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Energie & Management > Gas - Europa wendet sich von Russland ab
Quelle: Shutterstock / Michal Bednarek
Gas

Europa wendet sich von Russland ab

In Kombination mit anderen Energiequellen kann die EU auf russisches Gas verzichten. Als Alternative steht Gas aus Norwegen, Aserbaidschan und Nordafrika mit mehr LNG-Importen bereit.
James Henderson vom Oxford Institute for Energy Studies machte im Februar gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti deutlich: "Es muss nicht russisches Gas sein. Offenbar wird mehr LNG importiert, aber wenn die Pläne der EU zur Reduzierung der Nachfrage bis Ende des Jahrzehnts erfüllt werden, dann könnte das ausreichen, um die gesamte Nachfrage mittels Pipeline-Lieferungen von Norwegen, Aserbaidschan und Nordafrika zu decken". Daher könne die EU in Kombination mit diesen Lieferquellen und mehr erneuerbaren Energien die russischen Gasimporte auf null reduzieren.

Ist Deutschland infolge der Sprengungen an den Nord-Stream-Gasleitungen und den beiderseitigen Sanktionen auf die Jamal-Europa-Pipeline vom russischen Pipelinenetz komplett getrennt, bezieht Italien weiter Gas aus Russland über die Ukraine und Österreich. Doch damit soll bis Anfang 2024 Schluss sein. Das verkündete der Adolfo Urso italienischen Medien zufolge. Der Minister für Unternehmen von Made in Italy, dem sogenannten italienischen Wirtschaftsministerium, sagte: "Im Laufe dieses Jahres werden wir uns von Russland befreien." Im vergangenen Jahr ließen sich russische Gasbezüge von 40 Prozent auf 16 Prozent senken. Ab Anfang nächsten Jahres könne Italien andere Länder mit Gas versorgen und dank der Verdopplung von Gaslieferungen aus Aserbaidschan über die Transadria-Gasleitung Tap zu einem Gashub für Europa werden.

Bis zum Sommer sollen die LNG-Terminals in Piombino und Ravenna in Betrieb gehen, um die 10 Milliarden Kubikmeter Gas, die im vergangenen Jahr aus Russland kamen, zu ersetzen. Das meiste Gas kommt aktuell aus Algerien. Damit hat Italien konsequent die Abkehr vom russischen Gas umgesetzt. Immerhin gehörte Italien wie Deutschland zu den größten Gaskunden Russlands.
 
 
Russland rechnet die Lage durch

Russische Experten und Russlands Vizepremier Alexander Nowak rechnen durch, wie es mit den Gasexporten bestellt ist. Wie gravierend der Exportausfall nach Europa ausfällt, erklärte laut russischen Medien Sergej Kolobanow, stellvertretender Direktor von der Expertengruppe des Brennstoff-Energiekomplexes am Zentrum für strategische Entwicklung, Mitte Februar in seiner Darstellung zu Pipeline-Lieferungen nach Europa. Demnach seien im vergangenen Jahr die Gaslieferungen per Pipeline aus Russland allein in die Europäische Union um mehr als die Hälfte zurückgegangen, das heißt um 54,7 Prozent, von 151,5 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2021 auf 68,6 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2022.

Dass in diesem Jahr Pipeline-Gas nur noch über die Ukraine und die Gasleitung Turkish Stream nach Europa gelangt, sorgt für einen weiteren Einbruch auf rund 30 Milliarden Kubikmetern. Nowaks Rechnung zum Gasexport nimmt sich in seinem Autorenbeitrag im russischen Fachmagazin Energy Policy, wie es um den Gassektor im Land bestellt ist, weniger dramatisch aus. "Die Exporte sanken um 25,1 Prozent auf 184,4 Milliarden Kubikmeter.

Dies hat laut Nowak objektive Gründe: die Weigerung der europäischen Länder, russisches Gas zu kaufen, sowie Sabotage an den Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2, so Nowak. Im Unterschied zu Kolobanow zieht er die kompletten Gasexporte als Rechnungsgrundlage heran und preist die gestiegenen Lieferungen über die Gaspipeline Kraft Sibiriens nach China auf 15,4 Milliarden Kubikmeter und erhöhte LNG-Transporte mit ein. Des Weiteren zählen zu den Exporten auch die, die ins sogenannte nahe Ausland, in ehemalige Sowjetrepubliken gehen.

Auch Aserbaidschan bezieht wieder Gas aus Russland. Im vergangenen November einigten sich Gazprom und Aserbaidschans Öl- und Gasgesellschaft Socar, dass bis März bis zu einer 1 Milliarde Kubikmeter Gas aus Russland nach Aserbaidschan geliefert werden sollen. "Besonderen Wert legen wir auf die Entwicklung der LNG-Produktion“, unterstrich Nowak. Die LNG-Exporte seien 2022 um 7,9 Prozent gestiegen und erreichten 45,7 Milliarden Kubikmeter.

Flüssigerdgas werde in Zukunft aufgrund der Mobilität immer mehr nachgefragt. "Die wirtschaftliche Leistung russischer LNG-Projekte ist aufgrund niedriger Produktionskosten und niedriger Logistikkosten im asiatisch-pazifischen Raum weltweit mit am wettbewerbsfähigsten. Darüber hinaus hat die russische LNG-Produktion einen relativ geringen CO2-Fußabdruck. Daher bleibt die Umsetzung aller geplanten LNG-Projekte trotz externer Zwänge eine Priorität", fasst Nowak zusammen. Mehr Schiffstransporte nach Europa gehören dazu, um verlorenes Terrain wiederzugewinnen. Wie die EU darauf reagiert, ist offen. In Deutschland ist ein Importverbot von russischem LNG inzwischen im Gespräch.

Dienstag, 14.02.2023, 17:00 Uhr
Josephine Bollinger-Kanne
Energie & Management > Gas - Europa wendet sich von Russland ab
Quelle: Shutterstock / Michal Bednarek
Gas
Europa wendet sich von Russland ab
In Kombination mit anderen Energiequellen kann die EU auf russisches Gas verzichten. Als Alternative steht Gas aus Norwegen, Aserbaidschan und Nordafrika mit mehr LNG-Importen bereit.
James Henderson vom Oxford Institute for Energy Studies machte im Februar gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti deutlich: "Es muss nicht russisches Gas sein. Offenbar wird mehr LNG importiert, aber wenn die Pläne der EU zur Reduzierung der Nachfrage bis Ende des Jahrzehnts erfüllt werden, dann könnte das ausreichen, um die gesamte Nachfrage mittels Pipeline-Lieferungen von Norwegen, Aserbaidschan und Nordafrika zu decken". Daher könne die EU in Kombination mit diesen Lieferquellen und mehr erneuerbaren Energien die russischen Gasimporte auf null reduzieren.

Ist Deutschland infolge der Sprengungen an den Nord-Stream-Gasleitungen und den beiderseitigen Sanktionen auf die Jamal-Europa-Pipeline vom russischen Pipelinenetz komplett getrennt, bezieht Italien weiter Gas aus Russland über die Ukraine und Österreich. Doch damit soll bis Anfang 2024 Schluss sein. Das verkündete der Adolfo Urso italienischen Medien zufolge. Der Minister für Unternehmen von Made in Italy, dem sogenannten italienischen Wirtschaftsministerium, sagte: "Im Laufe dieses Jahres werden wir uns von Russland befreien." Im vergangenen Jahr ließen sich russische Gasbezüge von 40 Prozent auf 16 Prozent senken. Ab Anfang nächsten Jahres könne Italien andere Länder mit Gas versorgen und dank der Verdopplung von Gaslieferungen aus Aserbaidschan über die Transadria-Gasleitung Tap zu einem Gashub für Europa werden.

Bis zum Sommer sollen die LNG-Terminals in Piombino und Ravenna in Betrieb gehen, um die 10 Milliarden Kubikmeter Gas, die im vergangenen Jahr aus Russland kamen, zu ersetzen. Das meiste Gas kommt aktuell aus Algerien. Damit hat Italien konsequent die Abkehr vom russischen Gas umgesetzt. Immerhin gehörte Italien wie Deutschland zu den größten Gaskunden Russlands.
 
 
Russland rechnet die Lage durch

Russische Experten und Russlands Vizepremier Alexander Nowak rechnen durch, wie es mit den Gasexporten bestellt ist. Wie gravierend der Exportausfall nach Europa ausfällt, erklärte laut russischen Medien Sergej Kolobanow, stellvertretender Direktor von der Expertengruppe des Brennstoff-Energiekomplexes am Zentrum für strategische Entwicklung, Mitte Februar in seiner Darstellung zu Pipeline-Lieferungen nach Europa. Demnach seien im vergangenen Jahr die Gaslieferungen per Pipeline aus Russland allein in die Europäische Union um mehr als die Hälfte zurückgegangen, das heißt um 54,7 Prozent, von 151,5 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2021 auf 68,6 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2022.

Dass in diesem Jahr Pipeline-Gas nur noch über die Ukraine und die Gasleitung Turkish Stream nach Europa gelangt, sorgt für einen weiteren Einbruch auf rund 30 Milliarden Kubikmetern. Nowaks Rechnung zum Gasexport nimmt sich in seinem Autorenbeitrag im russischen Fachmagazin Energy Policy, wie es um den Gassektor im Land bestellt ist, weniger dramatisch aus. "Die Exporte sanken um 25,1 Prozent auf 184,4 Milliarden Kubikmeter.

Dies hat laut Nowak objektive Gründe: die Weigerung der europäischen Länder, russisches Gas zu kaufen, sowie Sabotage an den Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2, so Nowak. Im Unterschied zu Kolobanow zieht er die kompletten Gasexporte als Rechnungsgrundlage heran und preist die gestiegenen Lieferungen über die Gaspipeline Kraft Sibiriens nach China auf 15,4 Milliarden Kubikmeter und erhöhte LNG-Transporte mit ein. Des Weiteren zählen zu den Exporten auch die, die ins sogenannte nahe Ausland, in ehemalige Sowjetrepubliken gehen.

Auch Aserbaidschan bezieht wieder Gas aus Russland. Im vergangenen November einigten sich Gazprom und Aserbaidschans Öl- und Gasgesellschaft Socar, dass bis März bis zu einer 1 Milliarde Kubikmeter Gas aus Russland nach Aserbaidschan geliefert werden sollen. "Besonderen Wert legen wir auf die Entwicklung der LNG-Produktion“, unterstrich Nowak. Die LNG-Exporte seien 2022 um 7,9 Prozent gestiegen und erreichten 45,7 Milliarden Kubikmeter.

Flüssigerdgas werde in Zukunft aufgrund der Mobilität immer mehr nachgefragt. "Die wirtschaftliche Leistung russischer LNG-Projekte ist aufgrund niedriger Produktionskosten und niedriger Logistikkosten im asiatisch-pazifischen Raum weltweit mit am wettbewerbsfähigsten. Darüber hinaus hat die russische LNG-Produktion einen relativ geringen CO2-Fußabdruck. Daher bleibt die Umsetzung aller geplanten LNG-Projekte trotz externer Zwänge eine Priorität", fasst Nowak zusammen. Mehr Schiffstransporte nach Europa gehören dazu, um verlorenes Terrain wiederzugewinnen. Wie die EU darauf reagiert, ist offen. In Deutschland ist ein Importverbot von russischem LNG inzwischen im Gespräch.

Dienstag, 14.02.2023, 17:00 Uhr
Josephine Bollinger-Kanne

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