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Energie & Management > Studien - Kein Bedarf mehr für Erdgasnetze in Deutschland
Quelle: Fotolia / zozzzzo
Studien

Kein Bedarf mehr für Erdgasnetze in Deutschland

Die Denkfabrik Agora Energiewende sieht angesichts der sinkenden Bedeutung von Erdgas keine Zukunft für die Gasnetze und macht Vorschläge für die Transformation des Netzbetriebs.
„Es geht nicht darum, die Gasnetze abzureißen“, stellt Simon Müller, Direktor Deutschland bei Agora Energiewende, bei der Vorstellung der Studie „Ein neuer Ordnungsrahmen für Erdgasverteilnetze. Analysen und Handlungsoptionen für eine bezahlbare und klimazielkompatible Transformation“ klar. Und fügt hinzu: „Eines der wesentlichen Dinge, die wir herausgearbeitet haben, ist, dass es viel sinnvoller ist, Netze stillzulegen statt sie zurückzubauen.“

Daran, dass die Gasverteilnetze in Deutschland im bisherigen Umfang aber tatsächlich nicht mehr lange gebraucht werden, ließ Müller keinen Zweifel. In allen zielkonformen Klimaneutralitätszenarien würden fossile Energieträger in den Sektoren Verkehr, Wärme und Industrie weitestgehend durch Strom ersetzt. Die energetische Gasnachfrage sinke um bis zu 97 Prozent, und auch die Wasserstoffnachfrage werde diesen Rückgang nicht ausgleichen: Die betrage im Mittelwert nur 30 Prozent der heutigen energetischen Erdgasnachfrage. Und das bedeute: Bis 2045 würden Erdgasnetze „so gut wie überflüssig“. Selbst dann, wenn man die Wasserstoffumwandlung mit einrechne, heißt es in der Studie, sinke der Gasnetzbedarf um mehr als 90 Prozent.

In Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen BET, unter juristischer Beratung der Rechtsanwaltsgesellschaft Rosin Büdenbender und im Austausch mit 20 Erdgasversorgungsunternehmen habe man daher einen Maßnahmenkatalog entwickelt, der eine entsprechende Transformation der Netze ermögliche. Dieser beruhe auf drei Säulen:

1. Effiziente Transformationspfade In Weiterentwicklung der kommunalen Wärmeplanung sei es notwendig, eine Energie-Verteilstrategie zu erstellen und so in einer Verknüpfung kommunaler und bundesweiter Planung zu identifizieren, wo konkret noch Bedarf für eine Versorgung mit Gas bestehe. Nicht mehr benötigte (Teil-)Netze könnten dann zügig stillgelegt werden. Eine koordinierte Planung könne auch gewährleisten, dass die lokale Planung die Gesamtverfügbarkeit von Wasserstoff und Biomasse auf nationaler Ebene berücksichtige.

2. Tragfähiger Ordnungsrahmen für Netzbetreiber Schon heute verursache der Betrieb der Gasnetze erhebliche Kosten, die mit zunehmendem Alter der Netze noch stiegen. So stünden einem Gesamtwert der Infrastruktur von rund 60 Milliarden Euro jährliche Kosten von knapp 10 Milliarden Euro gegenüber. Eine vorausschauende Planung und geordnete Stillegung, die durch ein Bonussystem angeregt werden könnte, könne diese hohen Betriebskosten reduzieren und die jährlichen Gesamtkosten des Netzes halbieren, was auch zu einer Dämpfung des Anstiegs der Netzentgelte führen würde.

Außerdem schlägt Agora eine vorgezogene Abschreibungsdauer auf 2045 und eine verkürzte Regulierungsungsperiode von maximal drei Jahren vor, damit Kosteneinsparungen schnell an Kunden weitergeben werden könnten. Für nicht mehr benötigte Leitungen solle eine Rückbaupflicht nur noch im Einzelfall nach klaren Kriterien bestehen, die einfache Stillegung solle zum Regelfall werden. 

3. Soziale Absicherung Führe man die derzeitigen Planungen und Regelungen, die auf einen dauerhaften Erhalt ausgerichtet seien, weiter, könnten die Netzentgelte bis 2044 um das Neun- bis Sechzehnfache steigen, so die Berechnungen der Denkfabrik. Doch selbst wenn alle Vorschläge umgesetzt würden, stiegen die Netzentgelte für die verbleibenden Kundinnen und Kunden aufgrund der sinkenden Zahl an Gasanschlüssen. „Im derzeitigen Ordnungsrahmen würde im Extremfall der letzte Kunde, der noch ans Netz angeschlossen ist, die gesamten Netzkosten tragen“, so Müller. Der Vorschlag der Agora sieht deshalb eine soziale Absicherung vor. "In Ergänzung zu einem effizienten Ordnungsrahmen kann ein staatliches Zuschusssystem den übermäßigen Anstieg der Netzentgelte gezielt abfedern".

„Diese Studie ist eine Paketlösung“, sagte Müller zusammenfassend. Sie erkenne einerseits an, dass es einen massiven Rückgang des Gasnetzbedarfs gebe. „Das heißt, hier enden Geschäftsmodelle, die in der Vergangenheit ausgesprochen gut tragfähig waren.“ Aber gleichzeitig biete die Studie auch umfassende Vorschläge, um die notwendige Transformation durchzuführen und den Netzbetrieb weiterhin zu ermöglichen.

Die vollständige Studie ist auf den Seiten der Agora Energiewende im Internet abrufbar.

Dienstag, 18.04.2023, 16:19 Uhr
Katia Meyer-Tien
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Quelle: Fotolia / zozzzzo
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Kein Bedarf mehr für Erdgasnetze in Deutschland
Die Denkfabrik Agora Energiewende sieht angesichts der sinkenden Bedeutung von Erdgas keine Zukunft für die Gasnetze und macht Vorschläge für die Transformation des Netzbetriebs.
„Es geht nicht darum, die Gasnetze abzureißen“, stellt Simon Müller, Direktor Deutschland bei Agora Energiewende, bei der Vorstellung der Studie „Ein neuer Ordnungsrahmen für Erdgasverteilnetze. Analysen und Handlungsoptionen für eine bezahlbare und klimazielkompatible Transformation“ klar. Und fügt hinzu: „Eines der wesentlichen Dinge, die wir herausgearbeitet haben, ist, dass es viel sinnvoller ist, Netze stillzulegen statt sie zurückzubauen.“

Daran, dass die Gasverteilnetze in Deutschland im bisherigen Umfang aber tatsächlich nicht mehr lange gebraucht werden, ließ Müller keinen Zweifel. In allen zielkonformen Klimaneutralitätszenarien würden fossile Energieträger in den Sektoren Verkehr, Wärme und Industrie weitestgehend durch Strom ersetzt. Die energetische Gasnachfrage sinke um bis zu 97 Prozent, und auch die Wasserstoffnachfrage werde diesen Rückgang nicht ausgleichen: Die betrage im Mittelwert nur 30 Prozent der heutigen energetischen Erdgasnachfrage. Und das bedeute: Bis 2045 würden Erdgasnetze „so gut wie überflüssig“. Selbst dann, wenn man die Wasserstoffumwandlung mit einrechne, heißt es in der Studie, sinke der Gasnetzbedarf um mehr als 90 Prozent.

In Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen BET, unter juristischer Beratung der Rechtsanwaltsgesellschaft Rosin Büdenbender und im Austausch mit 20 Erdgasversorgungsunternehmen habe man daher einen Maßnahmenkatalog entwickelt, der eine entsprechende Transformation der Netze ermögliche. Dieser beruhe auf drei Säulen:

1. Effiziente Transformationspfade In Weiterentwicklung der kommunalen Wärmeplanung sei es notwendig, eine Energie-Verteilstrategie zu erstellen und so in einer Verknüpfung kommunaler und bundesweiter Planung zu identifizieren, wo konkret noch Bedarf für eine Versorgung mit Gas bestehe. Nicht mehr benötigte (Teil-)Netze könnten dann zügig stillgelegt werden. Eine koordinierte Planung könne auch gewährleisten, dass die lokale Planung die Gesamtverfügbarkeit von Wasserstoff und Biomasse auf nationaler Ebene berücksichtige.

2. Tragfähiger Ordnungsrahmen für Netzbetreiber Schon heute verursache der Betrieb der Gasnetze erhebliche Kosten, die mit zunehmendem Alter der Netze noch stiegen. So stünden einem Gesamtwert der Infrastruktur von rund 60 Milliarden Euro jährliche Kosten von knapp 10 Milliarden Euro gegenüber. Eine vorausschauende Planung und geordnete Stillegung, die durch ein Bonussystem angeregt werden könnte, könne diese hohen Betriebskosten reduzieren und die jährlichen Gesamtkosten des Netzes halbieren, was auch zu einer Dämpfung des Anstiegs der Netzentgelte führen würde.

Außerdem schlägt Agora eine vorgezogene Abschreibungsdauer auf 2045 und eine verkürzte Regulierungsungsperiode von maximal drei Jahren vor, damit Kosteneinsparungen schnell an Kunden weitergeben werden könnten. Für nicht mehr benötigte Leitungen solle eine Rückbaupflicht nur noch im Einzelfall nach klaren Kriterien bestehen, die einfache Stillegung solle zum Regelfall werden. 

3. Soziale Absicherung Führe man die derzeitigen Planungen und Regelungen, die auf einen dauerhaften Erhalt ausgerichtet seien, weiter, könnten die Netzentgelte bis 2044 um das Neun- bis Sechzehnfache steigen, so die Berechnungen der Denkfabrik. Doch selbst wenn alle Vorschläge umgesetzt würden, stiegen die Netzentgelte für die verbleibenden Kundinnen und Kunden aufgrund der sinkenden Zahl an Gasanschlüssen. „Im derzeitigen Ordnungsrahmen würde im Extremfall der letzte Kunde, der noch ans Netz angeschlossen ist, die gesamten Netzkosten tragen“, so Müller. Der Vorschlag der Agora sieht deshalb eine soziale Absicherung vor. "In Ergänzung zu einem effizienten Ordnungsrahmen kann ein staatliches Zuschusssystem den übermäßigen Anstieg der Netzentgelte gezielt abfedern".

„Diese Studie ist eine Paketlösung“, sagte Müller zusammenfassend. Sie erkenne einerseits an, dass es einen massiven Rückgang des Gasnetzbedarfs gebe. „Das heißt, hier enden Geschäftsmodelle, die in der Vergangenheit ausgesprochen gut tragfähig waren.“ Aber gleichzeitig biete die Studie auch umfassende Vorschläge, um die notwendige Transformation durchzuführen und den Netzbetrieb weiterhin zu ermöglichen.

Die vollständige Studie ist auf den Seiten der Agora Energiewende im Internet abrufbar.

Dienstag, 18.04.2023, 16:19 Uhr
Katia Meyer-Tien

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