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Energie & Management > Nordrhein-Westfalen - Beim Wind-Abstand wirft die SPD den Grünen
Quelle: Fotolia / vege
Nordrhein-Westfalen

Beim Wind-Abstand wirft die SPD den Grünen "Verrat" vor

Die Opposition im Düsseldorfer Landtag hat den NRW-Grünen vorgehalten, die eigenen Werte zu verraten. Hintergrund ist das teilweise Festhalten am Kilometer-Abstand von Windturbinen.
Ein Zankapfel beim schnelleren Ausbau der Windenergie in Nordrhein-Westfalen bleibt noch eine Weile frisch und knackig. Die Sozialdemokraten nahmen besonders die in Düsseldorf mit der CDU regierenden Grünen aufs Korn. Sie hätten „die eigenen Werte verraten“, so der SPD-Landtagsabgeordnete Andre Stinka am 8. ​März im Plenum.

Stinka hatte noch vor einem Jahr mit Wibke Brems, heutige Grünen-Fraktionsvorsitzende, einen Antrag gegen die 2021 von CDU und FDP beschlossene Regel eingebracht, nach der Windenergieanlagen einen Abstand von 1.000 Metern zur Wohnbebauung einhalten müssen. Damals lehnte Schwarz-Gelb ab. Am Abend des 8. März lehnte nun Schwarz-Grün einen nahezu gleichlautenden Antrag ab.

Wegfall der 1000 Meter beim Repowering: Wirkung umstritten

Stattdessen setzte die aktuelle Regierungsmehrheit am 8. März eine teilweise Abschaffung der Kilometer-Regelung durch. Sie gilt nur für Repowering-Projekte, also den Ersatz alter durch neue Anlagen, und für bestehende, von Kommunen in Flächennutzungsplänen ausgewiesene Konzentrationszonen.

Die Wirkung dieser Maßnahmen ist umstritten. Bei Einbringen des Gesetzesentwurfs im Dezember 2022 hatte Michael Röls, Sprecher der Grünen für Klimaschutz und Energiepolitik, von 80 Anlagen gesprochen, die durch den Wegfall der Abstandsvorschrift für das Repowern infrage kämen. Auf Anfrage unserer Redaktion sprach er nun von "überschlägig" bis zu 100 Windkraftwerken, die theoretisch von der Gesetzesänderung profitieren könnten.

Der Effekt sei schwierig zu bewerten, sagt Johannes Kempen, Windkraft-Referent beim Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW). Jedes Repowering-Projekt sei eine Einzelentscheidung des jeweiligen Anlagenbetreibers. Aktuell erwirtschaften die aus der EEG-Förderung gefallenen Altanlagen (älter als 20 Jahre) noch gutes Geld, weil die am Markt zu erzielenden Strompreise weiter im zweistelligen Cent-Bereich pro kWh liegen.

Der Branchenverband hatte die Erleichterung beim Repowering zwar begrüßt, aber zugleich den kompletten Wegfall der 1.000-Meter-Regelung gefordert. Andre Stinka griff das im Landtag auf und sagte, der LEE NRW halte den SPD-Gesetzesentwurf für „besser“. Dieser Verband sei „nicht als Vorfeldorganisation der SPD bekannt“. Stinka spielt damit auch auf die Nähe der LEE-Spitze zu den Grünen an: Aktueller Vorsitzender ist der grüne Ex-Abgeordnete Reiner Priggen.

Für etwas mehr Klarheit sorgt eine Bestandsanalyse der Fachagentur Windenergie an Land. Ihr Referent Jürgen Quentin spricht von etwa 830 Anlagen in NRW, die zu Jahresbeginn 2022 aus der Förderung gefallen waren. 2023 und 2024 würden 420 weitere Anlagen die Altersgrenze von 20 Jahren überschreiten.

Das Potenzial des Repowerings für die Energiewende sei grob dadurch zu schätzen, dass eine neue Anlage drei alte ersetze. Gegen einen 1:1-Ersatz spreche zum Beispiel, dass bei eng stehenden Windturbinen der ersten Generation nicht ausreichend Platz für eine entsprechende Anzahl neuer Anlagen sei. Ende 2022, so Quentin, seien bereits 15 Prozent der bundesweit an Land installierten Windkraft, also 6.720 MW, ohne EEG-Förderung ausgekommen. Weitere 14 Prozent seien bis Ende 2026 zu erwarten.

Stromertrag neuer Anlagen mindestens drei Mal so hoch

Die 1.150 förderfreien Altanlagen kamen aufgrund ihrer Uralt-Technik zusammen nur auf 1.020 MW, im Schnitt also weniger als 1 MW je Anlage. Im heutigen Neubau liegt der Schnitt leicht oberhalb von 5 MW. Wenn man nun die Repowering-Faustregel „Aus 3 mach 1“ anlegt, würden 400 Ersatzanlagen des neuesten Stands ungefähr zu einer Verdopplung der Kapazität auf 2.000 MW kommen.

Wichtiger sei bei dieser Modellrechnung aber der zu erwartende Stromertrag, so Jürgen Quentin. Und der lasse wegen der stärkeren Winde in Höhen von 160 Metern (Turmhöhe) bis über 200 Metern (Rotorspitze) eine Steigerung um mindestens das Dreifache erwarten. Die Referenzerträge belaufen sich bei alten Turbinen wie einer E82 (Enercon) auf 4 Millionen kWh im Jahr. Eine neue N-164 (Nordex) stehe heute bei 16 Millionen kWh.

Verlässlichere Genehmigung

Der Fachagentur-Experte sieht es als Vorteil an, dass Brüssel mit der EU-Notfallverordnung seit Ende Dezember verbindlich vorgibt, Repowering-Genehmigungen binnen eines halben Jahres auszusprechen. Wer bis Juni 2024 einen Antrag stelle, könne also in der Regel noch vor Ablauf des Jahres mit dem Ersatz beginnen. „Das würde den Blick auf ein realistisches Repowering-Potenzial öffnen“, so Quentin.
 

Donnerstag, 9.03.2023, 15:16 Uhr
Volker Stephan
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Nordrhein-Westfalen
Beim Wind-Abstand wirft die SPD den Grünen "Verrat" vor
Die Opposition im Düsseldorfer Landtag hat den NRW-Grünen vorgehalten, die eigenen Werte zu verraten. Hintergrund ist das teilweise Festhalten am Kilometer-Abstand von Windturbinen.
Ein Zankapfel beim schnelleren Ausbau der Windenergie in Nordrhein-Westfalen bleibt noch eine Weile frisch und knackig. Die Sozialdemokraten nahmen besonders die in Düsseldorf mit der CDU regierenden Grünen aufs Korn. Sie hätten „die eigenen Werte verraten“, so der SPD-Landtagsabgeordnete Andre Stinka am 8. ​März im Plenum.

Stinka hatte noch vor einem Jahr mit Wibke Brems, heutige Grünen-Fraktionsvorsitzende, einen Antrag gegen die 2021 von CDU und FDP beschlossene Regel eingebracht, nach der Windenergieanlagen einen Abstand von 1.000 Metern zur Wohnbebauung einhalten müssen. Damals lehnte Schwarz-Gelb ab. Am Abend des 8. März lehnte nun Schwarz-Grün einen nahezu gleichlautenden Antrag ab.

Wegfall der 1000 Meter beim Repowering: Wirkung umstritten

Stattdessen setzte die aktuelle Regierungsmehrheit am 8. März eine teilweise Abschaffung der Kilometer-Regelung durch. Sie gilt nur für Repowering-Projekte, also den Ersatz alter durch neue Anlagen, und für bestehende, von Kommunen in Flächennutzungsplänen ausgewiesene Konzentrationszonen.

Die Wirkung dieser Maßnahmen ist umstritten. Bei Einbringen des Gesetzesentwurfs im Dezember 2022 hatte Michael Röls, Sprecher der Grünen für Klimaschutz und Energiepolitik, von 80 Anlagen gesprochen, die durch den Wegfall der Abstandsvorschrift für das Repowern infrage kämen. Auf Anfrage unserer Redaktion sprach er nun von "überschlägig" bis zu 100 Windkraftwerken, die theoretisch von der Gesetzesänderung profitieren könnten.

Der Effekt sei schwierig zu bewerten, sagt Johannes Kempen, Windkraft-Referent beim Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW). Jedes Repowering-Projekt sei eine Einzelentscheidung des jeweiligen Anlagenbetreibers. Aktuell erwirtschaften die aus der EEG-Förderung gefallenen Altanlagen (älter als 20 Jahre) noch gutes Geld, weil die am Markt zu erzielenden Strompreise weiter im zweistelligen Cent-Bereich pro kWh liegen.

Der Branchenverband hatte die Erleichterung beim Repowering zwar begrüßt, aber zugleich den kompletten Wegfall der 1.000-Meter-Regelung gefordert. Andre Stinka griff das im Landtag auf und sagte, der LEE NRW halte den SPD-Gesetzesentwurf für „besser“. Dieser Verband sei „nicht als Vorfeldorganisation der SPD bekannt“. Stinka spielt damit auch auf die Nähe der LEE-Spitze zu den Grünen an: Aktueller Vorsitzender ist der grüne Ex-Abgeordnete Reiner Priggen.

Für etwas mehr Klarheit sorgt eine Bestandsanalyse der Fachagentur Windenergie an Land. Ihr Referent Jürgen Quentin spricht von etwa 830 Anlagen in NRW, die zu Jahresbeginn 2022 aus der Förderung gefallen waren. 2023 und 2024 würden 420 weitere Anlagen die Altersgrenze von 20 Jahren überschreiten.

Das Potenzial des Repowerings für die Energiewende sei grob dadurch zu schätzen, dass eine neue Anlage drei alte ersetze. Gegen einen 1:1-Ersatz spreche zum Beispiel, dass bei eng stehenden Windturbinen der ersten Generation nicht ausreichend Platz für eine entsprechende Anzahl neuer Anlagen sei. Ende 2022, so Quentin, seien bereits 15 Prozent der bundesweit an Land installierten Windkraft, also 6.720 MW, ohne EEG-Förderung ausgekommen. Weitere 14 Prozent seien bis Ende 2026 zu erwarten.

Stromertrag neuer Anlagen mindestens drei Mal so hoch

Die 1.150 förderfreien Altanlagen kamen aufgrund ihrer Uralt-Technik zusammen nur auf 1.020 MW, im Schnitt also weniger als 1 MW je Anlage. Im heutigen Neubau liegt der Schnitt leicht oberhalb von 5 MW. Wenn man nun die Repowering-Faustregel „Aus 3 mach 1“ anlegt, würden 400 Ersatzanlagen des neuesten Stands ungefähr zu einer Verdopplung der Kapazität auf 2.000 MW kommen.

Wichtiger sei bei dieser Modellrechnung aber der zu erwartende Stromertrag, so Jürgen Quentin. Und der lasse wegen der stärkeren Winde in Höhen von 160 Metern (Turmhöhe) bis über 200 Metern (Rotorspitze) eine Steigerung um mindestens das Dreifache erwarten. Die Referenzerträge belaufen sich bei alten Turbinen wie einer E82 (Enercon) auf 4 Millionen kWh im Jahr. Eine neue N-164 (Nordex) stehe heute bei 16 Millionen kWh.

Verlässlichere Genehmigung

Der Fachagentur-Experte sieht es als Vorteil an, dass Brüssel mit der EU-Notfallverordnung seit Ende Dezember verbindlich vorgibt, Repowering-Genehmigungen binnen eines halben Jahres auszusprechen. Wer bis Juni 2024 einen Antrag stelle, könne also in der Regel noch vor Ablauf des Jahres mit dem Ersatz beginnen. „Das würde den Blick auf ein realistisches Repowering-Potenzial öffnen“, so Quentin.
 

Donnerstag, 9.03.2023, 15:16 Uhr
Volker Stephan

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