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Energie & Management > Wärme - Die Wärmewende wird ein Puzzle aus vielen Bausteinen
Quelle: Fotolia / Torbz
Wärme

Die Wärmewende wird ein Puzzle aus vielen Bausteinen

Wie gelingt die Energiewende im Wärmebereich, besonders wenn nicht mehr genug preiswertes Erdgas aus Russland strömt? Darüber diskutierten auf dem BDEW-Kongress Politiker und Praktiker.
Die Bundesregierung will, dass bis 2040 im Gebäudebereich 65 % weniger Treibhausgase entstehen. Das dient der Erreichung der Klimaschutzziele und in Zeiten des Ukrainekrieges auch der Unabhängigkeit von fossilen Energiequellen aus Russland. Doch das stellt Stadtwerke vor große Herausforderungen, wie auf dem BDEW-Kongress in Berlin diskutiert wurde. Markus Wörz, Leiter Energiepolitik Deutschland der Thüga, erinnerte daran, dass Stadtwerken bis zum vergangenen Jahr noch der Umstieg von Kohle auf Erdgas empfohlen worden war. Die hohen Investitionen in Kraftwerke und Leitungen könnten jetzt nicht einfach abgeschrieben werden.

Laut Wörz ist es nötig, über neue Regeln auch erneuerbare Gase zuzulassen. Investitionen in Wärmeplanung und Gebäudesanierung müssten jetzt schnell mit verlässlichen Förderungen unterstützt werden, um die Ziele der Regierung zu erreichen.

Simon Fahrenholz, Partner bei PWC, brachte die Kundensicht ein. So müsse es für die Abnehmer der Wärme verlässliche Versorgung und Preise geben. Dafür werde es in Zukunft nötig sein, Cluster auf der Lieferantenseite zu bilden.

Rostock vereint Akteure für neue Wärme

In Rostock bemühen sich die dortigen Stadtwerke bereits um einen Plan für die Ablösung fossiler Wärmeenergie, berichtete Vorständin Ute Römer. Geld und Planungskapazitäten sowie Fachkräfte für die Umsetzung seien aber knapp. Für Einfamilienhäuser wäre aus ihrer Sicht eine Kombination aus Dach-Solaranlage und Wärmepumpe bei energetischer Sanierung eine gute Lösung, für die es auch schon Förderung gibt, sagte sie. In Rostock dominierten aber Mehrfamilienhäuser, die zu 40 % am Fernwärmenetz hängen, das auf Erdgas basiert.

Deshalb erarbeite ihr Unternehmen mit der Stadt, Unternehmen und der Wohnungswirtschaft gemeinsam ein neues Wärmekonzept. Dazu gehörten
  • mögliche saisonale Speicher,
  • eine Power-to-heat-Anlage, um überschüssigen Strom zu Wärme zu machen,
  • und eine Großwärmepumpe.
Im Gespräch sei auch eine PV-Anlage auf einer kontaminierten Fläche. Da durch den Wegfall preiswerten russischen Erdgases und die Klimaschutzziele wenig Zeit für die Wärmewende bleibe, sei die Bedeutung schneller Bundesförderung besonders hoch, unterstrich Römer. Nur so könne Wärmeversorgung weiter bezahlbar bleiben.

Grünen Wasserstoff ins Gasnetz speisen

Die Bezahlbarkeit der Wärme sorgt auch Stefan Vergo, Geschäftsführer der Stadtwerke Heide (Schleswig-Holstein). Schon heute könnten etliche seiner Kunden und Kundinnen eine Nachzahlung von 300 Euro nur in zehn Raten aufbringen. Zugleich sei Klimaschutz für die Nordseeküste existenziell: “Bei uns läuft es zuerst rein, wenn der Meeresspiegel steigt”, erinnerte Vergo. Deshalb sei sein Stadtwerk Partner im Wasserstoff-Pilotprojekt “Westküste 100”, wo aus Offshore-Windstrom in Schleswig-Holstein grünes Gas produziert werden soll.

Dieses werde zunächst mit 10 % und später mit 20 % Anteil ins Gasnetz eingespeist und verringere so den Erdgasbedarf und die Treibhausgas-Emissionen. Das sei ohne große Investitionen auf Abnehmerseite möglich, warb Vergo. “Wir können es uns nicht leisten, die Gasleitung komplett abzusägen”, sagte er. Er plädierte für regional beste Lösungen, dazu gehörten erneuerbare Gase im heutigen Netz. “Diese Chance sollten wir uns nicht verbauen”, appellierte Vergo an die Regulierer.
 
Die Diskussionsteilnehmer zur Wärmewende auf dem BDEW-Kongress
Quelle: E&M / Harmsen

Wärmepumpen, Sanierung und grüne Gase im BMWK-Plan

Christian Maaß, Leiter der Abteilung II im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK), kündigte an, dass eine Zertifizierung für erneuerbaren Wasserstoff kommen werde, und zwar in der dritten Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Damit sei dann auch eine Beimischung von Wasserstoff im Gasnetz möglich.

Teures Erdgas über LNG(Flüssigerdgas)-Terminals werde künftig für die Industrie gebraucht und solle im Wärmebereich mehr für Spitzenlasten der erneuerbaren oder strombasierten Lösungen eingesetzt werden, prognostizierte Maaß. Dafür sei es wichtig, Bestandsgebäude auf ein höheres Effizienzniveau zu bringen.

Wegen der künftig hohen Gaspreise lohne sich Sparen, so der Abteilungsleiter. Für die Gebäudesanierung werde es eine Förderung geben, versprach er. “Wir werden höhere Investitionen zum Beispiel für Wärmepumpen abfedern”, ergänzte Maaß. In der nächsten Novelle des Gebäudenergiegesetzes (GEG) werde der CO2-Berechnungswert der Wärmepumpe dem einer Gas-und-Dampfturbinen(GuD)-Anlage gleichgestellt. Dies würde sich mit dem höheren Anteil erneuerbaren Stroms im Mix zunehmend verbessern.

“Stadtwerke allein sind oft zu klein, um sich allein an den großen Förderprogrammen der EU zu beteiligen”, erläuterte Berater Fahrenholz von PWC. Daher sei es sinnvoll, größeren Akteure wie die Kommune oder Unternehmen mit ins Boot zu holen. An den Vertreter des Ministeriums gewandt, forderte er einfache Förderbedingungen und schnellen Mittelfluss für die gepanten Programme.

Donnerstag, 2.06.2022, 12:38 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Wärme - Die Wärmewende wird ein Puzzle aus vielen Bausteinen
Quelle: Fotolia / Torbz
Wärme
Die Wärmewende wird ein Puzzle aus vielen Bausteinen
Wie gelingt die Energiewende im Wärmebereich, besonders wenn nicht mehr genug preiswertes Erdgas aus Russland strömt? Darüber diskutierten auf dem BDEW-Kongress Politiker und Praktiker.
Die Bundesregierung will, dass bis 2040 im Gebäudebereich 65 % weniger Treibhausgase entstehen. Das dient der Erreichung der Klimaschutzziele und in Zeiten des Ukrainekrieges auch der Unabhängigkeit von fossilen Energiequellen aus Russland. Doch das stellt Stadtwerke vor große Herausforderungen, wie auf dem BDEW-Kongress in Berlin diskutiert wurde. Markus Wörz, Leiter Energiepolitik Deutschland der Thüga, erinnerte daran, dass Stadtwerken bis zum vergangenen Jahr noch der Umstieg von Kohle auf Erdgas empfohlen worden war. Die hohen Investitionen in Kraftwerke und Leitungen könnten jetzt nicht einfach abgeschrieben werden.

Laut Wörz ist es nötig, über neue Regeln auch erneuerbare Gase zuzulassen. Investitionen in Wärmeplanung und Gebäudesanierung müssten jetzt schnell mit verlässlichen Förderungen unterstützt werden, um die Ziele der Regierung zu erreichen.

Simon Fahrenholz, Partner bei PWC, brachte die Kundensicht ein. So müsse es für die Abnehmer der Wärme verlässliche Versorgung und Preise geben. Dafür werde es in Zukunft nötig sein, Cluster auf der Lieferantenseite zu bilden.

Rostock vereint Akteure für neue Wärme

In Rostock bemühen sich die dortigen Stadtwerke bereits um einen Plan für die Ablösung fossiler Wärmeenergie, berichtete Vorständin Ute Römer. Geld und Planungskapazitäten sowie Fachkräfte für die Umsetzung seien aber knapp. Für Einfamilienhäuser wäre aus ihrer Sicht eine Kombination aus Dach-Solaranlage und Wärmepumpe bei energetischer Sanierung eine gute Lösung, für die es auch schon Förderung gibt, sagte sie. In Rostock dominierten aber Mehrfamilienhäuser, die zu 40 % am Fernwärmenetz hängen, das auf Erdgas basiert.

Deshalb erarbeite ihr Unternehmen mit der Stadt, Unternehmen und der Wohnungswirtschaft gemeinsam ein neues Wärmekonzept. Dazu gehörten
  • mögliche saisonale Speicher,
  • eine Power-to-heat-Anlage, um überschüssigen Strom zu Wärme zu machen,
  • und eine Großwärmepumpe.
Im Gespräch sei auch eine PV-Anlage auf einer kontaminierten Fläche. Da durch den Wegfall preiswerten russischen Erdgases und die Klimaschutzziele wenig Zeit für die Wärmewende bleibe, sei die Bedeutung schneller Bundesförderung besonders hoch, unterstrich Römer. Nur so könne Wärmeversorgung weiter bezahlbar bleiben.

Grünen Wasserstoff ins Gasnetz speisen

Die Bezahlbarkeit der Wärme sorgt auch Stefan Vergo, Geschäftsführer der Stadtwerke Heide (Schleswig-Holstein). Schon heute könnten etliche seiner Kunden und Kundinnen eine Nachzahlung von 300 Euro nur in zehn Raten aufbringen. Zugleich sei Klimaschutz für die Nordseeküste existenziell: “Bei uns läuft es zuerst rein, wenn der Meeresspiegel steigt”, erinnerte Vergo. Deshalb sei sein Stadtwerk Partner im Wasserstoff-Pilotprojekt “Westküste 100”, wo aus Offshore-Windstrom in Schleswig-Holstein grünes Gas produziert werden soll.

Dieses werde zunächst mit 10 % und später mit 20 % Anteil ins Gasnetz eingespeist und verringere so den Erdgasbedarf und die Treibhausgas-Emissionen. Das sei ohne große Investitionen auf Abnehmerseite möglich, warb Vergo. “Wir können es uns nicht leisten, die Gasleitung komplett abzusägen”, sagte er. Er plädierte für regional beste Lösungen, dazu gehörten erneuerbare Gase im heutigen Netz. “Diese Chance sollten wir uns nicht verbauen”, appellierte Vergo an die Regulierer.
 
Die Diskussionsteilnehmer zur Wärmewende auf dem BDEW-Kongress
Quelle: E&M / Harmsen

Wärmepumpen, Sanierung und grüne Gase im BMWK-Plan

Christian Maaß, Leiter der Abteilung II im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK), kündigte an, dass eine Zertifizierung für erneuerbaren Wasserstoff kommen werde, und zwar in der dritten Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Damit sei dann auch eine Beimischung von Wasserstoff im Gasnetz möglich.

Teures Erdgas über LNG(Flüssigerdgas)-Terminals werde künftig für die Industrie gebraucht und solle im Wärmebereich mehr für Spitzenlasten der erneuerbaren oder strombasierten Lösungen eingesetzt werden, prognostizierte Maaß. Dafür sei es wichtig, Bestandsgebäude auf ein höheres Effizienzniveau zu bringen.

Wegen der künftig hohen Gaspreise lohne sich Sparen, so der Abteilungsleiter. Für die Gebäudesanierung werde es eine Förderung geben, versprach er. “Wir werden höhere Investitionen zum Beispiel für Wärmepumpen abfedern”, ergänzte Maaß. In der nächsten Novelle des Gebäudenergiegesetzes (GEG) werde der CO2-Berechnungswert der Wärmepumpe dem einer Gas-und-Dampfturbinen(GuD)-Anlage gleichgestellt. Dies würde sich mit dem höheren Anteil erneuerbaren Stroms im Mix zunehmend verbessern.

“Stadtwerke allein sind oft zu klein, um sich allein an den großen Förderprogrammen der EU zu beteiligen”, erläuterte Berater Fahrenholz von PWC. Daher sei es sinnvoll, größeren Akteure wie die Kommune oder Unternehmen mit ins Boot zu holen. An den Vertreter des Ministeriums gewandt, forderte er einfache Förderbedingungen und schnellen Mittelfluss für die gepanten Programme.

Donnerstag, 2.06.2022, 12:38 Uhr
Susanne Harmsen

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