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Energie & Management > Studien - Gaslobby steckt über 40 Millionen Euro in Überzeugungsarbeit
Quelle: Shutterstock
Studien

Gaslobby steckt über 40 Millionen Euro in Überzeugungsarbeit

Die Gaskrise ist mit Lieferengpass, Preisexplosion und Abschreibungen in Millionenhöhe ein Fiasko für die Energiewirtschaft. Entsprechend harsch fällt nun Kritik an der Gaslobby aus.
Das Lobbyregister des Deutschen Bundestages erzählt viele Geschichten. Man kann sie lesen als Geschichten von legitimer Interessenvertretung, von Unterstützung der Politik oder von schädlicher Einflussnahme. Der für mehr Transparenz in der Demokratie arbeitende Verein Lobbycontrol hat sich nach einer ersten Auswertung des Registers in Bezug auf die Gaslobby festgelegt.

Lobbycontrol nahm die inzwischen gesetzlich verankerte Pflicht von Verbänden und Unternehmen, sich mit detaillierten Auskünften über Art und Umfang ihrer Lobbyarbeit eintragen zu müssen, zum Anlass für eine Analyse der Gasindustrie. Demnach gaben Firmen und Konzerne, die im Gasgeschäft tätig sind, im Jahr 2021 über 40 Millionen Euro für die Durchsetzung ihrer Interessen aus. Mehr als 400 Menschen sind im Register als zuständig für diese Lobbyarbeit gelistet.

Lobbycontrol spricht angesichts der „großen Geldsummen“ und der „Unzahl“ an Mitarbeitenden von einer „schädlichen Lobbymacht“. Nicht ganz überraschend spielt für das Urteil des Vereins eine Rolle, dass auch die hochgradige, politisch und unternehmerisch gewollte Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine zu den wirtschaftlichen Verwerfungen geführt hat. Auch dazu liefert der jetzt vorliegende Bericht von Lobbycontrol Hintergründe, indem er die politisch-wirtschaftlichen Verflechtungen etwa bei Gazprom und den Strukturen bei der Ostsee-Pipeline Nordstream 2 detailliert nachzeichnet.

Eon mit den höchsten Ausgaben unter den Energiekonzernen

Das Ranking der Unternehmen, die auch mit Gas Geld verdienen, führt gemäß Auswertung Eon an. Die Essener haben 2021 laut eigenem Eintrag mit 13 Beschäftigten gut 3 Millionen Euro für Lobbyarbeit ausgegeben. Auf den nächsten Plätzen folgen Uniper, inzwischen verstaatlicht, mit rund 3 Millionen Euro bei 13 Mitarbeitenden und RWE mit gut 2,2 Millionen Euro (28).
 
 
Für eine Feinanalyse reichen die Registereinträge freilich nicht aus. Es ist also offen, auf welche Gesetzgebung welches Unternehmen wie viel Engagement verwendet hat. Auch fehlt in der Auflistung das im deutschen Gasmarkt des Jahres 2021 so dominante russische Unternehmen Gazprom.

Weitere Auswertungen zeigen indes, dass die Energiekonzerne auch bei den Gesamtausgaben aller im Register auftauchenden Wirtschaftsunternehmen vordere Plätze einnehmen: Eon den siebten, Uniper den zehnten und RWE den 20. Rang. Große Gasabnehmer wie BASF (3.) und Anlagenbauer wie Siemens (9.) sind ebenfalls nicht knauserig.

Zur Durchsetzung seiner Mitgliederinteressen griff übrigens der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) am tiefsten in die Tasche: mit mehr als 15 Millionen Euro.

Stadtwerke können „wichtige Gegenspieler“ sein

Um Fehlentwicklungen im Energiesektor künftig zu verhindern, präsentiert Lobbycontrol eine harsche Forderung: „Die Politik muss die Lobby-Pipelines der Gasindustrie dringend zudrehen.“ Dem Verein stößt es auf, dass die „Erzählung“ der Gasindustrie noch immer verfange, Erdgas sei eine für den Umbau des Energiesystems erforderliche Brückentechnologie. „Das setzt sich aktuell beim Aufbau der LNG-Infrastruktur fort“, begleitet vom Erschließen neuer Gasquellen und dem Abschluss langfristiger Lieferverträge, heißt es in der Analyse.

In die Kritik schließt Lobbycontrol auch die bundeseigene Deutsche Energie-Agentur (Dena) ein: Sie fungiere als „Lobbykanal für die Gaswirtschaft“ ins Bundeswirtschaftsministerium (BMWK). Die Dena habe mit ihrer Arbeit die Gasstrategie Berlins entscheidend beeinflusst, zu wichtigen Foren und Gremien aber einseitig die Wirtschaft geladen und kaum Umwelt- oder Verbraucherschutzverbände.
 
Lobby-Kosten von Energieunternehmen mit Gasgeschäft 2021
UnternehmenAusgaben (in Mio. Euro, Obergrenze)Lobbyisten
1. Eon3,0513
2. Uniper2,9213
3. RWE2,2328
4. EnBW2,2210
5. Wintershall DEA1,878
6. Shell (inkl. Holding)1,3811
7. Thüga1,046
8. Vattenfall1,011
9. Stadtwerke München0,9545
10. Exxon Mobil0,625

Quelle: Lobbyregister des Bundestags, eigene Auswertung

Insofern richtet Lobbycontrol seine Hoffnung auf eine Änderung der Lage, formuliert in neun Thesen, auch auf die Stadtwerke. Sie könnten als kommunale Unternehmen wichtige Gegenspieler der großen Energie- und Gaskonzerne sein. Die Bürgerinnen und Bürger hätten über ihre Versorger die Möglichkeit, Einfluss auf die lokale Energiepolitik zu nehmen. Beispielhaft stünde dafür die vielfach erfolgte Rekommunalisierung der Strom- und Gasversorgung, also mehr Unabhängigkeit von den großen Konzernen.

Ob die Stadtwerke München (SWM) sich angesprochen fühlen, ist nicht überliefert. Der Versorger ist mit knapp 1 Million Euro Lobby-Ausgaben auf Rang neun vermerkt.

Die Lobbycontrol-Studie „Pipelines in die Politik. Die Macht der Gaslobby in Deutschland“ steht als PDF zum Herunterladen im Netz zur Verfügung.

Donnerstag, 16.02.2023, 14:58 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Studien - Gaslobby steckt über 40 Millionen Euro in Überzeugungsarbeit
Quelle: Shutterstock
Studien
Gaslobby steckt über 40 Millionen Euro in Überzeugungsarbeit
Die Gaskrise ist mit Lieferengpass, Preisexplosion und Abschreibungen in Millionenhöhe ein Fiasko für die Energiewirtschaft. Entsprechend harsch fällt nun Kritik an der Gaslobby aus.
Das Lobbyregister des Deutschen Bundestages erzählt viele Geschichten. Man kann sie lesen als Geschichten von legitimer Interessenvertretung, von Unterstützung der Politik oder von schädlicher Einflussnahme. Der für mehr Transparenz in der Demokratie arbeitende Verein Lobbycontrol hat sich nach einer ersten Auswertung des Registers in Bezug auf die Gaslobby festgelegt.

Lobbycontrol nahm die inzwischen gesetzlich verankerte Pflicht von Verbänden und Unternehmen, sich mit detaillierten Auskünften über Art und Umfang ihrer Lobbyarbeit eintragen zu müssen, zum Anlass für eine Analyse der Gasindustrie. Demnach gaben Firmen und Konzerne, die im Gasgeschäft tätig sind, im Jahr 2021 über 40 Millionen Euro für die Durchsetzung ihrer Interessen aus. Mehr als 400 Menschen sind im Register als zuständig für diese Lobbyarbeit gelistet.

Lobbycontrol spricht angesichts der „großen Geldsummen“ und der „Unzahl“ an Mitarbeitenden von einer „schädlichen Lobbymacht“. Nicht ganz überraschend spielt für das Urteil des Vereins eine Rolle, dass auch die hochgradige, politisch und unternehmerisch gewollte Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine zu den wirtschaftlichen Verwerfungen geführt hat. Auch dazu liefert der jetzt vorliegende Bericht von Lobbycontrol Hintergründe, indem er die politisch-wirtschaftlichen Verflechtungen etwa bei Gazprom und den Strukturen bei der Ostsee-Pipeline Nordstream 2 detailliert nachzeichnet.

Eon mit den höchsten Ausgaben unter den Energiekonzernen

Das Ranking der Unternehmen, die auch mit Gas Geld verdienen, führt gemäß Auswertung Eon an. Die Essener haben 2021 laut eigenem Eintrag mit 13 Beschäftigten gut 3 Millionen Euro für Lobbyarbeit ausgegeben. Auf den nächsten Plätzen folgen Uniper, inzwischen verstaatlicht, mit rund 3 Millionen Euro bei 13 Mitarbeitenden und RWE mit gut 2,2 Millionen Euro (28).
 
 
Für eine Feinanalyse reichen die Registereinträge freilich nicht aus. Es ist also offen, auf welche Gesetzgebung welches Unternehmen wie viel Engagement verwendet hat. Auch fehlt in der Auflistung das im deutschen Gasmarkt des Jahres 2021 so dominante russische Unternehmen Gazprom.

Weitere Auswertungen zeigen indes, dass die Energiekonzerne auch bei den Gesamtausgaben aller im Register auftauchenden Wirtschaftsunternehmen vordere Plätze einnehmen: Eon den siebten, Uniper den zehnten und RWE den 20. Rang. Große Gasabnehmer wie BASF (3.) und Anlagenbauer wie Siemens (9.) sind ebenfalls nicht knauserig.

Zur Durchsetzung seiner Mitgliederinteressen griff übrigens der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) am tiefsten in die Tasche: mit mehr als 15 Millionen Euro.

Stadtwerke können „wichtige Gegenspieler“ sein

Um Fehlentwicklungen im Energiesektor künftig zu verhindern, präsentiert Lobbycontrol eine harsche Forderung: „Die Politik muss die Lobby-Pipelines der Gasindustrie dringend zudrehen.“ Dem Verein stößt es auf, dass die „Erzählung“ der Gasindustrie noch immer verfange, Erdgas sei eine für den Umbau des Energiesystems erforderliche Brückentechnologie. „Das setzt sich aktuell beim Aufbau der LNG-Infrastruktur fort“, begleitet vom Erschließen neuer Gasquellen und dem Abschluss langfristiger Lieferverträge, heißt es in der Analyse.

In die Kritik schließt Lobbycontrol auch die bundeseigene Deutsche Energie-Agentur (Dena) ein: Sie fungiere als „Lobbykanal für die Gaswirtschaft“ ins Bundeswirtschaftsministerium (BMWK). Die Dena habe mit ihrer Arbeit die Gasstrategie Berlins entscheidend beeinflusst, zu wichtigen Foren und Gremien aber einseitig die Wirtschaft geladen und kaum Umwelt- oder Verbraucherschutzverbände.
 
Lobby-Kosten von Energieunternehmen mit Gasgeschäft 2021
UnternehmenAusgaben (in Mio. Euro, Obergrenze)Lobbyisten
1. Eon3,0513
2. Uniper2,9213
3. RWE2,2328
4. EnBW2,2210
5. Wintershall DEA1,878
6. Shell (inkl. Holding)1,3811
7. Thüga1,046
8. Vattenfall1,011
9. Stadtwerke München0,9545
10. Exxon Mobil0,625

Quelle: Lobbyregister des Bundestags, eigene Auswertung

Insofern richtet Lobbycontrol seine Hoffnung auf eine Änderung der Lage, formuliert in neun Thesen, auch auf die Stadtwerke. Sie könnten als kommunale Unternehmen wichtige Gegenspieler der großen Energie- und Gaskonzerne sein. Die Bürgerinnen und Bürger hätten über ihre Versorger die Möglichkeit, Einfluss auf die lokale Energiepolitik zu nehmen. Beispielhaft stünde dafür die vielfach erfolgte Rekommunalisierung der Strom- und Gasversorgung, also mehr Unabhängigkeit von den großen Konzernen.

Ob die Stadtwerke München (SWM) sich angesprochen fühlen, ist nicht überliefert. Der Versorger ist mit knapp 1 Million Euro Lobby-Ausgaben auf Rang neun vermerkt.

Die Lobbycontrol-Studie „Pipelines in die Politik. Die Macht der Gaslobby in Deutschland“ steht als PDF zum Herunterladen im Netz zur Verfügung.

Donnerstag, 16.02.2023, 14:58 Uhr
Volker Stephan

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