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Energie & Management > Studien - Stromverteilnetz als Ressource für die dezentrale Versorgung
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Studien

Stromverteilnetz als Ressource für die dezentrale Versorgung

Würden Energieerzeuger und -verbraucher vor Ort besser zusammengeführt, könnten Verteilnetze nach einer Analyse bis zu 30 Prozent mehr Grünstrom aufnehmen.
Glaubt man Fabian Huneke, muss sich die Sichtweise auf Verteilnetze grundlegend ändern: „Das öffentliche Mittel- und Niederspannungsnetz ist es wert, als zentrale Ressource der dezentralen Erneuerbaren-Energien-Versorgung angesehen zu werden und nicht als Hürde für dezentrale Versorgungskonzepte“, sagte Senior Manager von „Brainpool Energy“ bei der Vorstellung eines neuen Grundsatzpapiers des Berliner Unternehmens. „Vor-Ort-Versorgung mit erneuerbaren Energien“, so der Titel der im Auftrag der European Climate Foundation erstellten Analyse, zeigt modellhaft das Potenzial, das sich für die Netzeinspeisung von Strom aus Erneuerbaren-Energien-Anlagen erschließen ließe.

Demnach kann ein Netz „mit etablierter Vor-Ort-Versorgung“ 15 bis 30 Prozent mehr Erneuerbaren-Strom aufnehmen. Die Höhe des Effektes hänge davon ab, „wie viele flexibel steuerbare Verbrauchsanlagen und Batteriespeicher für Lastverschiebungen vor Ort eingesetzt werden können“, schreibt das Analysehaus. Von Vor-Ort-Versorgung sprechen die Experten, wenn ein zeitlich, netztopologisch – also in der gleichen oder einer nahen Netzebene – und kausal zusammenhängender Abgleich von Verbrauch, Erzeugung oder Speicherung von erneuerbarem Strom stattfindet. Kausal bedeutet dabei vor allem auch, dass das Verbrauchsverhalten an das lokal vorhandene Erneuerbare-Energien-Angebot angepasst wird, wie Huneke betont.

Mit den "physikalischen Realtiäten" umgehen

Bernhard Strohmayer, Leiter erneuerbare Energien beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE), der an dem Papier mitgearbeitet hat, wies auf die „Dimension der Aufgabe, die vor uns steht“, hin. Ab 2026 sollen nach dem Willen der Bundesregierung monatlich rund 2.000 MW PV-Leistung zugebaut werden. „Wir werden dieses Jahr, obwohl es noch nicht im EEG steht, wahrscheinlich im Schnitt 1 GW Photovoltaik pro Monat installieren. Und mit diesen physikalischen Realitäten muss man einfach umgehen“, sagte er. Die Energieerzeugung vor Ort, die Speicherung und der Verbrauch müssten „deutlich besser“ zusammengebracht werden. Andernfalls, so Strohmayer, bestehe die Gefahr, dass viele Konzepte für Erneuerbaren-Anlagen eine Absage erhalten, „weil sie nicht im Netz Platz haben“.

Der BNE-Experte hält eine „anreizbasierte“ Struktur mit mit politischen und regulatorischen Maßnahmen für erforderlich. Es gehe darum, mit der „knappen Infrastruktur Verteilungsnetz, die wir sicher in den nächsten Jahren haben“, besser umzugehen.

Fabian Huneke verortet die Stellschraube, die in seinen Modellrechnungen noch fehlt, beim Geld. Zum Zeitpunkt der größten Einspeisung gäbe es einen „sehr relevanten Beitrag von Vor-Ort-Versorgungskonzepten zur Integrationsfähigkeit des Netzes“, der aber aktuell verpuffe, sagte er. „Das hat vor allem einen Grund, nämlich dass wir gedanklich noch in der sehr zentralen Welt bei den Netzentgelten stecken.“

Die andere Seite der "Residuallast-Jahresdauerlinie"

Der Autor des Grundsatzpapiers schlägt als Lösung variable Netzentgelte für die Netzebenen 4 bis 7 vor. Konkret schwebt ihm „eine Koppelung der Netzentgelte-Variable zeitgleich an die Höhe der negativen Lastflüsse“ vor. Es gelte nicht nur, „die Zeitpunkte sich anschauen, wenn alle gleichzeitig Strom verbrauchen und der Netzbezug besonders hoch ist“. Der Blick müsse auch auf „die andere Seite der Residuallast-Jahresdauerlinie“ gerichtet sein: „Wenn das Verteilnetz kein Verteilnetz ist, sondern ein Sammelnetz, könnten geringere Netzentgelte die Vor-Ort-Versorgung voranbringen. Bei Windenergieanlagen stellt sich Huneke vor, dass die Einspeisezeit bei der Berechnung der Netzentgelte berücksichtigt wird.

Auch dafür, wo das dann fehlende Geld herkommen soll, „wenn wir die Netzentgelte variabel machen“, hat der Experte einen Vorschlag. Die Mindereinnahmen für die Netzbetreiber könnten über eine bundesweite Umlage nach dem Vorbild von Paragraf 19 der Stromnetzentgeltverordnung ausgeglichen werden, meint er.

Außer Frage steht für ihn und seine Kollegen, dass ein konzeptionelles Umdenken nötig ist. Das Thema Dezentralität höre in Konzepten bisher immer da auf, „wo das öffentliche Versorgungsnetz ins Spiel kommt“. Entscheidend für die Energiewende in der Infrastruktur sei „die technische Verknüpfung von Wind- und Solarstrom mit Elektromobilität, Wärmepumpen sowie Speichern wie Wärmespeicher und Batterien“.

Mittwoch, 28.06.2023, 15:05 Uhr
Manfred Fischer
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Stromverteilnetz als Ressource für die dezentrale Versorgung
Würden Energieerzeuger und -verbraucher vor Ort besser zusammengeführt, könnten Verteilnetze nach einer Analyse bis zu 30 Prozent mehr Grünstrom aufnehmen.
Glaubt man Fabian Huneke, muss sich die Sichtweise auf Verteilnetze grundlegend ändern: „Das öffentliche Mittel- und Niederspannungsnetz ist es wert, als zentrale Ressource der dezentralen Erneuerbaren-Energien-Versorgung angesehen zu werden und nicht als Hürde für dezentrale Versorgungskonzepte“, sagte Senior Manager von „Brainpool Energy“ bei der Vorstellung eines neuen Grundsatzpapiers des Berliner Unternehmens. „Vor-Ort-Versorgung mit erneuerbaren Energien“, so der Titel der im Auftrag der European Climate Foundation erstellten Analyse, zeigt modellhaft das Potenzial, das sich für die Netzeinspeisung von Strom aus Erneuerbaren-Energien-Anlagen erschließen ließe.

Demnach kann ein Netz „mit etablierter Vor-Ort-Versorgung“ 15 bis 30 Prozent mehr Erneuerbaren-Strom aufnehmen. Die Höhe des Effektes hänge davon ab, „wie viele flexibel steuerbare Verbrauchsanlagen und Batteriespeicher für Lastverschiebungen vor Ort eingesetzt werden können“, schreibt das Analysehaus. Von Vor-Ort-Versorgung sprechen die Experten, wenn ein zeitlich, netztopologisch – also in der gleichen oder einer nahen Netzebene – und kausal zusammenhängender Abgleich von Verbrauch, Erzeugung oder Speicherung von erneuerbarem Strom stattfindet. Kausal bedeutet dabei vor allem auch, dass das Verbrauchsverhalten an das lokal vorhandene Erneuerbare-Energien-Angebot angepasst wird, wie Huneke betont.

Mit den "physikalischen Realtiäten" umgehen

Bernhard Strohmayer, Leiter erneuerbare Energien beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE), der an dem Papier mitgearbeitet hat, wies auf die „Dimension der Aufgabe, die vor uns steht“, hin. Ab 2026 sollen nach dem Willen der Bundesregierung monatlich rund 2.000 MW PV-Leistung zugebaut werden. „Wir werden dieses Jahr, obwohl es noch nicht im EEG steht, wahrscheinlich im Schnitt 1 GW Photovoltaik pro Monat installieren. Und mit diesen physikalischen Realitäten muss man einfach umgehen“, sagte er. Die Energieerzeugung vor Ort, die Speicherung und der Verbrauch müssten „deutlich besser“ zusammengebracht werden. Andernfalls, so Strohmayer, bestehe die Gefahr, dass viele Konzepte für Erneuerbaren-Anlagen eine Absage erhalten, „weil sie nicht im Netz Platz haben“.

Der BNE-Experte hält eine „anreizbasierte“ Struktur mit mit politischen und regulatorischen Maßnahmen für erforderlich. Es gehe darum, mit der „knappen Infrastruktur Verteilungsnetz, die wir sicher in den nächsten Jahren haben“, besser umzugehen.

Fabian Huneke verortet die Stellschraube, die in seinen Modellrechnungen noch fehlt, beim Geld. Zum Zeitpunkt der größten Einspeisung gäbe es einen „sehr relevanten Beitrag von Vor-Ort-Versorgungskonzepten zur Integrationsfähigkeit des Netzes“, der aber aktuell verpuffe, sagte er. „Das hat vor allem einen Grund, nämlich dass wir gedanklich noch in der sehr zentralen Welt bei den Netzentgelten stecken.“

Die andere Seite der "Residuallast-Jahresdauerlinie"

Der Autor des Grundsatzpapiers schlägt als Lösung variable Netzentgelte für die Netzebenen 4 bis 7 vor. Konkret schwebt ihm „eine Koppelung der Netzentgelte-Variable zeitgleich an die Höhe der negativen Lastflüsse“ vor. Es gelte nicht nur, „die Zeitpunkte sich anschauen, wenn alle gleichzeitig Strom verbrauchen und der Netzbezug besonders hoch ist“. Der Blick müsse auch auf „die andere Seite der Residuallast-Jahresdauerlinie“ gerichtet sein: „Wenn das Verteilnetz kein Verteilnetz ist, sondern ein Sammelnetz, könnten geringere Netzentgelte die Vor-Ort-Versorgung voranbringen. Bei Windenergieanlagen stellt sich Huneke vor, dass die Einspeisezeit bei der Berechnung der Netzentgelte berücksichtigt wird.

Auch dafür, wo das dann fehlende Geld herkommen soll, „wenn wir die Netzentgelte variabel machen“, hat der Experte einen Vorschlag. Die Mindereinnahmen für die Netzbetreiber könnten über eine bundesweite Umlage nach dem Vorbild von Paragraf 19 der Stromnetzentgeltverordnung ausgeglichen werden, meint er.

Außer Frage steht für ihn und seine Kollegen, dass ein konzeptionelles Umdenken nötig ist. Das Thema Dezentralität höre in Konzepten bisher immer da auf, „wo das öffentliche Versorgungsnetz ins Spiel kommt“. Entscheidend für die Energiewende in der Infrastruktur sei „die technische Verknüpfung von Wind- und Solarstrom mit Elektromobilität, Wärmepumpen sowie Speichern wie Wärmespeicher und Batterien“.

Mittwoch, 28.06.2023, 15:05 Uhr
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