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Energie & Management > Österreich -
Quelle: Fotolia / YuI
Österreich

"Gaswende" für Klimaneutralität

Österreichs Gaswirtschaft ist für die Energiewende bereit, braucht aber geeignete Rahmenbedingungen. Und vor übertriebenen Hoffnungen ist zu warnen, hieß es bei einer Pressekonferenz.
„Damit wir die Klimaneutralität in Österreich bis 2040 erreichen, brauchen wir nicht nur eine Strom-, sondern auch eine Gaswende.“ Das betonte der Obmann des Fachverbands Gas Wärme (FGW), der gesetzlichen Vertretung der Gaswirtschaft, Peter Weinelt, am 8. November bei einer Pressekonferenz in Wien. Notwendig seien Anreize zur Förderung von grünem Gas, also Biomethan und Wasserstoff.

„Hingegen bremsen Technologieverbote die Weiterentwicklung von grünem Gas und Innovationen“. Bis zu vier Mrd. m3 Biomethan könnten in Österreich erzeugt werden, davon etwa 1,5 bis 2 Mrd. m3 aus agrarischen Reststoffen. Da die jährliche Gasnachfrage bei etwa 8 Mrd. m3 liege, müsse der verbleibende Bedarf zumindest teilweise durch Importe von grünem Wasserstoff gedeckt werden. Die RAG Austria arbeitet laut ihrem Generaldirektor Markus Mitteregger daran, auf längere Sicht jährlich grünen Wasserstoff mit einem Energiegehalt von bis zu 80 Mrd. kWh aus der Ukraine einzuführen. Ein erster Auftrag über eine erheblich geringere Menge könnte Mitteregger zufolge schon Anfang 2022 ergehen.

Weinelt ergänzte, es sei notwendig, die Einspeisung „grüner“ Gase in die öffentlichen Netze schrittweise zu erhöhen. Zurzeit könnten dem Erdgas in den Leitungen bis zu 10 % Wasserstoff beigemengt werden, ohne Adaptierungen an Heizungen und Herden, aber auch industriellen Anlagen und Gaskraftwerken, vornehmen zu müssen.

Einer der wichtigsten Betreiber von Gaskraftwerken, genauer, mit Erdgas befeuerten Kraft-Wärme-Kopplungen (KWK), sind die Wiener Stadtwerke, deren stellvertretender Generaldirektor Weinelt ist. Der Redaktion teilte er auf Anfrage mit, die Wien Energie, das Energieunternehmen der Stadtwerke, werde im kommenden Jahr eine ihrer KWK-Anlagen für die Nutzung von Wasserstoff umrüsten. Ab 2023 würden dem Erdgas zu ihrem Betrieb probeweise bis zu 15 % grüner Wasserstoff beigemengt. In diese Größenordnung sei bis dato kein österreichischer Energieversorger gegangen.

Testleitung für Wasserstoff

Pionierarbeit, was die Nutzung von Wasserstoff in Österreich betrifft, leistete kürzlich auch der Fernleitungsbetreiber Gas Connect Austria (GCA), berichtete dessen Geschäftsführer Harald Stindl. Im Zuge des Austauschs einer alten Gasleitung zwischen den Standorten Aderklaa und Deutsch Wagram nordöstlich von Wien errichtete die GCA den ersten Teststrang in Österreich, der für den Transport von bis zu 100 % Wasserstoff geeignet ist. Die Länge beträgt zwar nur rund 4,2 Kilometer bei einem Durchmesser von 200 Millimetern, doch die GCA könne damit „wertvolles Know-how“ gewinnen.

Der Stahl habe um etwa 10 % mehr gekostet als jener für normale Gasleitungen, insbesondere wegen der notwendigen Dokumentationen und der Garantie des Herstellers, erläuterte Stindl. Auch werde für die neue Trasse etwas mehr Platz benötigt als für eine Erdgaspipeline, „weil Wasserstoff explosiver ist als Erdgas“. Aber die Mehrkosten und der zusätzliche Platzbedarf seien durchaus verkraftbar. Und an der Notwendigkeit von Wasserstoffleitungen oder der Umwidmung von Gasleitungen auf den Wasserstoffbetrieb ließ Stindl keinen Zweifel: „Damit lässt sich vier Mal so viel Energie transportieren wie mit Stromleitungen vergleichbarer Dimension.“

Dies verdeutliche, dass die österreichische Gaswirtschaft „ihre Hausaufgaben macht“, betonte Michael Haselauer, der Präsident der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW), die auf technische Fragen der Gasversorgung spezialisiert ist. Seit Juni dieses Jahres liege eine ÖVGW-Richtlinie vor, die den sicheren Betrieb von Leitungen erlaube, wenn dem darin transportierten Erdgas bis zu 10 % Wasserstoff beigemengt würden. Als nächster Schritt sei die Erhöhung des Wasserstoffanteils auf bis zu 20 % geplant. Ferner arbeite die ÖVGW an einer Richtlinie „für 100 % Wasserstoffeinsatz“.

Infrastruktur nutzen

Die Branche sei somit für die Nutzung grüner Gase bereit, versicherte Weinelt. Was noch fehle, seien die notwendigen rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen. Die Politik müsse die Einspeisung grüner Gase in die Netze ebenso erlauben und fördern wie die Einspeisung von Ökostrom in die Stromnetze, also mit flexiblen Marktprämien, wie dies im „Erneuerbare-Ausbau-Gesetz“ (EAG) vorgesehen ist. Wie berichtet, durchläuft das EAG zurzeit das Verfahren zur Genehmigung durch die EU-Kommission.

Verbote für Gasheizungen, wie sie das Energieministerium (BMK) plant, lehnt die Branche erwartungsgemäß ab, konstatierte Weinelt: „Unsere Botschaft ist: Nutzt die bestehende Infrastruktur.“ Denn für eine klimaverträgliche Energieversorgung werde Österreich jeden Kubikmeter grünes Gas und jede Kilowattstunde Ökostrom dringend brauchen – ganz abgesehen von massiven Steigerungen der Energieeffizienz: „Es wäre komplett illusorisch, den gesamten derzeitigen Bedarf 1:1 mit erneuerbaren Energien zu decken, woher auch immer sie kommen.“

Dienstag, 9.11.2021, 09:01 Uhr
Klaus Fischer
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"Gaswende" für Klimaneutralität
Österreichs Gaswirtschaft ist für die Energiewende bereit, braucht aber geeignete Rahmenbedingungen. Und vor übertriebenen Hoffnungen ist zu warnen, hieß es bei einer Pressekonferenz.
„Damit wir die Klimaneutralität in Österreich bis 2040 erreichen, brauchen wir nicht nur eine Strom-, sondern auch eine Gaswende.“ Das betonte der Obmann des Fachverbands Gas Wärme (FGW), der gesetzlichen Vertretung der Gaswirtschaft, Peter Weinelt, am 8. November bei einer Pressekonferenz in Wien. Notwendig seien Anreize zur Förderung von grünem Gas, also Biomethan und Wasserstoff.

„Hingegen bremsen Technologieverbote die Weiterentwicklung von grünem Gas und Innovationen“. Bis zu vier Mrd. m3 Biomethan könnten in Österreich erzeugt werden, davon etwa 1,5 bis 2 Mrd. m3 aus agrarischen Reststoffen. Da die jährliche Gasnachfrage bei etwa 8 Mrd. m3 liege, müsse der verbleibende Bedarf zumindest teilweise durch Importe von grünem Wasserstoff gedeckt werden. Die RAG Austria arbeitet laut ihrem Generaldirektor Markus Mitteregger daran, auf längere Sicht jährlich grünen Wasserstoff mit einem Energiegehalt von bis zu 80 Mrd. kWh aus der Ukraine einzuführen. Ein erster Auftrag über eine erheblich geringere Menge könnte Mitteregger zufolge schon Anfang 2022 ergehen.

Weinelt ergänzte, es sei notwendig, die Einspeisung „grüner“ Gase in die öffentlichen Netze schrittweise zu erhöhen. Zurzeit könnten dem Erdgas in den Leitungen bis zu 10 % Wasserstoff beigemengt werden, ohne Adaptierungen an Heizungen und Herden, aber auch industriellen Anlagen und Gaskraftwerken, vornehmen zu müssen.

Einer der wichtigsten Betreiber von Gaskraftwerken, genauer, mit Erdgas befeuerten Kraft-Wärme-Kopplungen (KWK), sind die Wiener Stadtwerke, deren stellvertretender Generaldirektor Weinelt ist. Der Redaktion teilte er auf Anfrage mit, die Wien Energie, das Energieunternehmen der Stadtwerke, werde im kommenden Jahr eine ihrer KWK-Anlagen für die Nutzung von Wasserstoff umrüsten. Ab 2023 würden dem Erdgas zu ihrem Betrieb probeweise bis zu 15 % grüner Wasserstoff beigemengt. In diese Größenordnung sei bis dato kein österreichischer Energieversorger gegangen.

Testleitung für Wasserstoff

Pionierarbeit, was die Nutzung von Wasserstoff in Österreich betrifft, leistete kürzlich auch der Fernleitungsbetreiber Gas Connect Austria (GCA), berichtete dessen Geschäftsführer Harald Stindl. Im Zuge des Austauschs einer alten Gasleitung zwischen den Standorten Aderklaa und Deutsch Wagram nordöstlich von Wien errichtete die GCA den ersten Teststrang in Österreich, der für den Transport von bis zu 100 % Wasserstoff geeignet ist. Die Länge beträgt zwar nur rund 4,2 Kilometer bei einem Durchmesser von 200 Millimetern, doch die GCA könne damit „wertvolles Know-how“ gewinnen.

Der Stahl habe um etwa 10 % mehr gekostet als jener für normale Gasleitungen, insbesondere wegen der notwendigen Dokumentationen und der Garantie des Herstellers, erläuterte Stindl. Auch werde für die neue Trasse etwas mehr Platz benötigt als für eine Erdgaspipeline, „weil Wasserstoff explosiver ist als Erdgas“. Aber die Mehrkosten und der zusätzliche Platzbedarf seien durchaus verkraftbar. Und an der Notwendigkeit von Wasserstoffleitungen oder der Umwidmung von Gasleitungen auf den Wasserstoffbetrieb ließ Stindl keinen Zweifel: „Damit lässt sich vier Mal so viel Energie transportieren wie mit Stromleitungen vergleichbarer Dimension.“

Dies verdeutliche, dass die österreichische Gaswirtschaft „ihre Hausaufgaben macht“, betonte Michael Haselauer, der Präsident der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW), die auf technische Fragen der Gasversorgung spezialisiert ist. Seit Juni dieses Jahres liege eine ÖVGW-Richtlinie vor, die den sicheren Betrieb von Leitungen erlaube, wenn dem darin transportierten Erdgas bis zu 10 % Wasserstoff beigemengt würden. Als nächster Schritt sei die Erhöhung des Wasserstoffanteils auf bis zu 20 % geplant. Ferner arbeite die ÖVGW an einer Richtlinie „für 100 % Wasserstoffeinsatz“.

Infrastruktur nutzen

Die Branche sei somit für die Nutzung grüner Gase bereit, versicherte Weinelt. Was noch fehle, seien die notwendigen rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen. Die Politik müsse die Einspeisung grüner Gase in die Netze ebenso erlauben und fördern wie die Einspeisung von Ökostrom in die Stromnetze, also mit flexiblen Marktprämien, wie dies im „Erneuerbare-Ausbau-Gesetz“ (EAG) vorgesehen ist. Wie berichtet, durchläuft das EAG zurzeit das Verfahren zur Genehmigung durch die EU-Kommission.

Verbote für Gasheizungen, wie sie das Energieministerium (BMK) plant, lehnt die Branche erwartungsgemäß ab, konstatierte Weinelt: „Unsere Botschaft ist: Nutzt die bestehende Infrastruktur.“ Denn für eine klimaverträgliche Energieversorgung werde Österreich jeden Kubikmeter grünes Gas und jede Kilowattstunde Ökostrom dringend brauchen – ganz abgesehen von massiven Steigerungen der Energieeffizienz: „Es wäre komplett illusorisch, den gesamten derzeitigen Bedarf 1:1 mit erneuerbaren Energien zu decken, woher auch immer sie kommen.“

Dienstag, 9.11.2021, 09:01 Uhr
Klaus Fischer

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