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Energie & Management > E&M-Innovationsarena - Konnte man eine solche Energiekrise vorhersehen?
Quelle: E&M / Heidi Roider
E&M-Innovationsarena

Konnte man eine solche Energiekrise vorhersehen?

Hätten die Risikomanager die Energiekrise des Jahres 2022 vorhersehen können? Diese Frage etwa hat Analyst Tobias Federico in der E&M-Innovationsarena gestellt und beantwortet.
Die Energiebeschaffung der Stadtwerke und das Vertriebsgeschäft mit Großkunden hat sich nach Beobachtung von Tobias Federico, Chef des Analysehauses Energy Brainpool, in der Energiekrise des Jahres 2022 fundamental geändert. 

Vor deren Höhepunkt im Sommer 2022 habe ein Käufermarkt geherrscht, Stadtwerke hätten grob 80 Prozent ihres voraussichtlichen Bedarfs bis zu drei Jahre im Voraus am börslichen oder außerbörslichen Terminmarkt beschafft und die Schwankungen mit Spotgeschäften ausgeglichen, skizzierte Federico am 28. März in der E&M-Innovationsarena auf der Stuttgarter Messe Volta-X. Als sich die Strom-Großhandelspreise im August den 1000 Euro/MWh näherten, seien aber Anbieter im Handel wegen der hohen Ausfall- und Liquiditätsrisiken solcher Geschäfte nicht mehr bereit gewesen, überhaupt Futures anzubieten. Der Markt habe sich seitdem in Richtung Spot verlagert.

Toleranzbänder sind tot

Mit Blick auf die Vertragsgestaltung mit Großkunden ergänzte Federico: "Toleranzbänder gibt es nicht mehr!" Vor der Krise seien den großen Energieabnehmern in den Lieferverträgen beispielsweise 5 Prozent Mengentoleranz zugestanden worden, heute seien es faktisch 100 Prozent.
 
Tobias Federico, Chef von Energy Brainpool, in der E&M-Innovationsarena Quelle: E&M / Georg Eble

Die Verschiebung zum Spothandel verlagere allerdings das Preisrisiko zu den Kunden der Energieversorger, es handle sich also um eine unausgewogene Lösung. "Hoffentlich treffen wir uns in der Mitte", sagte Federico und meinte die Mitte zwischen beispielsweise einem Drittel Bandlieferungen und dem Ausgleich erneuerbarer Erzeugungsschwankungen im Spot, und zwar namentlich in anlagenbezogenen langfristigen Direktlieferverträgen (PPA). Der Festpreis habe im PPA-Geschäft noch seinen Platz, aber nicht die Festmenge. "Pay as forecast", "nach Tagesprognose bezahlen", das sei die übliche Vertragsformel.

Hat das Marktdesign versagt?

Von E&M-Chefredakteur Stefan Sagmeister gefragt, ob bei Preisen um die 1000 Euro/MWh wie damals das Marktdesign versagt habe, wenn die Grenzkosten der zusätzlichen Stromerzeugung höchstens zweistellig blieben, antwortete Federico, sicherlich habe der Energiemarkt im Sommer 2022 "die rationale Preisbildung verlassen". Dies sei "bei bestimmten Preissignalen" psychologisch so. Auch die Gas-Großhandelspreise von damals seien "fundamental nicht erklärlich" gewesen, Exportstopp aus Russland hin oder her.

Doch ein Marktdesign diene je nach Gestaltung verschiedenen Zwecken. Der Zweck, preisgünstige Gaspreise zu erreichen, sei jedenfalls angesichts des zugedrehten Gashahns aus dem Osten und der hohen Flüssigerdgas-Importpreise als Ersatz dafür "Illusion".

Risiken im Energiehandel seien nur durch Ausstieg aus dem Handel ganz zu vermeiden, ergänzte Federico. Auf die Zusatzfrage, wie gut das Risikomanagement der Energie-Stadtwerke sei, erwiderte Federico, aus der Finanzkrise von 2008, in der die Strom-Börsenpreise nach der Pleite von Lehman Brothers von 40 bis 50 Euro/MWh "nur" auf 80 Euro stiegen und auf das voherige Niveau zurückfielen, hätten nur einige Energieversorger gelernt. Andere hätten zwar Risikohandbücher eingeführt und starr abgearbeitet, aber kein Risikomanagement gelebt. 

Es stelle sich die Frage "Kann man so eine Krise vorhersehen?" "Nein", war die klare Antwort des prominenten Energieanalysten. "Aber man kann so aufgestellt sein, dass man sie bewältigt.

Dienstag, 28.03.2023, 15:29 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > E&M-Innovationsarena - Konnte man eine solche Energiekrise vorhersehen?
Quelle: E&M / Heidi Roider
E&M-Innovationsarena
Konnte man eine solche Energiekrise vorhersehen?
Hätten die Risikomanager die Energiekrise des Jahres 2022 vorhersehen können? Diese Frage etwa hat Analyst Tobias Federico in der E&M-Innovationsarena gestellt und beantwortet.
Die Energiebeschaffung der Stadtwerke und das Vertriebsgeschäft mit Großkunden hat sich nach Beobachtung von Tobias Federico, Chef des Analysehauses Energy Brainpool, in der Energiekrise des Jahres 2022 fundamental geändert. 

Vor deren Höhepunkt im Sommer 2022 habe ein Käufermarkt geherrscht, Stadtwerke hätten grob 80 Prozent ihres voraussichtlichen Bedarfs bis zu drei Jahre im Voraus am börslichen oder außerbörslichen Terminmarkt beschafft und die Schwankungen mit Spotgeschäften ausgeglichen, skizzierte Federico am 28. März in der E&M-Innovationsarena auf der Stuttgarter Messe Volta-X. Als sich die Strom-Großhandelspreise im August den 1000 Euro/MWh näherten, seien aber Anbieter im Handel wegen der hohen Ausfall- und Liquiditätsrisiken solcher Geschäfte nicht mehr bereit gewesen, überhaupt Futures anzubieten. Der Markt habe sich seitdem in Richtung Spot verlagert.

Toleranzbänder sind tot

Mit Blick auf die Vertragsgestaltung mit Großkunden ergänzte Federico: "Toleranzbänder gibt es nicht mehr!" Vor der Krise seien den großen Energieabnehmern in den Lieferverträgen beispielsweise 5 Prozent Mengentoleranz zugestanden worden, heute seien es faktisch 100 Prozent.
 
Tobias Federico, Chef von Energy Brainpool, in der E&M-Innovationsarena Quelle: E&M / Georg Eble

Die Verschiebung zum Spothandel verlagere allerdings das Preisrisiko zu den Kunden der Energieversorger, es handle sich also um eine unausgewogene Lösung. "Hoffentlich treffen wir uns in der Mitte", sagte Federico und meinte die Mitte zwischen beispielsweise einem Drittel Bandlieferungen und dem Ausgleich erneuerbarer Erzeugungsschwankungen im Spot, und zwar namentlich in anlagenbezogenen langfristigen Direktlieferverträgen (PPA). Der Festpreis habe im PPA-Geschäft noch seinen Platz, aber nicht die Festmenge. "Pay as forecast", "nach Tagesprognose bezahlen", das sei die übliche Vertragsformel.

Hat das Marktdesign versagt?

Von E&M-Chefredakteur Stefan Sagmeister gefragt, ob bei Preisen um die 1000 Euro/MWh wie damals das Marktdesign versagt habe, wenn die Grenzkosten der zusätzlichen Stromerzeugung höchstens zweistellig blieben, antwortete Federico, sicherlich habe der Energiemarkt im Sommer 2022 "die rationale Preisbildung verlassen". Dies sei "bei bestimmten Preissignalen" psychologisch so. Auch die Gas-Großhandelspreise von damals seien "fundamental nicht erklärlich" gewesen, Exportstopp aus Russland hin oder her.

Doch ein Marktdesign diene je nach Gestaltung verschiedenen Zwecken. Der Zweck, preisgünstige Gaspreise zu erreichen, sei jedenfalls angesichts des zugedrehten Gashahns aus dem Osten und der hohen Flüssigerdgas-Importpreise als Ersatz dafür "Illusion".

Risiken im Energiehandel seien nur durch Ausstieg aus dem Handel ganz zu vermeiden, ergänzte Federico. Auf die Zusatzfrage, wie gut das Risikomanagement der Energie-Stadtwerke sei, erwiderte Federico, aus der Finanzkrise von 2008, in der die Strom-Börsenpreise nach der Pleite von Lehman Brothers von 40 bis 50 Euro/MWh "nur" auf 80 Euro stiegen und auf das voherige Niveau zurückfielen, hätten nur einige Energieversorger gelernt. Andere hätten zwar Risikohandbücher eingeführt und starr abgearbeitet, aber kein Risikomanagement gelebt. 

Es stelle sich die Frage "Kann man so eine Krise vorhersehen?" "Nein", war die klare Antwort des prominenten Energieanalysten. "Aber man kann so aufgestellt sein, dass man sie bewältigt.

Dienstag, 28.03.2023, 15:29 Uhr
Georg Eble

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