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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Biomethan nicht nur auf den Straßen
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe

Biomethan nicht nur auf den Straßen

Biomethan könnte eine weit größere Rolle in der Energiewende zufallen als bisher. Das Gas ist grundlastfähig, ins Gasnetz einspeisbar oder direkt vor Ort verstrombar.
Die gestiegenen Gaspreise machten Biomethan über Nacht preislich attraktiv. Und die Potenziale in Deutschland sind noch lange nicht ausgeschöpft. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges erhält es als Ersatz für russisches Erdgas zudem eine bisher ungewohnte strategische Komponente.

Da Deutschland zu 50 % von russischem Erdgas abhängig ist, haben alle erneuerbaren Energien, die es ersetzen können, eine strategische Bedeutung. Finanzminister Christian Lindner (FDP) nannte diese Energieformen sogar „Freiheitsenergie“. Doch in welchem Maße können Biogas und das daraus veredelte Biomethan überhaupt zum Ersatz von fossilem Erdgas beitragen?

Derzeit stehen in Deutschland mehr als 9.000 Biogasanlagen. Sie produzieren etwa 10 Mrd. Kubikmeter Erdgas mit einem Energiegehalt von gut 100 Mrd. kWh jährlich. Das wiederum würde 10 % des deutschen Gesamtgasverbrauchs entsprechen. Ein kompletter Ersatz der Lieferungen aus Russland ist also nicht vorstellbar. Die gesamte Menge würde aber ausreichen, um ein Drittel des Haushaltsgases abzudecken.

Doch derzeit kann dafür nur ein Bruchteil genutzt werden. Denn 90 % des Biogases werden direkt vor Ort verstromt und mit jährlich rund 9 Mrd. Euro nach EEG vergütet. Um verstärkt ins Erdgasnetz einzuspeisen, müssten die Biogasanlagen massiv ausgebaut werden.

„Seit 2012 gibt es jedoch keinen signifikanten Zubau. Es gab überwiegend Leistungserweiterungen bestehender Anlagen. Die Neubauten beschränkten sich auf Güllekleinstanlagen mit weniger als 75 Kilowatt elektrischer Leistung und einige Anlagen zur Bioabfallvergärung“, erläuterte Jaqueline Daniel-Gromke, Arbeitsgruppenleiterin Systemoptimierung Biogas im Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) in Leipzig, auf dem Fachkongress „Kraftstoffe der Zukunft“ im Januar. Sie gibt für Ende 2018 etwas mehr als 200 Biogasaufbereitungsanlagen mit einer Einspeisekapazität von rund 120.000 Kubikmetern je Stunde an. Das entspräche etwa 9,8 Mrd. kWh jährlich.

Alles Biogas kann theoretisch ins Netz

„Theoretisch ließe sich das gesamte Biogas aufbereiten und ins Gasnetz einspeisen“, so der Hauptgeschäftsführer des Fachverbands Biogas, Claudius da Costa Gomez. Wie es dann vor Ort bei den Abnehmern genutzt wird, entspräche den bisherigen Verwendungen: als CNG an Tankstellen, ganz einfach in Gasthermen oder zur Verstromung in Kraftwerken, wie es ja bisher von der Bundesregierung mit Erdgas als Brückentechnologie ohnehin geplant war.

Doch die Potenziale sind noch deutlich größer. Da Costa Gomez schätzt, dass die Produktion auf gut 200 Mrd. kWh verdoppelt werden könnte, und das, ohne die Anbauflächen konventioneller Energiepflanzen zu erhöhen. Dies könne allein durch Vergärung der vorhandenen Gülle- und Abfallmengen und die Nutzung von Grünland und Biodiversitätsflächen erfolgen. Damit ließe sich dann knapp die Hälfte der russischen Erdgasimporte ersetzen.

Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), schätzt die Potenziale sogar noch höher ein: „Wenn das gesamte technische Biogaspotenzial erschlossen und vollständig zur Methanproduktion genutzt würde, könnten Biogasanlagen sogar bis zu 450 Terrawattstunden Methan liefern.“
Aber nur ein Teil der Bestandsanlagen sind dazu technisch in der Lage. „Zehn bis 20 Prozent können für die Bereitstellung von Biomethan umgestellt werden, was etwa 118 Terrawattstunden entspräche“, schätzt Daniel-Gromke. Dafür muss das Biogas jedoch zu Biomethan umgewandelt werden. Auch dafür gibt es neue und effizientere Methoden, die das dabei anfallende CO2 reduzieren.

Dass Biogas nun in den Blickpunkt rückt, liegt auch an den gestiegenen Preisen für fossiles Erdgas, die bereits vor dem Krieg gegen die Ukraine durch die Decke gingen.

Die Politik hat das einst wegen der Tank-Teller-Diskussion verschmähte Biogas bereits rehabilitiert. Die EU definierte es in der novellierten Erneuerbaren-Richtline RED II wie folgt: „Rohstoffe, die überwiegend aus Zellulose und Hemizellulose bestehen und einen niedrigeren Lignin-Gehalt als lignozellulosehaltiges Material haben; es umfasst Reststoffe von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen (…) sowie Material aus Bioabfall.“

Nun müssten sich noch die Marktmechanismen ändern. Denn die Einspeisung des zu Biomethan aufbereiteten Biogases in ein Gasnetz war bisher ein eher schlechtes Geschäft. Die Gestehungskosten lagen bei 8 Cent je kWh, die Marktpreise jedoch bei nur 6 Ct/kWh. Seit diese aber auf gut 11 Ct/kWh gestiegen sind, lohnt sich das Ganze − vorausgesetzt, die Biogasanlage ist ans Erdgasnetz angeschlossen.

Nachfrage ist da

Auf der Nachfrageseite könnte sich auch etwas tun. Lediglich in Baden-Württemberg gibt es mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz eine Erfüllungsoption bei Sanierungen, für die Biomethan zu zwei Dritteln eingesetzt werden kann. Die neue Bundesregierung will, dass ab 2025 allen neu eingebauten Heizungen mindestens zu 65 % erneuerbare Energien nutzen. Das könnte einen weiteren Schub geben. Denn bisher sind reine Biogastarife am Markt rar. Meist wird fossiles „Grüngas“ angeboten, das per Zertifizierung CO2-arm oder -neutral gestellt wurde.

Die „BALANCE VNG Bioenergie“, eine Tochter des Leipziger Erdgasdienstleisters VNG, kauft schon seit Jahren aus der EEG-Förderung gefallene Biogasanlagen zu, um eigene und echte Biogastarife am Markt zu platzieren. Derzeit befinden sich 38 Anlagen in ihrem Portfolio. Elf davon speisen direkt Biomethan ins Erdgasnetz ein.

Das könnte sich weiter verstärken. „Aufgrund der Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen wird der EEG-Einsatz von Biomethan in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen unwirtschaftlich“, so Daniel-Gromke. Deswegen sieht auch sie für den Handel von Biomethan eine Option im Wärmemarkt oder als Kraftstoff. Letzteres könnte zusätzliche Einnahmen über die THG-Quote generieren. Ein wesentliches Hemmnis sei jedoch der fehlende Absatzmarkt für Biomethan. Aber: „Die Bereitstellung von Biomethan ist mit höheren Produktionskosten verbunden, ermöglicht jedoch eine höhere Flexibilität in Bezug auf Ort, Zeit und Art der Nutzung des Biomethans.“

Im Hinblick auf wirtschaftliche Aspekte sollte deswegen eine Fokussierung auf größere Biogasanlagen oder die Fusionierung von Biogasanlagen zur zentralen Bereitstellung von Biomethan mit mehr als 250 Kubikmetern je Stunde erfolgen. Dafür würden sich 5 bis 20 % der bestehenden Anlagen eignen. Notwendig wäre dies nicht nur wegen der größeren Gasunabhängigkeit von Russland, sondern auch, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Denn Biomethan könnte ebenso in der Logistik eine wichtige Rolle spielen − einem Bereich, der bisher bei der Energiewende arg hinterherhinkt. 
 
Bevor Biogas ins Netz eingespeist werden kann, muss es in solchen Anlagen gereinigt werden, um einen hohen Methananteil zu erhalten
Quelle: ETW

 

Montag, 11.04.2022, 09:04 Uhr
Frank Urbansky
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Biomethan nicht nur auf den Straßen
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe
Biomethan nicht nur auf den Straßen
Biomethan könnte eine weit größere Rolle in der Energiewende zufallen als bisher. Das Gas ist grundlastfähig, ins Gasnetz einspeisbar oder direkt vor Ort verstrombar.
Die gestiegenen Gaspreise machten Biomethan über Nacht preislich attraktiv. Und die Potenziale in Deutschland sind noch lange nicht ausgeschöpft. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges erhält es als Ersatz für russisches Erdgas zudem eine bisher ungewohnte strategische Komponente.

Da Deutschland zu 50 % von russischem Erdgas abhängig ist, haben alle erneuerbaren Energien, die es ersetzen können, eine strategische Bedeutung. Finanzminister Christian Lindner (FDP) nannte diese Energieformen sogar „Freiheitsenergie“. Doch in welchem Maße können Biogas und das daraus veredelte Biomethan überhaupt zum Ersatz von fossilem Erdgas beitragen?

Derzeit stehen in Deutschland mehr als 9.000 Biogasanlagen. Sie produzieren etwa 10 Mrd. Kubikmeter Erdgas mit einem Energiegehalt von gut 100 Mrd. kWh jährlich. Das wiederum würde 10 % des deutschen Gesamtgasverbrauchs entsprechen. Ein kompletter Ersatz der Lieferungen aus Russland ist also nicht vorstellbar. Die gesamte Menge würde aber ausreichen, um ein Drittel des Haushaltsgases abzudecken.

Doch derzeit kann dafür nur ein Bruchteil genutzt werden. Denn 90 % des Biogases werden direkt vor Ort verstromt und mit jährlich rund 9 Mrd. Euro nach EEG vergütet. Um verstärkt ins Erdgasnetz einzuspeisen, müssten die Biogasanlagen massiv ausgebaut werden.

„Seit 2012 gibt es jedoch keinen signifikanten Zubau. Es gab überwiegend Leistungserweiterungen bestehender Anlagen. Die Neubauten beschränkten sich auf Güllekleinstanlagen mit weniger als 75 Kilowatt elektrischer Leistung und einige Anlagen zur Bioabfallvergärung“, erläuterte Jaqueline Daniel-Gromke, Arbeitsgruppenleiterin Systemoptimierung Biogas im Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) in Leipzig, auf dem Fachkongress „Kraftstoffe der Zukunft“ im Januar. Sie gibt für Ende 2018 etwas mehr als 200 Biogasaufbereitungsanlagen mit einer Einspeisekapazität von rund 120.000 Kubikmetern je Stunde an. Das entspräche etwa 9,8 Mrd. kWh jährlich.

Alles Biogas kann theoretisch ins Netz

„Theoretisch ließe sich das gesamte Biogas aufbereiten und ins Gasnetz einspeisen“, so der Hauptgeschäftsführer des Fachverbands Biogas, Claudius da Costa Gomez. Wie es dann vor Ort bei den Abnehmern genutzt wird, entspräche den bisherigen Verwendungen: als CNG an Tankstellen, ganz einfach in Gasthermen oder zur Verstromung in Kraftwerken, wie es ja bisher von der Bundesregierung mit Erdgas als Brückentechnologie ohnehin geplant war.

Doch die Potenziale sind noch deutlich größer. Da Costa Gomez schätzt, dass die Produktion auf gut 200 Mrd. kWh verdoppelt werden könnte, und das, ohne die Anbauflächen konventioneller Energiepflanzen zu erhöhen. Dies könne allein durch Vergärung der vorhandenen Gülle- und Abfallmengen und die Nutzung von Grünland und Biodiversitätsflächen erfolgen. Damit ließe sich dann knapp die Hälfte der russischen Erdgasimporte ersetzen.

Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), schätzt die Potenziale sogar noch höher ein: „Wenn das gesamte technische Biogaspotenzial erschlossen und vollständig zur Methanproduktion genutzt würde, könnten Biogasanlagen sogar bis zu 450 Terrawattstunden Methan liefern.“
Aber nur ein Teil der Bestandsanlagen sind dazu technisch in der Lage. „Zehn bis 20 Prozent können für die Bereitstellung von Biomethan umgestellt werden, was etwa 118 Terrawattstunden entspräche“, schätzt Daniel-Gromke. Dafür muss das Biogas jedoch zu Biomethan umgewandelt werden. Auch dafür gibt es neue und effizientere Methoden, die das dabei anfallende CO2 reduzieren.

Dass Biogas nun in den Blickpunkt rückt, liegt auch an den gestiegenen Preisen für fossiles Erdgas, die bereits vor dem Krieg gegen die Ukraine durch die Decke gingen.

Die Politik hat das einst wegen der Tank-Teller-Diskussion verschmähte Biogas bereits rehabilitiert. Die EU definierte es in der novellierten Erneuerbaren-Richtline RED II wie folgt: „Rohstoffe, die überwiegend aus Zellulose und Hemizellulose bestehen und einen niedrigeren Lignin-Gehalt als lignozellulosehaltiges Material haben; es umfasst Reststoffe von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen (…) sowie Material aus Bioabfall.“

Nun müssten sich noch die Marktmechanismen ändern. Denn die Einspeisung des zu Biomethan aufbereiteten Biogases in ein Gasnetz war bisher ein eher schlechtes Geschäft. Die Gestehungskosten lagen bei 8 Cent je kWh, die Marktpreise jedoch bei nur 6 Ct/kWh. Seit diese aber auf gut 11 Ct/kWh gestiegen sind, lohnt sich das Ganze − vorausgesetzt, die Biogasanlage ist ans Erdgasnetz angeschlossen.

Nachfrage ist da

Auf der Nachfrageseite könnte sich auch etwas tun. Lediglich in Baden-Württemberg gibt es mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz eine Erfüllungsoption bei Sanierungen, für die Biomethan zu zwei Dritteln eingesetzt werden kann. Die neue Bundesregierung will, dass ab 2025 allen neu eingebauten Heizungen mindestens zu 65 % erneuerbare Energien nutzen. Das könnte einen weiteren Schub geben. Denn bisher sind reine Biogastarife am Markt rar. Meist wird fossiles „Grüngas“ angeboten, das per Zertifizierung CO2-arm oder -neutral gestellt wurde.

Die „BALANCE VNG Bioenergie“, eine Tochter des Leipziger Erdgasdienstleisters VNG, kauft schon seit Jahren aus der EEG-Förderung gefallene Biogasanlagen zu, um eigene und echte Biogastarife am Markt zu platzieren. Derzeit befinden sich 38 Anlagen in ihrem Portfolio. Elf davon speisen direkt Biomethan ins Erdgasnetz ein.

Das könnte sich weiter verstärken. „Aufgrund der Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen wird der EEG-Einsatz von Biomethan in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen unwirtschaftlich“, so Daniel-Gromke. Deswegen sieht auch sie für den Handel von Biomethan eine Option im Wärmemarkt oder als Kraftstoff. Letzteres könnte zusätzliche Einnahmen über die THG-Quote generieren. Ein wesentliches Hemmnis sei jedoch der fehlende Absatzmarkt für Biomethan. Aber: „Die Bereitstellung von Biomethan ist mit höheren Produktionskosten verbunden, ermöglicht jedoch eine höhere Flexibilität in Bezug auf Ort, Zeit und Art der Nutzung des Biomethans.“

Im Hinblick auf wirtschaftliche Aspekte sollte deswegen eine Fokussierung auf größere Biogasanlagen oder die Fusionierung von Biogasanlagen zur zentralen Bereitstellung von Biomethan mit mehr als 250 Kubikmetern je Stunde erfolgen. Dafür würden sich 5 bis 20 % der bestehenden Anlagen eignen. Notwendig wäre dies nicht nur wegen der größeren Gasunabhängigkeit von Russland, sondern auch, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Denn Biomethan könnte ebenso in der Logistik eine wichtige Rolle spielen − einem Bereich, der bisher bei der Energiewende arg hinterherhinkt. 
 
Bevor Biogas ins Netz eingespeist werden kann, muss es in solchen Anlagen gereinigt werden, um einen hohen Methananteil zu erhalten
Quelle: ETW

 

Montag, 11.04.2022, 09:04 Uhr
Frank Urbansky

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