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Energie & Management > Windkraft Onshore - Landrat kündigt Verzögerungstaktik bei Windkraft-Genehmigung an
Quelle: Fotolia / Felix brönnimann
Windkraft Onshore

Landrat kündigt Verzögerungstaktik bei Windkraft-Genehmigung an

Ein Landrat wagt den Bruch von Recht und Gesetz. So sieht es zumindest Sachsens Windkraftverband angesichts einer angekündigten Hinhaltetaktik bei der Genehmigung von sechs Turbinen.
Der Bauantrag ist noch nicht einmal gestellt. Und doch schlägt der Verwaltungsschef des Vogtlandkreises sich bereits auf die Seite eines Vereins, der sechs Windkraftanlagen auf dem Berg Hoher Brand bei Klingenthal verhindern will. Der Verband der sächsischen Windkraftbranche sieht darin unrechtmäßiges Verhalten des Beamten.

Am Abend des 3. März frohlockten mehrere hundert Teilnehmende an der Gründungsversammlung des Vereins „Lebenswertes Vogtland“. Sie wähnten einen prominenten Fürsprecher auf ihrer Seite. Landrat Thomas Hennig (CDU) ließ mit einer öffentlichen Äußerung durchblicken, dass er als Chef des Landratsamts die Entscheidung über einen zu erwartenden Bauantrag für die Windkraftanlagen „hinziehen“ werde. Und zwar „so lange es rechtlich möglich ist. Da kann man auch eine Klage gegen sich ergehen lassen.“

So berichtet es die vor Ort erscheinende Freie Presse. Auch gegenüber unserer Redaktion widersprach die Pressestelle des Landratsamts des Vogtlandkreises der Darstellung bislang nicht. Allerdings, hieß es vom Amtssitz in Plauen, könne der Landrat eine Erklärung zu Intention und Rechtmäßigkeit seiner bald 14 Tage alten Aussagen zeitlich nicht vor Beginn der kommenden Woche einrichten.

Branchenverband: Landrat erwägt Bruch von Recht und Gesetz

Schneller ist da Martin Maslaton. Der Vorsitzende des sächsischen Ablegers des Bundesverbands Windenergie (BWE) sagte auf Anfrage unserer Redaktion, es sei „eindeutig“, dass in diesem Fall ein leitender Beamter den Bruch von Recht und Gesetz erwäge, auf das er vereidigt wurde. Bei Thomas Hennigs Äußerungen handele es sich um „öffentlich verbreitete Verhinderungsaufforderungen“.

Als Dienstherr der zuständigen Genehmigungsbehörde nehme der CDU-Politiker damit illegitim politischen Einfluss auf die Verwaltung. Martin Maslaton baut dem Landrat allerdings auch eine Brücke. Er bietet ihm ein persönliches Gespräch an. Gegenüber unserer Redaktion erklärte Martin Maslaton das Angebot damit, „eine gewisse Hilflosigkeit“ in den Äußerungen des Landrats erkannt zu haben. Dieser begreife Windenergie nicht als Chance, sondern als „pauschal abzulehnendes Risiko“.

Nicht anders ist der Verein „Lebenswertes Vogtland“ positioniert. Er ist aus einer Anti-Windenergie-Bürgerinitiative hervorgegangen, die auf ihrer Website erklärt: „Keine Windkraftanlagen auf dem Hohen Brand und nirgendwo sonst im Vogtland und darüber hinaus! Es ist eine komplette energiepolitische Sackgasse und zerstört obendrein unsere Heimat!“ Ein Ansprechpartner der Initiative erklärte auf Anfrage, dass Energiegewinnung aus Sonne und Biomasse die bessere Lösung sei. Die Windkraft verschandele die Landschaft – und die sei im Vogtland das „höchste Gut“, ihr Schutz das Hauptargument gegen die Turbinen.

Zielgerichtet rechtswidriges Handeln kann "das Amt kosten"

Für den BWE Sachsen ist angesichts dieser Haltung ein Gespräch mit dem Landrat vermutlich aussichtsreicher als mit dem Verein. Thomas Hennig sei nun am Zug. Sollte er das Angebot des BWE ausschlagen, wäre dies ein Anzeichen, dass „der Landrat wirklich zielgerichtet rechtswidriges Handeln“ wolle, so Martin Maslaton. Dies könne ihn „das Amt kosten, solche Fälle gab es schon öfter“.

Die nächsthöhere Verwaltungsebene ist die Landesdirektion Sachsen, die als Mittelbehörde auch die Befugnisse der alten, für den Vogtlandkreis zuständigen Landesdirektion Chemnitz übernommen hat. Ob sie etwas gegen die Äußerungen des Landrats einzuwenden hat, ist aktuell offen. Erst durch unsere Anfrage habe die Behörde von dem Fall Kenntnis erlangt, erklärte ein Sprecher. Daraufhin habe die Landesdirektion Thomas Hennig um seine Sicht der Dinge gebeten. Grundsätzlich seien Landräte als Amtsträger zur politischen Neutralität verpflichtet. Ob das Landratsamt des Vogtlandkreises noch die geeignete Behörde sei, einen Bauantrag für die sechs Windkraftanlagen zwischen Erlbach, Zwota und Gunzen ohne Vorfestlegung oder Vorurteil bescheiden zu können, könne "derzeit nicht beantwortet werden", so der Sprecher der Landesdirektion Sachsen.

Der Vogtlandkreis ist übrigens allgemein kein gutes Pflaster für Windenergie. Nach einer Auswertung der Fachagentur Windenergie an Land sind dort aktuell 16 Windturbinen am Netz. Dabei handelt es sich nicht um die modernsten Anlagen, denn sie kommen zusammen auf lediglich 35 MW Leistung, das sind im Schnitt gerade einmal gut 2 MW je Standort. Zuletzt ging im Dezember 2022 eine Enercon-Anlage mit 4,2 MW in Betrieb. Um weitere Genehmigungen zu entdecken, muss man im Kalender weit zurückblättern. Im Oktober 2018 setzten drei Senvion-Anlagen (je 3,4 MW) ihre Rotoren in Gang.

Von derzeit 31 in Sachsen genehmigten Windkraftanlagen, die noch nicht in Betrieb sind, befindet sich laut Marktstammdatenregister keine einzige im Vogtlandkreis. Es ist fraglich, ob bald sechs Anlagen am Hohen Brand diese Statistik verändern werden.

Donnerstag, 16.03.2023, 17:20 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Windkraft Onshore - Landrat kündigt Verzögerungstaktik bei Windkraft-Genehmigung an
Quelle: Fotolia / Felix brönnimann
Windkraft Onshore
Landrat kündigt Verzögerungstaktik bei Windkraft-Genehmigung an
Ein Landrat wagt den Bruch von Recht und Gesetz. So sieht es zumindest Sachsens Windkraftverband angesichts einer angekündigten Hinhaltetaktik bei der Genehmigung von sechs Turbinen.
Der Bauantrag ist noch nicht einmal gestellt. Und doch schlägt der Verwaltungsschef des Vogtlandkreises sich bereits auf die Seite eines Vereins, der sechs Windkraftanlagen auf dem Berg Hoher Brand bei Klingenthal verhindern will. Der Verband der sächsischen Windkraftbranche sieht darin unrechtmäßiges Verhalten des Beamten.

Am Abend des 3. März frohlockten mehrere hundert Teilnehmende an der Gründungsversammlung des Vereins „Lebenswertes Vogtland“. Sie wähnten einen prominenten Fürsprecher auf ihrer Seite. Landrat Thomas Hennig (CDU) ließ mit einer öffentlichen Äußerung durchblicken, dass er als Chef des Landratsamts die Entscheidung über einen zu erwartenden Bauantrag für die Windkraftanlagen „hinziehen“ werde. Und zwar „so lange es rechtlich möglich ist. Da kann man auch eine Klage gegen sich ergehen lassen.“

So berichtet es die vor Ort erscheinende Freie Presse. Auch gegenüber unserer Redaktion widersprach die Pressestelle des Landratsamts des Vogtlandkreises der Darstellung bislang nicht. Allerdings, hieß es vom Amtssitz in Plauen, könne der Landrat eine Erklärung zu Intention und Rechtmäßigkeit seiner bald 14 Tage alten Aussagen zeitlich nicht vor Beginn der kommenden Woche einrichten.

Branchenverband: Landrat erwägt Bruch von Recht und Gesetz

Schneller ist da Martin Maslaton. Der Vorsitzende des sächsischen Ablegers des Bundesverbands Windenergie (BWE) sagte auf Anfrage unserer Redaktion, es sei „eindeutig“, dass in diesem Fall ein leitender Beamter den Bruch von Recht und Gesetz erwäge, auf das er vereidigt wurde. Bei Thomas Hennigs Äußerungen handele es sich um „öffentlich verbreitete Verhinderungsaufforderungen“.

Als Dienstherr der zuständigen Genehmigungsbehörde nehme der CDU-Politiker damit illegitim politischen Einfluss auf die Verwaltung. Martin Maslaton baut dem Landrat allerdings auch eine Brücke. Er bietet ihm ein persönliches Gespräch an. Gegenüber unserer Redaktion erklärte Martin Maslaton das Angebot damit, „eine gewisse Hilflosigkeit“ in den Äußerungen des Landrats erkannt zu haben. Dieser begreife Windenergie nicht als Chance, sondern als „pauschal abzulehnendes Risiko“.

Nicht anders ist der Verein „Lebenswertes Vogtland“ positioniert. Er ist aus einer Anti-Windenergie-Bürgerinitiative hervorgegangen, die auf ihrer Website erklärt: „Keine Windkraftanlagen auf dem Hohen Brand und nirgendwo sonst im Vogtland und darüber hinaus! Es ist eine komplette energiepolitische Sackgasse und zerstört obendrein unsere Heimat!“ Ein Ansprechpartner der Initiative erklärte auf Anfrage, dass Energiegewinnung aus Sonne und Biomasse die bessere Lösung sei. Die Windkraft verschandele die Landschaft – und die sei im Vogtland das „höchste Gut“, ihr Schutz das Hauptargument gegen die Turbinen.

Zielgerichtet rechtswidriges Handeln kann "das Amt kosten"

Für den BWE Sachsen ist angesichts dieser Haltung ein Gespräch mit dem Landrat vermutlich aussichtsreicher als mit dem Verein. Thomas Hennig sei nun am Zug. Sollte er das Angebot des BWE ausschlagen, wäre dies ein Anzeichen, dass „der Landrat wirklich zielgerichtet rechtswidriges Handeln“ wolle, so Martin Maslaton. Dies könne ihn „das Amt kosten, solche Fälle gab es schon öfter“.

Die nächsthöhere Verwaltungsebene ist die Landesdirektion Sachsen, die als Mittelbehörde auch die Befugnisse der alten, für den Vogtlandkreis zuständigen Landesdirektion Chemnitz übernommen hat. Ob sie etwas gegen die Äußerungen des Landrats einzuwenden hat, ist aktuell offen. Erst durch unsere Anfrage habe die Behörde von dem Fall Kenntnis erlangt, erklärte ein Sprecher. Daraufhin habe die Landesdirektion Thomas Hennig um seine Sicht der Dinge gebeten. Grundsätzlich seien Landräte als Amtsträger zur politischen Neutralität verpflichtet. Ob das Landratsamt des Vogtlandkreises noch die geeignete Behörde sei, einen Bauantrag für die sechs Windkraftanlagen zwischen Erlbach, Zwota und Gunzen ohne Vorfestlegung oder Vorurteil bescheiden zu können, könne "derzeit nicht beantwortet werden", so der Sprecher der Landesdirektion Sachsen.

Der Vogtlandkreis ist übrigens allgemein kein gutes Pflaster für Windenergie. Nach einer Auswertung der Fachagentur Windenergie an Land sind dort aktuell 16 Windturbinen am Netz. Dabei handelt es sich nicht um die modernsten Anlagen, denn sie kommen zusammen auf lediglich 35 MW Leistung, das sind im Schnitt gerade einmal gut 2 MW je Standort. Zuletzt ging im Dezember 2022 eine Enercon-Anlage mit 4,2 MW in Betrieb. Um weitere Genehmigungen zu entdecken, muss man im Kalender weit zurückblättern. Im Oktober 2018 setzten drei Senvion-Anlagen (je 3,4 MW) ihre Rotoren in Gang.

Von derzeit 31 in Sachsen genehmigten Windkraftanlagen, die noch nicht in Betrieb sind, befindet sich laut Marktstammdatenregister keine einzige im Vogtlandkreis. Es ist fraglich, ob bald sechs Anlagen am Hohen Brand diese Statistik verändern werden.

Donnerstag, 16.03.2023, 17:20 Uhr
Volker Stephan

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