisierung der Energiewende notwendig ist und sprach sich dabei für eine Zuweisung des 450-MHz-Netzes an die Energiebranche aus. Beim dritten Topthema ging es um die Motivierung der Verbraucher und neue Geschäftsmodelle.
Angesichts des noch überschaubaren Digitalisierungsfortschritts − die Gesamtbewertung liegt für 2020 bei 44 von 100 Punkten − wird es nun eine Verlängerung der Barometer-Phase bis 2023 geben. Zwei weitere Fortschrittsberichte für 2021 und 2022 werden folgen. Den Abschluss soll eine neue Kosten-Nutzen-Analyse aus Sicht der Verbraucher bilden. Auf Grundlage der ersten Analyse im Jahr 2013 war der Smart-Meter-Rollout konzipiert und in Gesetzesform gegossen worden.
 

Freitag, 9.07.2021, 09:00 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > IT - Licht und Schatten
Bild: Fotolia/Nmedia
IT
Licht und Schatten
Einige Abschnitte des aktuellen Digitalisierungsbarometers strahlen Optimismus aus. Der Gesamteindruck wird aber durch dunkle Wolken über dem Rechtsrahmen getrübt.
Fast überraschend hat das Bundeswirtschaftsministerium im Juni den aktuellen Fortschrittsbericht über die Umsetzung des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende im Berichtsjahr 2020 veröffentlicht. Keine Pressemitteilung, keine öffentliche Begleitmusik, obwohl eine Reihe von Digitalisierungsthemen ganz entscheidend für eine erfolgreiche Energiewende ist.

Ursprünglich war das Digitalisierungsbarometer, das von der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums im jährlichen Turnus erstellt wird, für den 30. Januar angekündigt. Durch den späten Erscheinungstermin haben nun auch einige aktuelle Entwicklungen Eingang gefunden, die im laufenden Jahr für Aufsehen gesorgt haben.

„Vergabe der 450-MHz-Frequenzen kann langfristig für die Branche nicht hoch genug eingeschätzt werden“
 
Dazu gehört die Entscheidung der Bundesnetzagentur vom 9. März, nach einem Ausschreibungsverfahren der 450 Connect GmbH den Zuschlag zu geben. Damit ist der Weg zu einem 450-MHz-Netz für die Energiewirtschaft geebnet, was die Autoren sowohl aus technischer als auch aus volkswirtschaftlicher Sicht begrüßen. Dadurch bestehe nun die Perspektive einer einheitlichen und flächendeckenden Infrastruktur- und Frequenzlösung. „Diese Entscheidung kann, was die langfristige Digitalisierung der Branche angeht, gar nicht hoch genug eingeschätzt werden“, sagt Mathias Kaniut, einer der Autoren und Direktor Digitale Infrastruktur Energiewirtschaft bei Ernst & Young. Die Branche hat mit dem 450-MHz-Netz zum einen eine ideale Grundlage für die Kommunikation in Smart Grids etwa durch die Anbindung von intelligenten Messsystemen. Zum anderen verfügt sie damit über eine schwarzfallfeste Funklösung in Krisensituationen. Die Autoren verbuchen dies als „spürbaren Fortschritt“. Vor diesem Hintergrund haben die Gutachter dem neuen Lizenzinhaber auf die To-do-Liste geschrieben: „Jetzt ist es Aufgabe der 450 Connect, den zügigen und flächendeckenden Aufbau des 450-MHz-Netzes umzusetzen.“
 
Mehrere regionale 450-MHz-Netze sind zumindest in Teilen bereits im Wirkbetrieb. Hier ein Funkmast der Wemag
Foto: WEMAG/Stephan Rudolph-Kramer

Erste Schritte auf diesem Weg sind gemacht. Mehrere regionale 450-MHz-Netze, die aktuell 342 Funkstandorte umfassen, sind zumindest in Teilen bereits im Wirkbetrieb. Alliander hat sie mit seinen Ankerkunden aufgebaut, zu denen beispielsweise die Netzgesellschaft Düsseldorf, die EWE Netz, die Westfalen Weser Netz und die Wemag gehören. Bis Ende 2020 war der niederländische Strom- und Telekommunikationsnetzbetreiber alleiniger Gesellschafter von 450 Connect. Zugunsten einer Branchenlösung hat er jedoch mittlerweile jeweils 25 % der Anteile an ein Konsortium regionaler Energieversorger, an den Eon-Konzern und an die Versorger-Allianz 450 abgegeben. Ende 2024 soll dann nach den Plänen der „neuen“ 450 Connect ein bundesweites Netz mit rund 1.600 Funkstandorten in Betrieb sein.

Positiv ist den Beratern auch der weiterhin zügige Rollout sogenannter moderner Messeinrichtungen aufgefallen. Waren es 2019 noch 2,5 Mio. verbaute Einheiten, stehen für 2020 insgesamt 5,8 Mio. Geräte zu Buche, was rund 11 % des Bestands entspricht. Damit haben die grundzuständigen Messstellenbetreiber ihre gesetzliche Rollout- beziehungsweise Umstellungspflicht, die eine Quote von 10 % bis zum 1. Juli 2020 vorschrieb, insgesamt erreicht. Und auch bei individueller Betrachtung habe die Bundesnetzagentur keine säumigen Unternehmen festgestellt, heißt es im Barometer.

Verhaltenes Interesse an modernen Messeinrichtungen
 
Für Euphorie gibt es allerdings keinen Anlass. Denn die neuen Geräte sind „nur“ digitale Zähler, die per se nicht intelligent sind. Das werden sie erst durch Zusatzgeräte und -dienste. Zwar haben verschiedene Stadtwerke und Metering-Dienstleister bereits Module entwickelt, um Mehrwerte auf Basis der modernen Messeinrichtungen zu ermöglichen. Ob die Endkunden diese jedoch auch honorieren, wird derzeit noch in Pilotprojekten untersucht. Skepsis ist angebracht. Denn erfahrungsgemäß nehmen Endkunden angebotene Verbrauchstransparenzfunktionen nur selten in Anspruch, wie überhaupt ihr Interesse an den digitalen Zählern und Zusatzdiensten sehr verhalten ist. Dies ergab eine Umfrage der Autoren unter Netz- beziehungsweise Messstellenbetreibern aus den Reihen der kommunalen Unternehmen.

Große Aufmerksamkeit wird dagegen den intelligenten Messsystemen zuteil, also den elektronischen Zählern, die mit einem Smart-Meter-Gateway als Kommunikationseinheit verbunden sind. Deren gesetzlich vorgegebener Rollout hat Anfang 2020 offiziell begonnen und ist nicht einmal allzu sehr durch die Corona-Pandemie ins Stocken geraten. Kaniut und seine Kollegen hatten zunächst erwartet, dass die Bestandsaufnahme für 2020 ein „reines Covid-Barometer“ werden würde. Doch weit gefehlt: „Die Pandemie hatte auf den Fortschritt der Digitalisierung in der Energiewirtschaft allenfalls im Frühjahr des vergangenen Jahres einen spürbaren Einfluss“, sagt er.

Für mehr Verunsicherung im Markt hat der Eilbeschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für Nordrhein-Westfalen in Münster vom 4. März 2021 gesorgt. Dieser hatte dazu geführt, dass für einige Messstellenbetreiber die Pflicht zum Rollout intelligenter Messsysteme ausgesetzt wurde. Es ging unter anderem um die Frage, ob eine Einbaupflicht von Smart-Meter-Gateways auch dann besteht, wenn sie bei der Installation noch nicht den vollen, vom Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) vorgegebenen Funktionsumfang haben, sondern dieser erst stufenweise durch Software-Updates erreicht wird. Ein solches Vorgehen liegt der „Standardisierungsstrategie zur sektorübergreifenden Digitalisierung nach dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“ von BMWi und BSI zugrunde. Das Ministerium und die Behörde hatten sich mit Teilen der Energiewirtschaft darauf verständigt. Das Gericht monierte es jedoch.
 
Roadmap stärkt das Vertrauen in strukturierte Weiterentwicklung der Smart-Meter-Gateway-Standards
 
Vor diesem Hintergrund zeige sich, wie die Autoren des Barometers betonen, dass noch Handlungsbedarf im Hinblick auf die rechtssichere Umsetzung der regulatorischen Vorgaben besteht. Allerdings erscheint ihnen das Zeitfenster bis zum Ende der Legislaturperiode für eine kurzfristige Änderung des Rechtsrahmens sehr klein, auch wenn das BMWi bereits einen Arbeitsprozess unter Beteiligung mehrerer Verbände initiiert und eine Anpassung des Messstellenbetriebsgesetzes in die laufende EEG-Novelle eingebracht hat. Auf jeden Fall könne die Zeit bis zu einem Urteil im Hauptverfahren jedoch genutzt werden, um Verbesserungen in den Verfahren zur Zertifizierung und Standardisierung herbeizuführen. Wobei die BMWi/BSI-Roadmap und die Entwicklung des sogenannten Stufenmodells für Smart-Meter-Gateways „das Vertrauen in ein strukturiertes, transparentes Vorgehen zur Weiterentwicklung der technischen Standards und des Rechtsrahmens gestärkt“ hätten, trotz einiger Klagen über dessen Komplexität und Zeitintensivität.
 
Die Corona-Pandemie hat den Smart Meter Rollout kaum verzögert. Dagegen hat ein Beschluss des OVG in Münster zu großer Verunsicherung geführt
Bild: EVM/Sascha Ditscher

Bezüglich des Modells der Spitzenglättung würde Kaniut nicht von „gekippt“ sprechen, sagt er. Eher würde er den Begriff „pausiert“ verwenden. Die Ausgestaltung des § 14a EnWG soll die Nutzung steuerbarer Verbrauchseinrichtungen für die Stabilisierung der Netze regeln. Damit würden unter anderem die Basis für einen netzverträglichen Ausbau der Ladeinfrastruktur geschaffen und die Grundlage für eine Reihe digitaler Geschäftsmodelle rund um die Elektromobilität. Das von der Beratungsgesellschaft BET entwickelte Konzept der Spitzenglättung hatte bereits Eingang in den entsprechenden Verordnungsentwurf gefunden, wurde dann vom BMWi aber wieder zurückgezogen − mutmaßlich nach Intervention der Automobilwirtschaft.

„Es ist ein gutes Modell, vor allem verursachergerecht“, erklärt Kaniut und berichtet von einem grundsätzlichen Konsens aller Beteiligten auf der Arbeitsebene, die im Beirat des Digitalisierungsbarometers die Spitzenglättung diskutiert haben. „Dann haben wir es aber nicht geschafft, das große Ganze auf die Entscheiderebene zu transportieren“, merkt er an. Die Hoffnung, dass das vielversprechende Flexibilisierungsinstrument in irgendeiner Form doch noch kommt, und sei es als Kompromiss in irgendeiner Form, hat er jedoch nicht aufgegeben. „Denn es muss hier und bei anderen rechtlichen Weichenstellungen weitergehen. Im nächsten Barometer muss ein Fortschritt im Rechtsrahmen erkennbar sein“, so Kaniut. Das sei für die Verkehrs- aber auch für die Wärmewende von entscheidender Bedeutung.
 
Masterplan „Digitalisierung der Energiewende“ vorgeschlagen

Um künftig zu vermeiden, dass trotz intensiver Abstimmung letztlich doch Ressort- und Sektorinteressen wichtige Entscheidungen blockieren, schlagen Kaniut und seine Kollegen einen „Masterplan Digitalisierung der Energiewende“ vor. „Es gibt bisher noch keine Gesamtübersicht über die Zielsetzungen der Energiewende, deren Notwendigkeit und das Zusammenspiel einzelner Maßnahmenbündel. Eine ganzheitliche ‚Digitalisierungskarte‘ könnte das leisten“, sagt der EY-Manager. Notwendigkeiten aufzuzeigen, eher als Konsequenzen − das wäre aus seiner Sicht verständnisfördernd.
Apropos Verständnis: Ein Ergebnis des Digitalisierungsbarometers ist für Kaniut besonders erschreckend. Nach wie vor ist der Informationsstand der Öffentlichkeit zu den Digitalisierungsmaßnahmen, die für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende notwendig sind, fast null. Dies ergab eine repräsentative Umfrage von Ernst & Young unter 1.000 Privathaushalten und 400 Gewerbebetrieben. Allerdings sei grundsätzlich die Bereitschaft erkennbar gewesen, an der Energiewende mitzuwirken − sofern man im Gespräch die wesentlichen Grundlagen vermittelt habe. „Mit Smart Metern konnten allerdings die allerwenigsten etwas anfangen. Da braucht man mit Netzflexibilisierung erst gar nicht kommen“, bedauert Kaniut. Die groß angekündigte Informationskampagne der Bundesregierung hat hier offenkundig noch nicht ihre Zielgruppe erreicht.
Die Gesprächspartner hätten klar signalisiert, dass sie informiert werden wollen und hier die regulierenden Behörden und Energieversorger in der Pflicht sehen. Dass Datenschutz und -sicherheit für die Kunden eine ganz wesentliche Rolle spielen, sollte eigentlich den intelligenten Messsystemen mit ihren zertifizierten Smart-Meter-Gateways in die Hände spielen. Gleichzeitig seien die Kunden aber kaum über die Kosten und den Nutzen einer solchen Infrastruktur im Bilde. Wobei Information nur die eine Seite der Medaille ist. Wer vom Nutzen für die Kunden spreche, müsse das tatsächliche Angebot an digitalen Mehrwertdiensten, seien es flexible Tarife oder Energiesparoptionen, in den Blick nehmen. Solche Angebote sind derzeit aber noch Mangelware. E&M
 

Neue Kosten-Nutzen-Analyse avisiert

Im Herbst 2017 hatte das Bundeswirtschaftsministerium Ernst & Young mit der Evaluierung des Digitalisierungsprozesses bei der Energiewende beauftragt. Ziel sollte es sein, bis 2021 jährlich ein Digitalisierungsbarometer zu erstellen, das den Fortschritt der Energiewende analysiert. Drei darüber hinaus gehende Gutachten zu „Topthemen“ sollten zudem Impulse setzen und Handlungsempfehlungen geben. So hat BET in Aachen untersucht, wie eine fluktuierende erneuerbare Einspeisung und eine zunehmend flexiblere Einspeisung in Einklang gebracht werden können, um den Verteilnetzausbau effizient zu begrenzen. Ergebnis ist das Modell der Spitzenglättung. Das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) verfasste ein Gutachten zur Telekommunikationsinfrastruktur, die für eine Digitalisierung der Energiewende notwendig ist und sprach sich dabei für eine Zuweisung des 450-MHz-Netzes an die Energiebranche aus. Beim dritten Topthema ging es um die Motivierung der Verbraucher und neue Geschäftsmodelle.
Angesichts des noch überschaubaren Digitalisierungsfortschritts − die Gesamtbewertung liegt für 2020 bei 44 von 100 Punkten − wird es nun eine Verlängerung der Barometer-Phase bis 2023 geben. Zwei weitere Fortschrittsberichte für 2021 und 2022 werden folgen. Den Abschluss soll eine neue Kosten-Nutzen-Analyse aus Sicht der Verbraucher bilden. Auf Grundlage der ersten Analyse im Jahr 2013 war der Smart-Meter-Rollout konzipiert und in Gesetzesform gegossen worden.
 

Freitag, 9.07.2021, 09:00 Uhr
Fritz Wilhelm

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.