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Energie & Management > Wasserstoff -
Quelle: Shutterstock / Audio und werbung
Wasserstoff

"Ein vorzeitiger Ausschluss von Wasserstoff wäre falsch"

Wie weit gestreut der Einsatz des künftigen Wasserstoffs ausfallen soll, ist umstritten. Als gesetzt gilt er in der energieintensiven Industrie. Auch die Glasindustrie zählt sich dazu.
Die Abhängigkeit von Gas ist groß in der Glasindustrie, wie Johann Overath, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Glasindustrie, auf einer digitalen Wasserstoffveranstaltung der Initiative Zukunft Gas am 9. Februar zu berichten wusste. Seine Folien zeigten einen Gesamtendenergieverbrauch der Glasindustrie im Jahr 2021 in Höhe von 20 Milliarden kWh. Der Großteil davon nahm der Brennstoffverbrauch ein.

"Wir haben einen Anteil von gut 77 Prozent an Erdgas an unserem Endenergieverbrauch, knapp 20 Prozent Strom und nur ganz wenig ist noch Heizöl im Einsatz", erklärte Overath. Daher sei generell die Versorgungssicherheit mit Gas − bislang fossiles Gas, künftig grünes Gas − ein "ganz großes Thema in der Glasindustrie". Auch, weil die Glaswannen, die zum Herstellen der Glasschmelze verwendet werden, rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr und über einen Zeitraum von 15 Jahren ohne Unterbrechung betrieben werden.

Die Folge für Maßnahmen zur Energieeffizienzsteigerung und Dekarbonisierung der Prozesse: Sie lassen sich nur zwischen zwei Wannenlaufzeiten, also in 15-Jahreszyklen durchführen. 

Größter Energiebedarf im Schmelzprozess

Zum Hintergrund: Die Glasindustrie in Deutschland ist mit einer Produktion von 7,8 Millionen Tonnen Glas pro Jahr (der Wert stammt aus dem Jahr 2021) und damit 20 Prozent des gesamten Bedarfes in Europa der größte Glaslieferant innerhalb der europäischen Grenzen. Der größte Anteil des Energiebedarfs und der CO2-Emissionen entsteht im Schmelzprozess. Um Spezialgläser für Displays oder Mikrochips und Glasfaser für Rotorblätter von Windkraftanlagen herzustellen, brauchen die Schmelzwannen in der Regel Temperaturen von bis zu 1.650 Grad Celsius. Bisher werden die Wannen insbesondere mit Erdgas und zum Teil auch mit Strom beheizt. 

Aus der Not des hohen Energieverbrauchs hat die Glasindustrie, wie Overath bei der Online-Webinar von Zukunft Gas weiter ausführte, eine Tugend gemacht: "Wir machen uns schon sehr lange darüber Gedanken, wie wir den Verbrauch reduzieren können", so Overath. In den vergangenen 70, 80 Jahren konnte der Verbrauch auch durch die Nutzung der Abwärme so weit reduziert werden, dass die Glasproduktion praktisch an dem technisch thermodynamischen Minimum angekommen sei. "Das heißt, wenn wir heute dekarbonisieren wollen − und das wollen wir − müssen wir andere Wege gehen, etwa über erneuerbare Energien", bekräftigte Overath den Dekarbonisierungswillen der Glasindustrie.

Zwei Dekarbonisierungsstrategien

Overath hob hervor, dass sich nicht alle Glasarten elektrisch erschmelzen lassen, sodass eine Dekarbonisierung über eine vollständige Elektrifizierung ausgeschlossen sei. Auch andere Brennstoffe würden erforderlich sein. Der Branchenverband der zumeist mittelständisch geprägten Glasindustrie setze daher bei der Wärmebereitstellung für den Schmelzvorgang im Wesentlichen auf zwei Dekarbonisierungsstrategien: Neben den vollelektrische Schmelzwannen auch auf Hybridtechnologien, "wo wir erneuerbaren Strom und auch Wasserstoff oder vielleicht auch Biogas einsetzen können", so Overath. Bis 2045 − dem Zieljahr, ab dem die deutsche Glasproduktion klimaneutral werden will − sollen dann zu etwa 25 Prozent rein elektrische Glaswannen und zu 75 Prozent Hybridwannen in der Glasproduktion im Einsatz sein.
 
Der Einsatz möglicher Technologien für die Glasindustrie im zeitlichen Verlauf
(zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken)
Quelle: Bundesverband Glasindustrie

Durch den Umstieg auf alternative Energieträger lassen sich die energiebedingten Emissionen auf null senken. Allerdings, so Overath weiter, gäbe es noch keine Lösung für die prozessbedingten Emissionen, die direkt aus den verwendeten Rohstoffen resultieren. Hier ist bislang nur das Carbon Capture and Storage-Verfahren (CCS/CCU) verfügbar, bei dem CO2 abgeschieden und gelagert oder weiterverwendet wird.

Overath plädiert bei der Dekarbonisierung der Glasindustrie für Technologieoffenheit. Mit Blick auf die verschiedenen Hybridtechnologien und mögliche Gase sagte er, die Zukunft werde zeigen, was davon zum Einsatz kommen wird. "Wir gehen davon aus, dass es nicht den Königsweg gibt, sondern es wird ein Mix sein. Einen vorzeitiger Ausschluss von Wasserstoff, würden wir für falsch halten."

Den Wasserstoffbedarf in der Glasproduktion sieht der Branchenverband im Jahr 2030 bei rund 5 Petajoule (PJ), was umgerechnet etwa 1,4 Milliarden kWh entspricht. Für 2045 geht der Verband noch einmal von einer Verdrei- bis Vervierfachung aus. 

Freitag, 10.02.2023, 09:42 Uhr
Davina Spohn
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Quelle: Shutterstock / Audio und werbung
Wasserstoff
"Ein vorzeitiger Ausschluss von Wasserstoff wäre falsch"
Wie weit gestreut der Einsatz des künftigen Wasserstoffs ausfallen soll, ist umstritten. Als gesetzt gilt er in der energieintensiven Industrie. Auch die Glasindustrie zählt sich dazu.
Die Abhängigkeit von Gas ist groß in der Glasindustrie, wie Johann Overath, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Glasindustrie, auf einer digitalen Wasserstoffveranstaltung der Initiative Zukunft Gas am 9. Februar zu berichten wusste. Seine Folien zeigten einen Gesamtendenergieverbrauch der Glasindustrie im Jahr 2021 in Höhe von 20 Milliarden kWh. Der Großteil davon nahm der Brennstoffverbrauch ein.

"Wir haben einen Anteil von gut 77 Prozent an Erdgas an unserem Endenergieverbrauch, knapp 20 Prozent Strom und nur ganz wenig ist noch Heizöl im Einsatz", erklärte Overath. Daher sei generell die Versorgungssicherheit mit Gas − bislang fossiles Gas, künftig grünes Gas − ein "ganz großes Thema in der Glasindustrie". Auch, weil die Glaswannen, die zum Herstellen der Glasschmelze verwendet werden, rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr und über einen Zeitraum von 15 Jahren ohne Unterbrechung betrieben werden.

Die Folge für Maßnahmen zur Energieeffizienzsteigerung und Dekarbonisierung der Prozesse: Sie lassen sich nur zwischen zwei Wannenlaufzeiten, also in 15-Jahreszyklen durchführen. 

Größter Energiebedarf im Schmelzprozess

Zum Hintergrund: Die Glasindustrie in Deutschland ist mit einer Produktion von 7,8 Millionen Tonnen Glas pro Jahr (der Wert stammt aus dem Jahr 2021) und damit 20 Prozent des gesamten Bedarfes in Europa der größte Glaslieferant innerhalb der europäischen Grenzen. Der größte Anteil des Energiebedarfs und der CO2-Emissionen entsteht im Schmelzprozess. Um Spezialgläser für Displays oder Mikrochips und Glasfaser für Rotorblätter von Windkraftanlagen herzustellen, brauchen die Schmelzwannen in der Regel Temperaturen von bis zu 1.650 Grad Celsius. Bisher werden die Wannen insbesondere mit Erdgas und zum Teil auch mit Strom beheizt. 

Aus der Not des hohen Energieverbrauchs hat die Glasindustrie, wie Overath bei der Online-Webinar von Zukunft Gas weiter ausführte, eine Tugend gemacht: "Wir machen uns schon sehr lange darüber Gedanken, wie wir den Verbrauch reduzieren können", so Overath. In den vergangenen 70, 80 Jahren konnte der Verbrauch auch durch die Nutzung der Abwärme so weit reduziert werden, dass die Glasproduktion praktisch an dem technisch thermodynamischen Minimum angekommen sei. "Das heißt, wenn wir heute dekarbonisieren wollen − und das wollen wir − müssen wir andere Wege gehen, etwa über erneuerbare Energien", bekräftigte Overath den Dekarbonisierungswillen der Glasindustrie.

Zwei Dekarbonisierungsstrategien

Overath hob hervor, dass sich nicht alle Glasarten elektrisch erschmelzen lassen, sodass eine Dekarbonisierung über eine vollständige Elektrifizierung ausgeschlossen sei. Auch andere Brennstoffe würden erforderlich sein. Der Branchenverband der zumeist mittelständisch geprägten Glasindustrie setze daher bei der Wärmebereitstellung für den Schmelzvorgang im Wesentlichen auf zwei Dekarbonisierungsstrategien: Neben den vollelektrische Schmelzwannen auch auf Hybridtechnologien, "wo wir erneuerbaren Strom und auch Wasserstoff oder vielleicht auch Biogas einsetzen können", so Overath. Bis 2045 − dem Zieljahr, ab dem die deutsche Glasproduktion klimaneutral werden will − sollen dann zu etwa 25 Prozent rein elektrische Glaswannen und zu 75 Prozent Hybridwannen in der Glasproduktion im Einsatz sein.
 
Der Einsatz möglicher Technologien für die Glasindustrie im zeitlichen Verlauf
(zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken)
Quelle: Bundesverband Glasindustrie

Durch den Umstieg auf alternative Energieträger lassen sich die energiebedingten Emissionen auf null senken. Allerdings, so Overath weiter, gäbe es noch keine Lösung für die prozessbedingten Emissionen, die direkt aus den verwendeten Rohstoffen resultieren. Hier ist bislang nur das Carbon Capture and Storage-Verfahren (CCS/CCU) verfügbar, bei dem CO2 abgeschieden und gelagert oder weiterverwendet wird.

Overath plädiert bei der Dekarbonisierung der Glasindustrie für Technologieoffenheit. Mit Blick auf die verschiedenen Hybridtechnologien und mögliche Gase sagte er, die Zukunft werde zeigen, was davon zum Einsatz kommen wird. "Wir gehen davon aus, dass es nicht den Königsweg gibt, sondern es wird ein Mix sein. Einen vorzeitiger Ausschluss von Wasserstoff, würden wir für falsch halten."

Den Wasserstoffbedarf in der Glasproduktion sieht der Branchenverband im Jahr 2030 bei rund 5 Petajoule (PJ), was umgerechnet etwa 1,4 Milliarden kWh entspricht. Für 2045 geht der Verband noch einmal von einer Verdrei- bis Vervierfachung aus. 

Freitag, 10.02.2023, 09:42 Uhr
Davina Spohn

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