E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Kernkraft - FDP fordert Moratorium bei AKW-Rückbau
Quelle: Shutterstock / lassedesignen
Kernkraft

FDP fordert Moratorium bei AKW-Rückbau

Der Fraktionsvize der FDP, Lukas Köhler, hat vor einem raschen Rückbau der drei letzten deutschen AKW gewarnt, die noch Strom erzeugen. Derweil will England die Atomkraft ausbauen.
„Als FDP-Fraktion hätten wir uns bekanntlich auch eine etwas längere Laufzeit vorstellen können. Aber selbst wenn die Kernkraftwerke bald abgeschaltet werden, sollten wir mit dem Rückbau noch warten“, sagte der stellvertretende Fraktionschef der FDP im Bundestag, Lukas Köhler, der Bild. „Falls es die Situation in Zukunft doch noch mal erfordert, müssen die Kraftwerke möglichst schnell wieder in Betrieb gehen können.“ Versorgungssicherheit sei unverzichtbar. 

Die Laufzeit für Block 1 in Neckarwestheim sowie die Reaktoren Emsland in Niedersachsen und Isar 2 in Bayern war bis 15. April verlängert worden. So sollten sie über diesen Winter angesichts des russischen Gas-Exportstopps die Stromversorgung stabilisieren helfen. Danach soll mit der Nutzung der Atomkraft Schluss sein in Deutschland. Die FDP hatte sich dafür ausgesprochen, alle drei Meiler bis ins Jahr 2024 hinein laufen zu lassen.

Halbes Jahr, um Rückbau-Personal zu durchleuchten

Köhlers Parteifreund im schleswig-holsteinischen Landtag, Oliver Kumbartzky, kritisierte derweil die lange Dauer von Personal-Überprüfungen im Zusammenhang mit dem Rückbau von Atomkraftwerken kritisiert. „Gerade für Fremdfirmen, die den Rückbau begleiten, war die lange Wartezeit ein großes Ärgernis“, sagte Kumbartzky der Deutschen Presse-Agentur. Laut Antwort des Landesumweltministeriums auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten beträgt die Prüfdauer im Schnitt 170 Tage. Grundlage für diese Zahl ist eine stichprobenhafte Auswertung einzelner Monate. 

„Sicherheit geht vor, aber die Überprüfungen für das Personal dauerten bisher viel zu lange“, sagte Kumbartzky. „Dass noch 500 Anträge offen sind, macht mich fassungslos.“ Das betrifft nach Angaben der Landesregierung überwiegend Fremdpersonal. 

Sicherheit habe auch in der Nachbetriebs- und Stilllegungsphase der Reaktoren höchste Priorität, schreibt das Ministerium. In den Anlagen eingesetztes externes Personal sei ein „besonders sensibler Bereich“. Negative Auswirkungen auf den Stilllegungsbetrieb seien nicht erkennbar. Tatsächliche Bearbeitungszeiten seien durch organisatorische Maßnahmen zudem zuletzt erheblich verkürzt worden. Das lasse hoffen, „dass das Problem erkannt wurde“, sagte Kumbartzky. 

Seit 2019 wird das AKW Brunsbüttel zurückgebaut. Der Siedewasserreaktor an der Elbe war 1976 ans Netz gegangen. Seit 2007 ist das Kraftwerk nach mehreren Pannen dauerhaft abgeschaltet. Nach der Fukushima-Katastrophe 2011 wurde es endgültig stillgelegt.

Wie London Atomkraft fast verdoppeln will

Unterdessen kündigt Großbritannien an, Atomkraft künftig wie bereits die EU als „umweltfreundlich“ einziustufen. Damit sollten zusätzliche Investitionen in die Energiewirtschaft angelockt werden, sagte Finanzminister Jeremy Hunt (Konservative) am 15. März im Parlament. Privatunternehmen erhielten damit die gleichen Anreize, in Nuklearprojekte oder in erneuerbare Energien einzusteigen. „Hinzu kommen weitere öffentliche Investitionen“, sagte Hunt. In der EU werden unter der sogenannten Taxonomie seit diesem Jahr Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich eingestuft. 

In Großbritannien ist Atomkraft anders als in Deutschland kaum umstritten und gilt als Chance im Kampf gegen den Klimawandel. Das Land hat derzeit fünf Kernkraftwerke mit insgesamt neun Reaktoren in Betrieb, die etwa 13 Prozent des Strombedarfs abdecken. Sie sollen alle bis spätestens 2035 das Ende ihrer Laufzeit erreichen. 

Ein Programm namens „Great British Nuclear“ soll Hunt zufolge dabei helfen, Kosten zu senken und Möglichkeiten in der gesamten nuklearen Lieferkette zu bieten. Ziel sei, dass bis 2050 bis zu ein Viertel des Stroms im Land aus Atomkraft stamme, sagte Hunt. Zudem schreibt die Regierung kleine Atomreaktoren aus.

Milliarden für Dekarbonisierung von Industrieprozessen

Hunt kündigte zudem an, die Entwicklung von Technologien zur Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid mit bis zu 20 Milliarden Pfund (22,9 Milliarden Euro) zu unterstützen. Damit soll Kohlenstoff aus den Emissionen umweltschädlicher Branchen wie der Stahl-, Glas- oder Energieindustrie aufgesaugt werden. Hunt hofft, dass dadurch 50.000 neue Jobs entstehen. Allerdings wird das Geld frühestens nach der nächsten Parlamentswahl fließen - und es ist fraglich, ob die Konservativen dann noch die Regierung stellen.

Mittwoch, 15.03.2023, 21:01 Uhr
dpa
Energie & Management > Kernkraft - FDP fordert Moratorium bei AKW-Rückbau
Quelle: Shutterstock / lassedesignen
Kernkraft
FDP fordert Moratorium bei AKW-Rückbau
Der Fraktionsvize der FDP, Lukas Köhler, hat vor einem raschen Rückbau der drei letzten deutschen AKW gewarnt, die noch Strom erzeugen. Derweil will England die Atomkraft ausbauen.
„Als FDP-Fraktion hätten wir uns bekanntlich auch eine etwas längere Laufzeit vorstellen können. Aber selbst wenn die Kernkraftwerke bald abgeschaltet werden, sollten wir mit dem Rückbau noch warten“, sagte der stellvertretende Fraktionschef der FDP im Bundestag, Lukas Köhler, der Bild. „Falls es die Situation in Zukunft doch noch mal erfordert, müssen die Kraftwerke möglichst schnell wieder in Betrieb gehen können.“ Versorgungssicherheit sei unverzichtbar. 

Die Laufzeit für Block 1 in Neckarwestheim sowie die Reaktoren Emsland in Niedersachsen und Isar 2 in Bayern war bis 15. April verlängert worden. So sollten sie über diesen Winter angesichts des russischen Gas-Exportstopps die Stromversorgung stabilisieren helfen. Danach soll mit der Nutzung der Atomkraft Schluss sein in Deutschland. Die FDP hatte sich dafür ausgesprochen, alle drei Meiler bis ins Jahr 2024 hinein laufen zu lassen.

Halbes Jahr, um Rückbau-Personal zu durchleuchten

Köhlers Parteifreund im schleswig-holsteinischen Landtag, Oliver Kumbartzky, kritisierte derweil die lange Dauer von Personal-Überprüfungen im Zusammenhang mit dem Rückbau von Atomkraftwerken kritisiert. „Gerade für Fremdfirmen, die den Rückbau begleiten, war die lange Wartezeit ein großes Ärgernis“, sagte Kumbartzky der Deutschen Presse-Agentur. Laut Antwort des Landesumweltministeriums auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten beträgt die Prüfdauer im Schnitt 170 Tage. Grundlage für diese Zahl ist eine stichprobenhafte Auswertung einzelner Monate. 

„Sicherheit geht vor, aber die Überprüfungen für das Personal dauerten bisher viel zu lange“, sagte Kumbartzky. „Dass noch 500 Anträge offen sind, macht mich fassungslos.“ Das betrifft nach Angaben der Landesregierung überwiegend Fremdpersonal. 

Sicherheit habe auch in der Nachbetriebs- und Stilllegungsphase der Reaktoren höchste Priorität, schreibt das Ministerium. In den Anlagen eingesetztes externes Personal sei ein „besonders sensibler Bereich“. Negative Auswirkungen auf den Stilllegungsbetrieb seien nicht erkennbar. Tatsächliche Bearbeitungszeiten seien durch organisatorische Maßnahmen zudem zuletzt erheblich verkürzt worden. Das lasse hoffen, „dass das Problem erkannt wurde“, sagte Kumbartzky. 

Seit 2019 wird das AKW Brunsbüttel zurückgebaut. Der Siedewasserreaktor an der Elbe war 1976 ans Netz gegangen. Seit 2007 ist das Kraftwerk nach mehreren Pannen dauerhaft abgeschaltet. Nach der Fukushima-Katastrophe 2011 wurde es endgültig stillgelegt.

Wie London Atomkraft fast verdoppeln will

Unterdessen kündigt Großbritannien an, Atomkraft künftig wie bereits die EU als „umweltfreundlich“ einziustufen. Damit sollten zusätzliche Investitionen in die Energiewirtschaft angelockt werden, sagte Finanzminister Jeremy Hunt (Konservative) am 15. März im Parlament. Privatunternehmen erhielten damit die gleichen Anreize, in Nuklearprojekte oder in erneuerbare Energien einzusteigen. „Hinzu kommen weitere öffentliche Investitionen“, sagte Hunt. In der EU werden unter der sogenannten Taxonomie seit diesem Jahr Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich eingestuft. 

In Großbritannien ist Atomkraft anders als in Deutschland kaum umstritten und gilt als Chance im Kampf gegen den Klimawandel. Das Land hat derzeit fünf Kernkraftwerke mit insgesamt neun Reaktoren in Betrieb, die etwa 13 Prozent des Strombedarfs abdecken. Sie sollen alle bis spätestens 2035 das Ende ihrer Laufzeit erreichen. 

Ein Programm namens „Great British Nuclear“ soll Hunt zufolge dabei helfen, Kosten zu senken und Möglichkeiten in der gesamten nuklearen Lieferkette zu bieten. Ziel sei, dass bis 2050 bis zu ein Viertel des Stroms im Land aus Atomkraft stamme, sagte Hunt. Zudem schreibt die Regierung kleine Atomreaktoren aus.

Milliarden für Dekarbonisierung von Industrieprozessen

Hunt kündigte zudem an, die Entwicklung von Technologien zur Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid mit bis zu 20 Milliarden Pfund (22,9 Milliarden Euro) zu unterstützen. Damit soll Kohlenstoff aus den Emissionen umweltschädlicher Branchen wie der Stahl-, Glas- oder Energieindustrie aufgesaugt werden. Hunt hofft, dass dadurch 50.000 neue Jobs entstehen. Allerdings wird das Geld frühestens nach der nächsten Parlamentswahl fließen - und es ist fraglich, ob die Konservativen dann noch die Regierung stellen.

Mittwoch, 15.03.2023, 21:01 Uhr
dpa

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.