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Energie & Management > Europaeische Union - Brüssel stellt Strompreisdeckel auf 180 Euro vor
Quelle: Shutterstock, jorisvo
Europaeische Union

Brüssel stellt Strompreisdeckel auf 180 Euro vor

Die EU-Kommission will die Regeln auf dem Elektrizitätsmarkt bis Ende März 2023 teilweise außer Kraft setzen. Sie hofft, dass sich die Lage bis dahin wieder beruhigt.
Die Energieminister hatten die Kommission am 9. September aufgefordert, Maßnahmen zur Begrenzung der Energiepreise und zur Entkoppelung der Preisentwicklung auf dem Gas- und dem Strommarkt vorzuschlagen. Sie hat deswegen am 14. September ein Paket von Sofortmaßnahmen vorgelegt, die spätestens zum 1. Dezember in Kraft treten sollen und bis zum 31. März 2023 befristet sind.

Als erstes sollen sich die Mitgliedsstaaten verpflichten, 10 % weniger Strom zu verbrauchen, besonders in den Spitzenzeiten, wo die meisten Gaskraftwerke zum Einsatz kommen. Jede Regierung soll die 10 % des Tages, in denen der meiste Strom verbraucht wird, identifizieren und die Nachfrage in dieser Zeit um 5 % reduzieren. Welche Instrumente sie einsetzt, um diese Ziele zu erreichen, bleibt dem Mitgliedsstaat überlassen. Ausdrücklich erwähnt werden Kompensationszahlungen.

„Eine Reduzierung der Nachfrage ist die Voraussetzung dafür, dass unsere Maßnahmen erfolgreich sind“, sagte der Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans, in Straßburg.

Kraftwerke auf den vorderen Plätzen der Merit Order (Einsatzreihenfolge) - Windräder, PV-Anlagen, Kohle- und Atomkraftwerke, im Kommissionssprech „inframarginale“ Anbieter genannt -, sollen maximal nur noch 180 Euro pro Megawattstunde erhalten. Das erlaube es den betreffenden Anbietern, ihre laufenden Kosten und Investitionen zu refinanzieren. Damit könnten auch die Investitionen vorgenommen werden, die notwendig seien, damit die EU ihre Klimaziele in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erreiche, sagte Timmermans. Und: „Ein Preisdeckel stellt Solidarität her zwischen den Unternehmen, die exzessive Gewinne erzielen, und ihren Kunden, die das kaum noch bezahlen können.“

Innereuropäischer Abschöpfungsausgleich

Die Differenz zwischen 180 Euro/MWh und dem, was die „inframarginalen“ Anbieter am Markt erzielen, sollen die Mitgliedsstaaten abschöpfen und an die Verbraucher zurückgeben, damit diese ihre Stromrechnungen bezahlen können. Mitgliedsstaaten, in denen viel Strom erzeugt wird, sind gehalten, einen Teil ihrer so entstandenen Einnahmen jenen Staaten zur Verfügung zu stellen, in denen vergleichsweise wenig Strom erzeugt wird. Dazu sollen bis spätestens 1. Dezember bilaterale Vereinbarungen getroffen werden.

Darüberhinaus sollen Unternehmen der Öl- und Kohleindustrie sowie Ölraffinerien einen „Solidaritätsbeitrag“ auf ihre Extraprofite in diesem Jahr bezahlen. Als „Extraprofit“ gelten dabei Gewinne, die um mehr als 20 % über den durchschnittlichen Gewinnen dieser Firmen zwischen 2019 und 2021 liegen. Auch diese Steuer müssten die Mitgliedsstaaten einsammeln. Sie soll mindestens 33 % der „Extraprofite“ betragen. Die Einnahmen sollen an sozial schwache Privatkunden oder bedürftige Unternehmen weitergeleitet werden. Sie können aber auch eingesetzt werden, um grenzüberschreitende Grünstrom-Projekte oder Investitionen in die Energieeffizienz zu finanzieren.

Die Einnahmen aus der Abschöpfung der „inframarginalen“ Kraftwerke und aus dem „Solidaritätsbeitrag“ würden nach Schätzungen der Kommission etwa 140 Mrd. Euro erreichen.

​Weitere Preiseingriffe angekündigt

Zunächst nur angekündigt hat die Kommission weitere Vorschläge zur Regulierung der Strompreise. Sie würden es ermöglichen, Preise festzulegen, die nicht mehr kostendeckend sind – nicht nur für private Haushalte, sondern auch für kleine und mittlere Unternehmen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte in ihrer Rede zur Lage der Union außerdem weitere Maßnahmen in Aussicht, um die Energiepreise zu senken. Man bleibe mit den Mitgliedsstaaten auch über Höchstpreise für importiertes Gas im Gespräch (siehe separate Meldung).

Noch nichts zu Liquiditätshilfen

Das jetzt vorgelegte Maßnahmenpaket der Kommission enthält keine Vorschläge zur Beseitigung der Liquiditätsengpässe im Stromgroßhandel. Die Energieminister hatten sich gewünscht, dass die Mitgliedsstaaten Kredite und Garantien leichter vergeben können, als es derzeit nach den Beihilferegeln der Kommission möglich ist. Man arbeite daran, heißt es dazu in Brüssel, neue Regeln zu formulieren, die „verhältnismäßige Hilfen ermöglichen, ohne dass der Wettbewerb dadurch gefährdet“ werde.

Enttäuscht vom Maßnahmenpaket der Kommission zeigte sich die chemische Industrie: „Die Energiekosten explodieren, der Verlust wichtiger Produktionsprozesse droht. Hier hilft das Kommissionspaket nicht weiter“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes VCI, Wolfgang Große-Entrup.

Mittwoch, 14.09.2022, 17:19 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Europaeische Union - Brüssel stellt Strompreisdeckel auf 180 Euro vor
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Brüssel stellt Strompreisdeckel auf 180 Euro vor
Die EU-Kommission will die Regeln auf dem Elektrizitätsmarkt bis Ende März 2023 teilweise außer Kraft setzen. Sie hofft, dass sich die Lage bis dahin wieder beruhigt.
Die Energieminister hatten die Kommission am 9. September aufgefordert, Maßnahmen zur Begrenzung der Energiepreise und zur Entkoppelung der Preisentwicklung auf dem Gas- und dem Strommarkt vorzuschlagen. Sie hat deswegen am 14. September ein Paket von Sofortmaßnahmen vorgelegt, die spätestens zum 1. Dezember in Kraft treten sollen und bis zum 31. März 2023 befristet sind.

Als erstes sollen sich die Mitgliedsstaaten verpflichten, 10 % weniger Strom zu verbrauchen, besonders in den Spitzenzeiten, wo die meisten Gaskraftwerke zum Einsatz kommen. Jede Regierung soll die 10 % des Tages, in denen der meiste Strom verbraucht wird, identifizieren und die Nachfrage in dieser Zeit um 5 % reduzieren. Welche Instrumente sie einsetzt, um diese Ziele zu erreichen, bleibt dem Mitgliedsstaat überlassen. Ausdrücklich erwähnt werden Kompensationszahlungen.

„Eine Reduzierung der Nachfrage ist die Voraussetzung dafür, dass unsere Maßnahmen erfolgreich sind“, sagte der Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans, in Straßburg.

Kraftwerke auf den vorderen Plätzen der Merit Order (Einsatzreihenfolge) - Windräder, PV-Anlagen, Kohle- und Atomkraftwerke, im Kommissionssprech „inframarginale“ Anbieter genannt -, sollen maximal nur noch 180 Euro pro Megawattstunde erhalten. Das erlaube es den betreffenden Anbietern, ihre laufenden Kosten und Investitionen zu refinanzieren. Damit könnten auch die Investitionen vorgenommen werden, die notwendig seien, damit die EU ihre Klimaziele in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erreiche, sagte Timmermans. Und: „Ein Preisdeckel stellt Solidarität her zwischen den Unternehmen, die exzessive Gewinne erzielen, und ihren Kunden, die das kaum noch bezahlen können.“

Innereuropäischer Abschöpfungsausgleich

Die Differenz zwischen 180 Euro/MWh und dem, was die „inframarginalen“ Anbieter am Markt erzielen, sollen die Mitgliedsstaaten abschöpfen und an die Verbraucher zurückgeben, damit diese ihre Stromrechnungen bezahlen können. Mitgliedsstaaten, in denen viel Strom erzeugt wird, sind gehalten, einen Teil ihrer so entstandenen Einnahmen jenen Staaten zur Verfügung zu stellen, in denen vergleichsweise wenig Strom erzeugt wird. Dazu sollen bis spätestens 1. Dezember bilaterale Vereinbarungen getroffen werden.

Darüberhinaus sollen Unternehmen der Öl- und Kohleindustrie sowie Ölraffinerien einen „Solidaritätsbeitrag“ auf ihre Extraprofite in diesem Jahr bezahlen. Als „Extraprofit“ gelten dabei Gewinne, die um mehr als 20 % über den durchschnittlichen Gewinnen dieser Firmen zwischen 2019 und 2021 liegen. Auch diese Steuer müssten die Mitgliedsstaaten einsammeln. Sie soll mindestens 33 % der „Extraprofite“ betragen. Die Einnahmen sollen an sozial schwache Privatkunden oder bedürftige Unternehmen weitergeleitet werden. Sie können aber auch eingesetzt werden, um grenzüberschreitende Grünstrom-Projekte oder Investitionen in die Energieeffizienz zu finanzieren.

Die Einnahmen aus der Abschöpfung der „inframarginalen“ Kraftwerke und aus dem „Solidaritätsbeitrag“ würden nach Schätzungen der Kommission etwa 140 Mrd. Euro erreichen.

​Weitere Preiseingriffe angekündigt

Zunächst nur angekündigt hat die Kommission weitere Vorschläge zur Regulierung der Strompreise. Sie würden es ermöglichen, Preise festzulegen, die nicht mehr kostendeckend sind – nicht nur für private Haushalte, sondern auch für kleine und mittlere Unternehmen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte in ihrer Rede zur Lage der Union außerdem weitere Maßnahmen in Aussicht, um die Energiepreise zu senken. Man bleibe mit den Mitgliedsstaaten auch über Höchstpreise für importiertes Gas im Gespräch (siehe separate Meldung).

Noch nichts zu Liquiditätshilfen

Das jetzt vorgelegte Maßnahmenpaket der Kommission enthält keine Vorschläge zur Beseitigung der Liquiditätsengpässe im Stromgroßhandel. Die Energieminister hatten sich gewünscht, dass die Mitgliedsstaaten Kredite und Garantien leichter vergeben können, als es derzeit nach den Beihilferegeln der Kommission möglich ist. Man arbeite daran, heißt es dazu in Brüssel, neue Regeln zu formulieren, die „verhältnismäßige Hilfen ermöglichen, ohne dass der Wettbewerb dadurch gefährdet“ werde.

Enttäuscht vom Maßnahmenpaket der Kommission zeigte sich die chemische Industrie: „Die Energiekosten explodieren, der Verlust wichtiger Produktionsprozesse droht. Hier hilft das Kommissionspaket nicht weiter“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes VCI, Wolfgang Große-Entrup.

Mittwoch, 14.09.2022, 17:19 Uhr
Tom Weingärtner

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