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Energie & Management > Politik - Energiepreisbremsen-Gelder für 2023 nicht betroffen
Quelle: Fotolia / Tom-Hanisch
Politik

Energiepreisbremsen-Gelder für 2023 nicht betroffen

An Antworten auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts haben sich Wirtschaftswissenschaftler und Juristen in einer Anhörung versucht. Auch die Energiepreisbremsen sind Thema.
Infolge des Karlsruher Haushaltsurteils hat das Finanzministerium auch einen Stopp im Wirtschaftsstabilisierungsfonds für die Energiepreisbremsen verhängt. Alle weiteren Ausgaben für das laufende Jahr würden gesperrt, hieß es am 21. November aus Ministeriumskreisen. Ausgaben könnten nur nach Einwilligung des Finanzministeriums getätigt werden. Aber: „Die Auszahlung der Energiepreisbremsen im Jahr 2023 ist nicht betroffen“, hieß es. Die bis Ende des Jahres nötigen Mittel dafür seien bereits an die Lieferanten geflossen. 

In einer Anhörung von Sachverständigen im Haushaltsausschuss war deutlich geworden, dass auch der Energiepreisbremsen-Fonds wohl vom Karlsruher Urteil betroffen ist. Er sei 2022 nach ähnlichen Prinzipien befüllt worden wie der Klima- und Transformationsfonds, erklärten die Experten. Man habe in der Energie-Notlage aufgenommene Kredite über 200 Milliarden Euro in den Fonds verschoben, die aber nur zu einem Bruchteil noch im gleichen Jahr genutzt würden. Den Großteil habe man in 2023 und 2024 nutzen wollen.

Vom Bundestag zurate gezogene Experten sehen nach dem Karlsruher Haushaltsurteil weitreichende Folgen auch für andere Rücklagen im Bundeshaushalt. Es sei davon auszugehen, dass auch das Sondervermögen für die Energiepreisbremsen betroffen sei, sagten mehrere Sachverständige am 21. November in einer Anhörung des Haushaltsausschusses. Denn dieses sei 2022 in der Energie-Notlage mit Krediten gefüttert worden, die aber nicht im gleichen Jahr, sondern später genutzt würden. Genau ein solches Vorgehen habe das Bundesverfassungsgericht kritisiert. Damit habe der Bund im laufenden Jahr bereits Geld ausgegeben, das ihm gar nicht zur Verfügung stand. 

Das Verfassungsgericht hatte die Umwidmung von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Das Geld war als Corona-Kredit bewilligt worden, sollte aber nachträglich für den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Nun steht es nicht mehr zur Verfügung. Zugleich entschieden die Richter auch, der Staat dürfe sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre auf Vorrat zurücklegen. Stattdessen müsse eine Notlage jedes Jahr neu erklärt werden. 

Das Finanzministerium prüft nun, welche Rücklagen im Bundeshaushalt betroffen sind. Weil man noch nicht weiß, wie man mit dem Milliardenloch umgeht, wurden vorsorglich Finanzzusagen aller Ministerien für kommende Jahre im Haushalt gesperrt. Wie geht es nun weiter mit den Etats für dieses und das kommende Jahr? 

Haushalt 2023 − Kredite nachträglich rechtfertigen? 

Das Hauptproblem in diesem Jahr dürfte der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) mit den Energiepreisbremsen sein. Aus diesem Topf wurden nach Angaben des Wirtschaftsministeriums bis Ende Oktober rund 67 Milliarden Euro an Krediten genutzt. Das ist nach Auffassung der meisten angehörten Sachverständigen Geld, über das die Bundesregierung gar nicht hätte verfügen dürfen. Es seien − wie man jetzt durch das Urteil wisse − Ausgaben verfassungswidrig getätigt worden, sagte der von der Union bestellte Rechtswissenschaftler Hanno Kube. 

Dieses Geld jetzt, so kurz vor Jahresende, im regulären Etat noch locker zu machen, scheint ausgeschlossen. In der Ampel-Koalition wird daher erwogen, noch schnell eine Notlage für 2023 zu erklären. Ein solcher Beschluss macht es möglich, eine Ausnahmeregel der Schuldenbremse zu nutzen und die bereits ausgegebenen Kredite nachträglich zu rechtfertigen. Nach Artikel 115 des Grundgesetzes darf der Staat Schulden machen „im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“. 

Ob eine solche Situation vorliegt, ist umstritten. Der von der AfD bestellte Wirtschaftswissenschaftler Dirk Meyer von der Universität der Bundeswehr sieht dafür kaum eine Grundlage. Anders der Jurist Alexander Thiele, den die SPD in den Bundestag lud: Anfang 2023 seien die Auswirkungen der Energiekrise sehr stark spürbar gewesen, argumentierte er. Auch Kube hält einen Notlagenbeschluss „nicht von vornherein für ausgeschlossen“.

Die Gefahr bei einem solchen Beschluss wäre eine erneute und womöglich erfolgreiche Klage in Karlsruhe. Die Ampel-Koalition könnte versuchen, sich mit der Opposition soweit auf Details zu einigen, dass diese nicht klagt. Doch selbst wenn das klappen sollte, könnte immer noch jede Privatperson vor das Verfassungsgericht ziehen. 

Der Ökonom und Berater von Finanzminister Christian Lindner (FDP), Lars Feld, argumentierte: „Hätte der Bund Ende 2022 bei Verabschiedung der Gas- und Strompreisbremsen von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Kenntnis gehabt, hätte er für dieses Jahr die Notlage bemühen müssen, und zwar bezogen auf die Energiekrise, und dies damit auch begründen können.“ 
 

Haushalt 2024 − jetzt beschließen oder nicht? 

Eigentlich wollte der Haushaltsausschuss den Etat für das kommende Jahr an diesem Donnerstag billigen, im Bundestag sollte er am 1. Dezember beschlossen werden. Ob das haltbar ist, ist umstritten. Die Ökonomen plädierten im Ausschuss dafür, mehrere Juristen halten es aber für verfassungsrechtlich schwierig. Denn es sei noch überhaupt nicht entschieden, ob Ausgaben aus den Sondervermögen nun in den Kernhaushalt überführt werden sollten, sagte Kube.

Dienstag, 21.11.2023, 17:20 Uhr
dpa
Energie & Management > Politik - Energiepreisbremsen-Gelder für 2023 nicht betroffen
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Energiepreisbremsen-Gelder für 2023 nicht betroffen
An Antworten auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts haben sich Wirtschaftswissenschaftler und Juristen in einer Anhörung versucht. Auch die Energiepreisbremsen sind Thema.
Infolge des Karlsruher Haushaltsurteils hat das Finanzministerium auch einen Stopp im Wirtschaftsstabilisierungsfonds für die Energiepreisbremsen verhängt. Alle weiteren Ausgaben für das laufende Jahr würden gesperrt, hieß es am 21. November aus Ministeriumskreisen. Ausgaben könnten nur nach Einwilligung des Finanzministeriums getätigt werden. Aber: „Die Auszahlung der Energiepreisbremsen im Jahr 2023 ist nicht betroffen“, hieß es. Die bis Ende des Jahres nötigen Mittel dafür seien bereits an die Lieferanten geflossen. 

In einer Anhörung von Sachverständigen im Haushaltsausschuss war deutlich geworden, dass auch der Energiepreisbremsen-Fonds wohl vom Karlsruher Urteil betroffen ist. Er sei 2022 nach ähnlichen Prinzipien befüllt worden wie der Klima- und Transformationsfonds, erklärten die Experten. Man habe in der Energie-Notlage aufgenommene Kredite über 200 Milliarden Euro in den Fonds verschoben, die aber nur zu einem Bruchteil noch im gleichen Jahr genutzt würden. Den Großteil habe man in 2023 und 2024 nutzen wollen.

Vom Bundestag zurate gezogene Experten sehen nach dem Karlsruher Haushaltsurteil weitreichende Folgen auch für andere Rücklagen im Bundeshaushalt. Es sei davon auszugehen, dass auch das Sondervermögen für die Energiepreisbremsen betroffen sei, sagten mehrere Sachverständige am 21. November in einer Anhörung des Haushaltsausschusses. Denn dieses sei 2022 in der Energie-Notlage mit Krediten gefüttert worden, die aber nicht im gleichen Jahr, sondern später genutzt würden. Genau ein solches Vorgehen habe das Bundesverfassungsgericht kritisiert. Damit habe der Bund im laufenden Jahr bereits Geld ausgegeben, das ihm gar nicht zur Verfügung stand. 

Das Verfassungsgericht hatte die Umwidmung von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Das Geld war als Corona-Kredit bewilligt worden, sollte aber nachträglich für den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Nun steht es nicht mehr zur Verfügung. Zugleich entschieden die Richter auch, der Staat dürfe sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre auf Vorrat zurücklegen. Stattdessen müsse eine Notlage jedes Jahr neu erklärt werden. 

Das Finanzministerium prüft nun, welche Rücklagen im Bundeshaushalt betroffen sind. Weil man noch nicht weiß, wie man mit dem Milliardenloch umgeht, wurden vorsorglich Finanzzusagen aller Ministerien für kommende Jahre im Haushalt gesperrt. Wie geht es nun weiter mit den Etats für dieses und das kommende Jahr? 

Haushalt 2023 − Kredite nachträglich rechtfertigen? 

Das Hauptproblem in diesem Jahr dürfte der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) mit den Energiepreisbremsen sein. Aus diesem Topf wurden nach Angaben des Wirtschaftsministeriums bis Ende Oktober rund 67 Milliarden Euro an Krediten genutzt. Das ist nach Auffassung der meisten angehörten Sachverständigen Geld, über das die Bundesregierung gar nicht hätte verfügen dürfen. Es seien − wie man jetzt durch das Urteil wisse − Ausgaben verfassungswidrig getätigt worden, sagte der von der Union bestellte Rechtswissenschaftler Hanno Kube. 

Dieses Geld jetzt, so kurz vor Jahresende, im regulären Etat noch locker zu machen, scheint ausgeschlossen. In der Ampel-Koalition wird daher erwogen, noch schnell eine Notlage für 2023 zu erklären. Ein solcher Beschluss macht es möglich, eine Ausnahmeregel der Schuldenbremse zu nutzen und die bereits ausgegebenen Kredite nachträglich zu rechtfertigen. Nach Artikel 115 des Grundgesetzes darf der Staat Schulden machen „im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“. 

Ob eine solche Situation vorliegt, ist umstritten. Der von der AfD bestellte Wirtschaftswissenschaftler Dirk Meyer von der Universität der Bundeswehr sieht dafür kaum eine Grundlage. Anders der Jurist Alexander Thiele, den die SPD in den Bundestag lud: Anfang 2023 seien die Auswirkungen der Energiekrise sehr stark spürbar gewesen, argumentierte er. Auch Kube hält einen Notlagenbeschluss „nicht von vornherein für ausgeschlossen“.

Die Gefahr bei einem solchen Beschluss wäre eine erneute und womöglich erfolgreiche Klage in Karlsruhe. Die Ampel-Koalition könnte versuchen, sich mit der Opposition soweit auf Details zu einigen, dass diese nicht klagt. Doch selbst wenn das klappen sollte, könnte immer noch jede Privatperson vor das Verfassungsgericht ziehen. 

Der Ökonom und Berater von Finanzminister Christian Lindner (FDP), Lars Feld, argumentierte: „Hätte der Bund Ende 2022 bei Verabschiedung der Gas- und Strompreisbremsen von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Kenntnis gehabt, hätte er für dieses Jahr die Notlage bemühen müssen, und zwar bezogen auf die Energiekrise, und dies damit auch begründen können.“ 
 

Haushalt 2024 − jetzt beschließen oder nicht? 

Eigentlich wollte der Haushaltsausschuss den Etat für das kommende Jahr an diesem Donnerstag billigen, im Bundestag sollte er am 1. Dezember beschlossen werden. Ob das haltbar ist, ist umstritten. Die Ökonomen plädierten im Ausschuss dafür, mehrere Juristen halten es aber für verfassungsrechtlich schwierig. Denn es sei noch überhaupt nicht entschieden, ob Ausgaben aus den Sondervermögen nun in den Kernhaushalt überführt werden sollten, sagte Kube.

Dienstag, 21.11.2023, 17:20 Uhr
dpa

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