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Energie & Management > Windkraft Onshore - Halterner Windrad-Einsturz löst Rückbauwelle aus
Quelle: Verbund
Windkraft Onshore

Halterner Windrad-Einsturz löst Rückbauwelle aus

Millionenschwerer Nackenschlag für Nordex: Sämtliche 17 Turbinen, die auf baugleichen Türmen wie eine im September 2021 havarierte Halterner Windkraftanlage stehen, werden abgebaut.
Die bald ein Jahr zurückliegende Havarie einer Halterner Windkraftanlage (wir berichteten) macht eine teure Rückbauwelle in ganz Deutschland erforderlich: Sämtliche 17 Turbinen, die auf einem baugleichen Beton-Stahl-Gerüst wie das Modell in Westfalen thronen, stehen vor der Demontage, teilte ein Sprecher des Herstellers Nordex auf Anfrage unserer Redaktion mit.

Damit ist der Worst Case für den Hamburger Anlagenbauer eingetreten. Während die offizielle Bekanntgabe der Ursache für den Einsturz in Haltern weiter auf sich warten lässt, sprechen die angekündigten Rückbauten Bände. Die gewählte Turm-Kombination aus vorgefertigten Beton-Segmenten, die einen achteckigen Grundriss aufwiesen, und aufgesetzten Stahlturm-Segmenten hat offenbar das Vertrauen der Windparkbetreiber und des Turbinen-Herstellers verspielt.

Die Türme kommen von der Ventur GmbH, einer Tochter des Betonteilefertigers Drössler aus Siegen (Nordrhein-Westfalen), die Nordex vor etwa einem Jahrzehnt als wichtigsten Kunden aus der Windenergie gewonnen hatte. Anfragen unserer Redaktion an Drössler zum Thema blieben zunächst ohne Antwort.

Bereits kurz nach dem Unglück der Halterner Anlage am 29. September 2021 waren sämtliche baugleichen Modelle außer Dienst gestellt worden. Vorsorglich, wie es damals hieß, und bis zur Klärung der Unglücksursache in Haltern. Gleichwohl waren am Turm einer Anlage im rheinischen Jüchen, wo ein Windpark mit sechs baugleichen Windkraftwerken existiert, schon im August 2021 Schäden am Turm entdeckt worden. Der Essener Energiekonzern RWE als einer der Betreiber des Parks "Jüchen A 44n" begründet den Rückbau jetzt offiziell mit "festgestellten baulichen Mängeln an den Türmen". Damit kommen offenbar andere Ursachen auch für den Halterner Einsturz nicht mehr in Betracht.
 
 
Die Betreibergemeinschaft in Jüchen – neben RWE zählen die Kommune und der Mönchengladbacher Versorger NEW dazu – hat inzwischen bekannt gegeben, dass die komplette Demontage eingeleitet worden ist. Entsprechende Maschinen und Schwerlastkräne rücken aktuell an. Das halbe Dutzend Windturbinen, die wie der Halterner Typ N149 jeweils eine maximale Höhe von rund 238 Metern erreichen und über eine Kapazität von 4,5 MW verfügen, ist dann "in den nächsten Monaten" Geschichte, so RWE in einer Mitteilung.
 
Im September brach eine Windkraftanlage vom Typ Nordex N149 im Halterner Wald in sich zusammen. Die Ursache wird noch unter Verschluss gehalten, 17 baugleiche Anlagen werden indes demontiert
Quelle: RAG Montan Immobilien

Allerdings erklärte der Nordex-Sprecher auf Anfrage, dass mit den Betreibern aller 18 betroffenen Anlagen Einigkeit über eine Anschlussregelung hergestellt worden sei. Nordex werde also an den jeweiligen Standorten neue Windturbinen errichten. Für den Park im rheinischen Braunkohlerevier wollte RWE dies auf Anfrage gleichwohl noch nicht bestätigen.

Auch im brandenburgischen Windpark Jacobsdorf ist die Perspektive unklar. Hier steht nur fest, dass alle vier Nordex-Anlagen abzubauen sind. Bei Neubauaktivitäten dort herrscht große Unsicherheit, weil der Teilregionalplan für das Gebiet ungültig ist. Eine im Bau befindliche Anlage vom Halterner Typ bei Prenzlau im Landkreis Uckermark (Brandenburg) ist inzwischen gesprengt.

Millionenverluste auch durch fehlende Ökostrom-Einnahmen

Dürfte Nordex neu bauen, würde der Schaden sich noch in Grenzen halten, wenngleich er durch das unfreiwillige Repowering allein schon beträchtlich ist. In Haltern, wo zwei baugleiche N149-Anlagen 2021 kurzzeitig ans Netz gegangen waren, hatten die Betreiber – RAG Montan Immobilien (80 % Anteile) und Stadtwerke Haltern GmbH (20 %) – mehr als 10 Mio. Euro in den Windpark "Haltern AV 9"“ investiert.

Bei insgesamt 18 abzubauenden Windkraftanlagen sind mithin bis zu 100 Mio. Euro in den Sand gesetzt. Hinzu kommen teils jahrelange Ertragsausfälle in Millionenhöhe, in Haltern erwartete die Gesellschaft mehr als 11 Mio. kWh Ökostrom pro Anlage und Jahr. Neben Genehmigungs-, Versicherungs- und Haftungsfragen tun sich auch Probleme bei der Vergütung auf. Die Zuschlagswerte für EEG-geförderte Anlagen sinken in der Regel, aber die Marktwerte für Strom vervielfachen sich derzeit. Folge: Die Verluste der zum Zusehen verurteilten Betreiber schießen in ungeahnte Höhen.
 
 
Nicht zuletzt sind 18 neue Anlagen zu finanzieren und zu errichten. Vier weitere Turbinen der ursprünglichen Halterner Konfiguration waren projektiert, aber noch nicht in Bau gegangen. Je nachdem, ob Nordex die Verantwortung für das Turm-Fiasko gegebenenfalls auch mit Zulieferern wie Ventur teilen kann, fällt das durch Haltern ausgelöste Millionenminus geringer aus.

Die nächste zu erwartende Mitteilung zur Havarie in Westfalen könnte dennoch eine vergleichsweise gute sein. Im September soll die erste der Nachfolgemaschinen den Betrieb aufnehmen. Am Standort der eingestürzten Anlage steht der Anschluss einer neuen N149 kurz bevor. Die Gondel samt Rotoren steht allerdings auf einer Turmkonstruktion in Stahlrohrbauweise. Keine 500 Meter nebenan verschwindet wohl ab Ende des Jahres die andere, stillgelegte Anlage.

Dienstag, 23.08.2022, 16:15 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Windkraft Onshore - Halterner Windrad-Einsturz löst Rückbauwelle aus
Quelle: Verbund
Windkraft Onshore
Halterner Windrad-Einsturz löst Rückbauwelle aus
Millionenschwerer Nackenschlag für Nordex: Sämtliche 17 Turbinen, die auf baugleichen Türmen wie eine im September 2021 havarierte Halterner Windkraftanlage stehen, werden abgebaut.
Die bald ein Jahr zurückliegende Havarie einer Halterner Windkraftanlage (wir berichteten) macht eine teure Rückbauwelle in ganz Deutschland erforderlich: Sämtliche 17 Turbinen, die auf einem baugleichen Beton-Stahl-Gerüst wie das Modell in Westfalen thronen, stehen vor der Demontage, teilte ein Sprecher des Herstellers Nordex auf Anfrage unserer Redaktion mit.

Damit ist der Worst Case für den Hamburger Anlagenbauer eingetreten. Während die offizielle Bekanntgabe der Ursache für den Einsturz in Haltern weiter auf sich warten lässt, sprechen die angekündigten Rückbauten Bände. Die gewählte Turm-Kombination aus vorgefertigten Beton-Segmenten, die einen achteckigen Grundriss aufwiesen, und aufgesetzten Stahlturm-Segmenten hat offenbar das Vertrauen der Windparkbetreiber und des Turbinen-Herstellers verspielt.

Die Türme kommen von der Ventur GmbH, einer Tochter des Betonteilefertigers Drössler aus Siegen (Nordrhein-Westfalen), die Nordex vor etwa einem Jahrzehnt als wichtigsten Kunden aus der Windenergie gewonnen hatte. Anfragen unserer Redaktion an Drössler zum Thema blieben zunächst ohne Antwort.

Bereits kurz nach dem Unglück der Halterner Anlage am 29. September 2021 waren sämtliche baugleichen Modelle außer Dienst gestellt worden. Vorsorglich, wie es damals hieß, und bis zur Klärung der Unglücksursache in Haltern. Gleichwohl waren am Turm einer Anlage im rheinischen Jüchen, wo ein Windpark mit sechs baugleichen Windkraftwerken existiert, schon im August 2021 Schäden am Turm entdeckt worden. Der Essener Energiekonzern RWE als einer der Betreiber des Parks "Jüchen A 44n" begründet den Rückbau jetzt offiziell mit "festgestellten baulichen Mängeln an den Türmen". Damit kommen offenbar andere Ursachen auch für den Halterner Einsturz nicht mehr in Betracht.
 
 
Die Betreibergemeinschaft in Jüchen – neben RWE zählen die Kommune und der Mönchengladbacher Versorger NEW dazu – hat inzwischen bekannt gegeben, dass die komplette Demontage eingeleitet worden ist. Entsprechende Maschinen und Schwerlastkräne rücken aktuell an. Das halbe Dutzend Windturbinen, die wie der Halterner Typ N149 jeweils eine maximale Höhe von rund 238 Metern erreichen und über eine Kapazität von 4,5 MW verfügen, ist dann "in den nächsten Monaten" Geschichte, so RWE in einer Mitteilung.
 
Im September brach eine Windkraftanlage vom Typ Nordex N149 im Halterner Wald in sich zusammen. Die Ursache wird noch unter Verschluss gehalten, 17 baugleiche Anlagen werden indes demontiert
Quelle: RAG Montan Immobilien

Allerdings erklärte der Nordex-Sprecher auf Anfrage, dass mit den Betreibern aller 18 betroffenen Anlagen Einigkeit über eine Anschlussregelung hergestellt worden sei. Nordex werde also an den jeweiligen Standorten neue Windturbinen errichten. Für den Park im rheinischen Braunkohlerevier wollte RWE dies auf Anfrage gleichwohl noch nicht bestätigen.

Auch im brandenburgischen Windpark Jacobsdorf ist die Perspektive unklar. Hier steht nur fest, dass alle vier Nordex-Anlagen abzubauen sind. Bei Neubauaktivitäten dort herrscht große Unsicherheit, weil der Teilregionalplan für das Gebiet ungültig ist. Eine im Bau befindliche Anlage vom Halterner Typ bei Prenzlau im Landkreis Uckermark (Brandenburg) ist inzwischen gesprengt.

Millionenverluste auch durch fehlende Ökostrom-Einnahmen

Dürfte Nordex neu bauen, würde der Schaden sich noch in Grenzen halten, wenngleich er durch das unfreiwillige Repowering allein schon beträchtlich ist. In Haltern, wo zwei baugleiche N149-Anlagen 2021 kurzzeitig ans Netz gegangen waren, hatten die Betreiber – RAG Montan Immobilien (80 % Anteile) und Stadtwerke Haltern GmbH (20 %) – mehr als 10 Mio. Euro in den Windpark "Haltern AV 9"“ investiert.

Bei insgesamt 18 abzubauenden Windkraftanlagen sind mithin bis zu 100 Mio. Euro in den Sand gesetzt. Hinzu kommen teils jahrelange Ertragsausfälle in Millionenhöhe, in Haltern erwartete die Gesellschaft mehr als 11 Mio. kWh Ökostrom pro Anlage und Jahr. Neben Genehmigungs-, Versicherungs- und Haftungsfragen tun sich auch Probleme bei der Vergütung auf. Die Zuschlagswerte für EEG-geförderte Anlagen sinken in der Regel, aber die Marktwerte für Strom vervielfachen sich derzeit. Folge: Die Verluste der zum Zusehen verurteilten Betreiber schießen in ungeahnte Höhen.
 
 
Nicht zuletzt sind 18 neue Anlagen zu finanzieren und zu errichten. Vier weitere Turbinen der ursprünglichen Halterner Konfiguration waren projektiert, aber noch nicht in Bau gegangen. Je nachdem, ob Nordex die Verantwortung für das Turm-Fiasko gegebenenfalls auch mit Zulieferern wie Ventur teilen kann, fällt das durch Haltern ausgelöste Millionenminus geringer aus.

Die nächste zu erwartende Mitteilung zur Havarie in Westfalen könnte dennoch eine vergleichsweise gute sein. Im September soll die erste der Nachfolgemaschinen den Betrieb aufnehmen. Am Standort der eingestürzten Anlage steht der Anschluss einer neuen N149 kurz bevor. Die Gondel samt Rotoren steht allerdings auf einer Turmkonstruktion in Stahlrohrbauweise. Keine 500 Meter nebenan verschwindet wohl ab Ende des Jahres die andere, stillgelegte Anlage.

Dienstag, 23.08.2022, 16:15 Uhr
Volker Stephan

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