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Energie & Management > Klimaschutz - Expertenrat:
Quelle: Fotolia / PhotographyByMK
Klimaschutz

Expertenrat: "Eine Trendwende ist nicht erkennbar"

Zum zweiten beziehungsweise dritten Mal hintereinander verfehlen Gebäude- und Verkehrssektor die Emissionsziele. Der Expertenrat für Klimafragen zweifelt − auch an der Politik.
 
Rund 746 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente hat Deutschland im Jahr 2022 emittiert. Das sind rund 14,7 Millionen Tonnen weniger als im Jahr zuvor, wie der Expertenrat für Klimafragen in seinem am 17. April 2023 vorgestellten Prüfbericht zu den Emissionsdaten 2022 bestätigt.

Was zunächst positiv wirke, revidiere sich allerdings bei genauerer Betrachtung, so Prof. Dr. Hans-Martin Henning, der Vorsitzende des Expertenrats, in der Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung des Prüfberichts. So sei die Emissionsintensität − definiert als die auf den Energieverbrauch bezogenen THG-Emissionen − insgesamt gestiegen, was unter anderem auf die Verschiebung der Nutzung von Gas zu Öl und von Kernenergie zu Kohle zurückzuführen sei. Auch sei davon auszugehen, dass, wäre das Wirtschaftswachstum nicht aufgrund des Ukraine-Krieg gedrosselt gewesen, die Emissionen insbesondere im Industriesektor deutlich höher ausgefallen wären.

In der Betrachtung der einzelnen Sektoren haben der Berechnung zufolge sowohl der Gebäudesektor mit einer Emission von 111,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten (Zielwert: 107  Millionen) als auch der Verkehrssektor mit rund 148 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten (Zielwert 138,8 Millionen) verfehlt. Dabei seien die Emissionen im Gebäudesektor zwar um 6,3 Millionen Tonnen gesunken, dies sei aber in erster Linie auf die milden Temperaturen und auf ein möglicherweise nur temporär verändertes Heizverhalten zurückzuführen, so Henning. Keinerlei Trendwende sei im Verkehrssektor erkennbar, in dem die Emissionen sogar um 1,1 Millionen Tonnen zugenommen hätten.

Noch unklar ist, ob die Energiewirtschaft die Zielvorgabe von maximal 257 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente erreicht. Nach Berechnung des Expertenrats liegen die Emissionen des Sektors für 2022 bei 255,9 Millionen Tonnen. Endgültige Zahlen für alle Sektoren liegen aber voraussichtlich erst zu Beginn des Jahres 2024 vor.

Die Sektoren Industrie (164,2 Millionen; Zielwert 176,9 Millionen), Landwirtschaft (61,  Millionen;Zielwert 67,6 Millionen) und Abfallwirtschaft (4,3 Millionen; Zielwert 8,5 Millionen) erreichten den Berechnungen zufolge zwar ihre Zielvorgaben. Insgesamt sei man aber “in keinem Sektor auf einem guten Weg”, so die stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats, Dr. Brigitte Knopf. Schreibe man die Entwicklungen aus den Jahren 2019 bis 2022 fort, so Henning, müsse man für das Jahr 2030 mit Emissionen von rund 630 Millionen Tonnen rechnen. Damit würde Deutschland das Ziel von maximal 440 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten in 2030 deutlich verfehlen.

Skepsis angesichts der Ampel-Pläne

Skeptisch sieht der Expertenrat angesichts dieser Entwicklungen die jüngsten Beschlüsse des Koalitionsausschusses zur Reform des Klimaschutzgesetzes. Unter anderem plädiere der Expertenrat dafür, so Henning, den Budgetgedanken mit jahresscharfen Zielen beizubehalten, und nicht nur ausgewählte Zieljahre zu betrachten. Auch die Ausgestaltung des Steuerungskriteriums bei Nichteinhaltung der Ziele biete den bisher bekannt gewordenen Plänen zufolge noch „eine Vielzahl von Möglichkeiten“, deren Implikationen man genau prüfen solle. Die vorliegenden Pläne bürgen eine „erhöhte Gefahr zur Verfehlung der Klimaziele“. Genaueres könne man allerdings erst sagen, wenn tatsächlich ein konkreter Gesetzentwurf vorliege.

Bislang müssen die Ministerien der Sektoren, in denen die Ziele nicht erreicht werden, ein Sofortprogramm vorlegen. Die entsprechenden Programme des Gebäude- und Verkehrssektors aus dem Jahr 2022 hat der Expertenrat allerdings ebenfalls geprüft und ist zum Ergebnis gekommen, dass beide nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.

Der Expertenrat prüft und bewertet in seinem jährlich erscheinenden Prüfbericht gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz die Daten des Umweltbundesamtes. „Das Klimaschutzgesetz ist eine Selbstverpflichtung der Politik”, fasste Brigitte Knopf zusammen, „und unsere Aufgabe ist es, die Einhaltung dieser Selbstverpflichtung zu kontrolieren”. Die momentane Situation aber könne man vergleichen mit einem Menschen, der sich zu Anfang des Jahres vorgenommen habe, fitter zu werden und dafür dienstags joggen, donnerstags schwimmen und am Wochenende laufen zu gehen. „Und jetzt sagt die Regierung im April einfach nur: Ich will fitter werden bis Ende des Jahres. Da ist die Frage, inwieweit das glaubwürdig ist und wie weit man damit kommt.“

Montag, 17.04.2023, 14:24 Uhr
Katia Meyer-Tien
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Klimaschutz
Expertenrat: "Eine Trendwende ist nicht erkennbar"
Zum zweiten beziehungsweise dritten Mal hintereinander verfehlen Gebäude- und Verkehrssektor die Emissionsziele. Der Expertenrat für Klimafragen zweifelt − auch an der Politik.
 
Rund 746 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente hat Deutschland im Jahr 2022 emittiert. Das sind rund 14,7 Millionen Tonnen weniger als im Jahr zuvor, wie der Expertenrat für Klimafragen in seinem am 17. April 2023 vorgestellten Prüfbericht zu den Emissionsdaten 2022 bestätigt.

Was zunächst positiv wirke, revidiere sich allerdings bei genauerer Betrachtung, so Prof. Dr. Hans-Martin Henning, der Vorsitzende des Expertenrats, in der Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung des Prüfberichts. So sei die Emissionsintensität − definiert als die auf den Energieverbrauch bezogenen THG-Emissionen − insgesamt gestiegen, was unter anderem auf die Verschiebung der Nutzung von Gas zu Öl und von Kernenergie zu Kohle zurückzuführen sei. Auch sei davon auszugehen, dass, wäre das Wirtschaftswachstum nicht aufgrund des Ukraine-Krieg gedrosselt gewesen, die Emissionen insbesondere im Industriesektor deutlich höher ausgefallen wären.

In der Betrachtung der einzelnen Sektoren haben der Berechnung zufolge sowohl der Gebäudesektor mit einer Emission von 111,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten (Zielwert: 107  Millionen) als auch der Verkehrssektor mit rund 148 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten (Zielwert 138,8 Millionen) verfehlt. Dabei seien die Emissionen im Gebäudesektor zwar um 6,3 Millionen Tonnen gesunken, dies sei aber in erster Linie auf die milden Temperaturen und auf ein möglicherweise nur temporär verändertes Heizverhalten zurückzuführen, so Henning. Keinerlei Trendwende sei im Verkehrssektor erkennbar, in dem die Emissionen sogar um 1,1 Millionen Tonnen zugenommen hätten.

Noch unklar ist, ob die Energiewirtschaft die Zielvorgabe von maximal 257 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente erreicht. Nach Berechnung des Expertenrats liegen die Emissionen des Sektors für 2022 bei 255,9 Millionen Tonnen. Endgültige Zahlen für alle Sektoren liegen aber voraussichtlich erst zu Beginn des Jahres 2024 vor.

Die Sektoren Industrie (164,2 Millionen; Zielwert 176,9 Millionen), Landwirtschaft (61,  Millionen;Zielwert 67,6 Millionen) und Abfallwirtschaft (4,3 Millionen; Zielwert 8,5 Millionen) erreichten den Berechnungen zufolge zwar ihre Zielvorgaben. Insgesamt sei man aber “in keinem Sektor auf einem guten Weg”, so die stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats, Dr. Brigitte Knopf. Schreibe man die Entwicklungen aus den Jahren 2019 bis 2022 fort, so Henning, müsse man für das Jahr 2030 mit Emissionen von rund 630 Millionen Tonnen rechnen. Damit würde Deutschland das Ziel von maximal 440 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten in 2030 deutlich verfehlen.

Skepsis angesichts der Ampel-Pläne

Skeptisch sieht der Expertenrat angesichts dieser Entwicklungen die jüngsten Beschlüsse des Koalitionsausschusses zur Reform des Klimaschutzgesetzes. Unter anderem plädiere der Expertenrat dafür, so Henning, den Budgetgedanken mit jahresscharfen Zielen beizubehalten, und nicht nur ausgewählte Zieljahre zu betrachten. Auch die Ausgestaltung des Steuerungskriteriums bei Nichteinhaltung der Ziele biete den bisher bekannt gewordenen Plänen zufolge noch „eine Vielzahl von Möglichkeiten“, deren Implikationen man genau prüfen solle. Die vorliegenden Pläne bürgen eine „erhöhte Gefahr zur Verfehlung der Klimaziele“. Genaueres könne man allerdings erst sagen, wenn tatsächlich ein konkreter Gesetzentwurf vorliege.

Bislang müssen die Ministerien der Sektoren, in denen die Ziele nicht erreicht werden, ein Sofortprogramm vorlegen. Die entsprechenden Programme des Gebäude- und Verkehrssektors aus dem Jahr 2022 hat der Expertenrat allerdings ebenfalls geprüft und ist zum Ergebnis gekommen, dass beide nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.

Der Expertenrat prüft und bewertet in seinem jährlich erscheinenden Prüfbericht gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz die Daten des Umweltbundesamtes. „Das Klimaschutzgesetz ist eine Selbstverpflichtung der Politik”, fasste Brigitte Knopf zusammen, „und unsere Aufgabe ist es, die Einhaltung dieser Selbstverpflichtung zu kontrolieren”. Die momentane Situation aber könne man vergleichen mit einem Menschen, der sich zu Anfang des Jahres vorgenommen habe, fitter zu werden und dafür dienstags joggen, donnerstags schwimmen und am Wochenende laufen zu gehen. „Und jetzt sagt die Regierung im April einfach nur: Ich will fitter werden bis Ende des Jahres. Da ist die Frage, inwieweit das glaubwürdig ist und wie weit man damit kommt.“

Montag, 17.04.2023, 14:24 Uhr
Katia Meyer-Tien

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