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Energie & Management > Kohle - Kohleausstieg vor 2038 im Osten umstritten
Quelle: Fotolia / TwilightArtPictures
Kohle

Kohleausstieg vor 2038 im Osten umstritten

Der Bundeswirtschaftsminister hatte zum Jahresanfang 2023 einen früheren Ausstieg aus der Kohle auch in den ostdeutschen Bundesländern angeregt. Das stieß auf heftige Kritik.
Ein möglicherweise auf 2030 vorgezogener Ausstieg aus der Kohleverstromung müsse „im Konsens vereinbart werden“, hatte der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am 2. Januar 2023 gesagt. Nach der bisherigen Gesetzeslage sind die letzten Stilllegungen von Kraftwerksblöcken in Deutschland 2038 bei der Lausitzer Energie AG (Leag) geplant, die in Brandenburg und Sachsen agiert.

Habeck berief sich auf den vorgezogenen Kohleausstieg 2030 im Rheinischen Revier in Nordrhein-Westfalen, der Ende 2022 im Konsens der Politik und des Energiekonzerns RWE entstanden war. Man müsse im Osten „schauen, ob so eine Verabredung möglich ist“, sagte Habeck. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hielt es dagegen für „verheerend“, aktuell von einem schnelleren Ausstieg aus der Kohleverstromung zu reden.

Haseloff argumentierte, dass gerade angesichts der ausbleibenden Brennstofflieferungen aus Russland wegen des Ukrainekrieges die „grundlastfähigen Kohlekraftwerke in Brandenburg, Sachsen und in Sachsen-Anhalt die Stromversorgung gesichert“ hätten. Aktuell bringen wegen der Energiekrise seit 1. Oktober 2022 RWE und Leag zusätzliche Braunkohlekraftwerke aus der Reserve wieder an den Markt, mit Genehmigung der Bundesnetzagentur. Der Ersatz von Gasstrom durch Kohle führte dazu, dass die Energiewirtschaft 2022 erstmals wieder mehr Treibhausgase emittierte als 2021.

Habeck hatte angeführt, dass sich die Verstromung von Kohle nach 2030 nicht mehr rechnen werde, weil sie durch den von der EU verknappten Handel mit Zertifikaten für die Treibhausgasemissionen zu teuer würde. Aktuell steht der Preis für eine Tonne CO2 bei etwa 80 Euro, 2021 lag er noch im Durchschnitt bei 53,63 Euro. Die Versorgungssicherheit soll laut Habeck mit mehr Erneuerbaren-Anlagen und bei Windflaute und Dunkelheit mit wasserstofffähigen Gaskraftwerken gewährleistet werden. Doch dafür müssten jetzt Planungen und Investitionen beginnen, mahnte Habeck.
 

Ablehnung und Skepsis im Osten

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hält einen Ausstieg aus der Kohle bis 2030 für sein Bundesland für unrealistisch. Er sagte im MDR, RWE könne das im Rheinischen Revier machen, weil Nordrhein-Westfalen eine riesige Wirtschaft habe, die die Arbeitsplätze aus der Kohlebranche aufnehmen könne. „Regionen wie die Lausitz brauchen aber bis 2038, um wirklich neue Dinge aufzubauen“, warnte Kretschmer.

Der energiepolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im sächsischen Landtag, Daniel Gerber, widersprach dem Ministerpräsidenten: „Dinge, die in NRW machbar sind, sind in Sachsen natürlich auch machbar.“ Die Notwendigkeit zum Klimaschutz habe man „am krassen Dürresommer gesehen“. Der energiepolitische Sprecher der sächsischen Linksfraktion, Marco Böhme, forderte Alternativen zur Kohle wie Wasserstoffprojekte, die erneuerbare Energie speichern. „Durch diese neuen Investitionen könnten auch massiv Arbeitsplätze entstehen“, sagte Böhme.

Christine Herntier, Oberbürgermeisterin der Stadt Spremberg in der Lausitz, mahnte Verlässlichkeit der Politik an. „Wir haben hier einen Plan für die Lausitz und für das ganze Land, und das kann man nicht aus politischen Gründen immer wieder infrage stellen“, sagte sie im MDR als Sprecherin der Lausitzrunde. Das länderübergreifende Bündnis vernetzt sich für den Strukturwandel in der Region und hält an einem Kohleausstieg 2038 fest.

Umbau der Energiewirtschaft braucht mehr Zeit

Auch der Geschäftsführer des Bundesverbandes Braunkohle, Thorsten Diercks unterstützt das Festhalten an 2038. Die Unternehmen Leag und Mitteldeutsche Braunkohle AG (Mibrag) hätten bereits Projekte für den Ausbau von erneuerbaren Energien geplant. „Beide Unternehmen benötigen viele Jahre, bis sie ihren Beitrag für die Zukunft – weg von der Braunkohle – in den Revieren leisten können“, sagte Diercks.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung Carsten Schneider (SPD) nannte die
Versorgungssicherheit und Sozialverträglichkeit als wichtige Bedingungen bei der Entscheidung um einen Kohleausstieg 2030. Diese müssten vorher nachgewiesen werden, sagte Schneider im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) mahnte mehr Realitätssinn an. Es brauche „klare Antworten, wie die Versorgungssicherheit und günstige Preise für Industrie, Wirtschaft und die Haushalte gewährleistet werden können“. Der Wirtschaftsminister des Landes, Jörg Steinbach (SPD), sagte, es gebe noch keine „belastbaren Informationen“, ob ein früherer Ausstieg bis 2030 möglich sei. Dazu müssten erst Ergebnisse einer Überprüfung abgewartet werden, die 2024 veröffentlicht werden sollten. Als mögliches vorgezogenes Enddatum der Kohleverstromung im Brandenburger Koalitionsvertrag gilt 2035. Es soll aber keine neuen Tagebaue und keine Umsiedlung von Dörfern mehr geben.

Freitag, 6.01.2023, 14:07 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Kohle - Kohleausstieg vor 2038 im Osten umstritten
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Kohle
Kohleausstieg vor 2038 im Osten umstritten
Der Bundeswirtschaftsminister hatte zum Jahresanfang 2023 einen früheren Ausstieg aus der Kohle auch in den ostdeutschen Bundesländern angeregt. Das stieß auf heftige Kritik.
Ein möglicherweise auf 2030 vorgezogener Ausstieg aus der Kohleverstromung müsse „im Konsens vereinbart werden“, hatte der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am 2. Januar 2023 gesagt. Nach der bisherigen Gesetzeslage sind die letzten Stilllegungen von Kraftwerksblöcken in Deutschland 2038 bei der Lausitzer Energie AG (Leag) geplant, die in Brandenburg und Sachsen agiert.

Habeck berief sich auf den vorgezogenen Kohleausstieg 2030 im Rheinischen Revier in Nordrhein-Westfalen, der Ende 2022 im Konsens der Politik und des Energiekonzerns RWE entstanden war. Man müsse im Osten „schauen, ob so eine Verabredung möglich ist“, sagte Habeck. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hielt es dagegen für „verheerend“, aktuell von einem schnelleren Ausstieg aus der Kohleverstromung zu reden.

Haseloff argumentierte, dass gerade angesichts der ausbleibenden Brennstofflieferungen aus Russland wegen des Ukrainekrieges die „grundlastfähigen Kohlekraftwerke in Brandenburg, Sachsen und in Sachsen-Anhalt die Stromversorgung gesichert“ hätten. Aktuell bringen wegen der Energiekrise seit 1. Oktober 2022 RWE und Leag zusätzliche Braunkohlekraftwerke aus der Reserve wieder an den Markt, mit Genehmigung der Bundesnetzagentur. Der Ersatz von Gasstrom durch Kohle führte dazu, dass die Energiewirtschaft 2022 erstmals wieder mehr Treibhausgase emittierte als 2021.

Habeck hatte angeführt, dass sich die Verstromung von Kohle nach 2030 nicht mehr rechnen werde, weil sie durch den von der EU verknappten Handel mit Zertifikaten für die Treibhausgasemissionen zu teuer würde. Aktuell steht der Preis für eine Tonne CO2 bei etwa 80 Euro, 2021 lag er noch im Durchschnitt bei 53,63 Euro. Die Versorgungssicherheit soll laut Habeck mit mehr Erneuerbaren-Anlagen und bei Windflaute und Dunkelheit mit wasserstofffähigen Gaskraftwerken gewährleistet werden. Doch dafür müssten jetzt Planungen und Investitionen beginnen, mahnte Habeck.
 

Ablehnung und Skepsis im Osten

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hält einen Ausstieg aus der Kohle bis 2030 für sein Bundesland für unrealistisch. Er sagte im MDR, RWE könne das im Rheinischen Revier machen, weil Nordrhein-Westfalen eine riesige Wirtschaft habe, die die Arbeitsplätze aus der Kohlebranche aufnehmen könne. „Regionen wie die Lausitz brauchen aber bis 2038, um wirklich neue Dinge aufzubauen“, warnte Kretschmer.

Der energiepolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im sächsischen Landtag, Daniel Gerber, widersprach dem Ministerpräsidenten: „Dinge, die in NRW machbar sind, sind in Sachsen natürlich auch machbar.“ Die Notwendigkeit zum Klimaschutz habe man „am krassen Dürresommer gesehen“. Der energiepolitische Sprecher der sächsischen Linksfraktion, Marco Böhme, forderte Alternativen zur Kohle wie Wasserstoffprojekte, die erneuerbare Energie speichern. „Durch diese neuen Investitionen könnten auch massiv Arbeitsplätze entstehen“, sagte Böhme.

Christine Herntier, Oberbürgermeisterin der Stadt Spremberg in der Lausitz, mahnte Verlässlichkeit der Politik an. „Wir haben hier einen Plan für die Lausitz und für das ganze Land, und das kann man nicht aus politischen Gründen immer wieder infrage stellen“, sagte sie im MDR als Sprecherin der Lausitzrunde. Das länderübergreifende Bündnis vernetzt sich für den Strukturwandel in der Region und hält an einem Kohleausstieg 2038 fest.

Umbau der Energiewirtschaft braucht mehr Zeit

Auch der Geschäftsführer des Bundesverbandes Braunkohle, Thorsten Diercks unterstützt das Festhalten an 2038. Die Unternehmen Leag und Mitteldeutsche Braunkohle AG (Mibrag) hätten bereits Projekte für den Ausbau von erneuerbaren Energien geplant. „Beide Unternehmen benötigen viele Jahre, bis sie ihren Beitrag für die Zukunft – weg von der Braunkohle – in den Revieren leisten können“, sagte Diercks.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung Carsten Schneider (SPD) nannte die
Versorgungssicherheit und Sozialverträglichkeit als wichtige Bedingungen bei der Entscheidung um einen Kohleausstieg 2030. Diese müssten vorher nachgewiesen werden, sagte Schneider im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) mahnte mehr Realitätssinn an. Es brauche „klare Antworten, wie die Versorgungssicherheit und günstige Preise für Industrie, Wirtschaft und die Haushalte gewährleistet werden können“. Der Wirtschaftsminister des Landes, Jörg Steinbach (SPD), sagte, es gebe noch keine „belastbaren Informationen“, ob ein früherer Ausstieg bis 2030 möglich sei. Dazu müssten erst Ergebnisse einer Überprüfung abgewartet werden, die 2024 veröffentlicht werden sollten. Als mögliches vorgezogenes Enddatum der Kohleverstromung im Brandenburger Koalitionsvertrag gilt 2035. Es soll aber keine neuen Tagebaue und keine Umsiedlung von Dörfern mehr geben.

Freitag, 6.01.2023, 14:07 Uhr
Susanne Harmsen

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