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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Batteriezellen und Ladepunkte entscheidend
Quelle: E&M / Jonas Rosenberger
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe

Batteriezellen und Ladepunkte entscheidend

Zur IAA blicken jedes Jahr Berater und Wissenschaftler in die Glaskugel. McKinsey sieht sehr klar den grundlegenden Wandel des Verkehrssektors und dabei Europa in führender Position.
Zur diesjährigen Automobilmesse IAA, die erstmals den Zusatz „Mobility“ trägt und erstmals in München stattfindet, hat das McKinsey Center for Future Mobility eine Untersuchung veröffentlicht, die ihre wesentliche Erkenntnis schon im Titel trägt: „Why the automotive future is electric“. Die Begründung folgt auf 24 Seiten in englischer Sprache.

Zwar seien noch zahlreiche Herausforderungen auf dem Weg zu einem elektrifizierten Verkehrssektor zu meistern. Doch es lohne sich dafür zu „kämpfen“, gerade angesichts der Emissionen, Staus und Probleme der Verkehrssicherheit, die vor allem in Städten den Bewohnern das Leben schwer machen. Und die Probleme werden wachsen, prophezeien die Berater vor dem Hintergrund einer zunehmenden Urbanisierung und einer steigenden Zahl von Fahrzeugen im Individualverkehr.

Hersteller kündigen Ausstieg aus Verbrennertechnologie an

„Die Industrie steht vor dem größten Umbauprozess ihrer Geschichte", sagt Andreas Tschiesner, Senior Partner im Münchner Büro von McKinsey und Leiter der europäischen Automobilberatung. Die Ziele der EU, die Treibhausgasemissionen bis 2030 mindestens um 55 % zu senken, und die Vorgabe der US-Regierung, bis zum selben Jahr an den neuzugelassenen Fahrzeugen einen Anteil von 50 % mit alternativem Antrieb zu erreichen, treiben den Wandel an. Dieser werde daran deutlich, dass immer mehr Autohersteller konkrete Jahreszahlen für den Ausstieg aus der Verbrenner-Technologie nennen, so Tschiesner.

Gleichzeitig sieht er ein wachsendes Interesse der Kunden an der E-Mobilität. Dieses beziehe sich allerdings nicht allein auf das Fahren im eigenen Gefährt, sondern auch auf Mobility-as-a-Service- und Sharing-Angebote, die über sogenannte E-Hailing-Apps gebucht werden. Passenderweise haben die Berater zu diesem Thema ebenfalls eine eigene Studie parat.
 
Zahlreiche Hersteller haben erklärt, zu reinen Elektromarken werden zu wollen
Quelle: E&M

Für 2030 prognostiziert McKinsey einen Marktanteil der E-Autos von 75 % an allen neu zugelassenen PKW in Europa. China, der nach absoluten Zahlen größte Markt für Elektrofahrzeuge, folgt auf Platz 2 mit 70 % Anteil an den Neuzulassungen, vor den USA mit 65 %.

Die EU werde den globalen Wandel anführen und nach Einschätzung von McKinsey die Elektrifizierung des Verkehrssektors am schnellsten vollziehen. Denn immerhin müssen, um das von der Kommission gesteckte Klimaziel zu erreichen, Elektrofahrzeuge einen Anteil von mindestens 60 % am Neuwagenverkauf 2030 ausmachen, rechnen die Verfasser vor. In dieses Bild passt die Ankündigung einer Reihe von Herstellern, darunter VW, Mercedes-Benz, Volvo, Fiat, DS und Ford, bis Anfang oder Mitte der kommenden 30er-Jahre zu reinen Elektromarken zu werden.

Produktionskapazitäten für ein Speichervolumen von 786 Mio. kWh im Jahr 2030 nötig

Damit der Wandel und der Hochlauf der Elektromobilität nicht gebremst werden, bevor sie richtig begonnen haben, müssen ausreichend Batteriekapazitäten verfügbar sein. Um den steigenden Bedarf zu decken und auch die Abhängigkeit von asiatischen Herstellern zu verringern, haben die Bundesregierung und andere europäische Staaten den Aufbau einer Zellfertigung in der EU angestoßen. Den Autoren der Studie zufolge werden in Europa allerdings 24 Gigafactories benötigt.

Konkret beziffern sie den Bedarf an Speicherkapazität für PKW und Nutzfahrzeuge mit 786 Mio. Kilowattstunden im Jahr 2030. Dies würde ein Ausbau der Fertigung um das 16-Fache bedeuten. Allerdings könnte bei einer schnelleren Akzeptanz der E-Mobilität mittelfristig zumindest die Batterienachfrage das Angebot auch übersteigen. Dazu könnten noch Engpässe in der Rohstoffgewinnung in den nächsten zehn Jahren, sei es aus umwelt- oder geopolitischen Gründen, zu temporären Preisspitzen in den Commodity-Märkten führen.

Während noch vor zehn Jahren die gesamte Produktion von Batteriezellen in Asien stattfand, ist nun der Trend zu beobachten, dass die Zellfertigung näher an die Automobilwerke in Europa heranrücken. Einerseits investieren die chinesischen, japanischen und südkoreanischen Unternehmen in der EU, andererseits holen die Automobilkonzerne auch selbst, zumindest im Rahmen von Joint Ventures in einer Art von „Rückwärtsintegration“ die Herstellung von Batterien und Batteriezellen in den eigenen Konzern. Deshalb gehen die Berater davon aus, dass 2030 die bekannten Hersteller wie LG oder Samsung nur noch für 29 % des produzierten Speichervolumens stehen und die Automobilkonzerne einen Anteil von 30 % erreicht haben werden.

Ein zweiter zentraler Faktor für einen erfolgreichen Wandel des Verkehrssektors ist eine flächendeckende Ladeinfrastruktur. Die erste Generation der E-Automobilisten lade vor allem zu Hause. Rund 80 % von ihnen hätten Zugang zu einer privaten Ladestation. Die nächste Generation sei jedoch stärker auf öffentliche und halböffentliche Ladepunkte angewiesen, da mehr als 50 % der Europäer in Mehrfamilienhäusern leben, schreiben die Autoren.

Fokus auf Emissionen in der Fahrzeugproduktion

„Die Industrie muss daher bis 2030 rund 15.000 Ladepunkte, beispielsweise an Arbeitsplätzen, neu in Betrieb nehmen – und das jede Woche“, sagt Patrick Schaufuss, Partner im Münchner Büro von McKinsey. Denn immerhin werde die durch die E-Mobilität induzierte Stromnachfrage in Europa mehr als 5 % des Gesamtverbrauchs ausmachen. Angesichts der daraus resultierenden Belastungen der Netze, seien Hersteller und Energieversorger gefordert, die Voraussetzungen für intelligentes Laden zu schaffen, das Stromnachfrage und -angebot vor dem Hintergrund der Netzsituation ausbalanciere.

Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Ladeinfrastruktur verlagert sich die Diskussion über das CO2-Reduktionspotenzial der Elektromobilität vom Antrieb der Fahrzeuge auf deren eigentliche Produktion. Denn die CO2-Intensität der E-Autoproduktion liege fast um 80 % höher als bei herkömmlichen Fahrzeugen. Dies liege vor allem am höheren Aluminium-Anteil und der Batterie. Deshalb sind hier ebenfalls Ansatzpunkte zur Verringerung der Treibhausgasemissionen zu suchen.

Damit die Unternehmen die Investitionen in nachhaltige Produktionsprozesse und Materialien auch tatsächlich vornehmen, seien eine kalkulierbare Nachfrage und langfristige Vereinbarungen zwischen Lieferanten und der Automobilindustrie notwendig. Am Ende könnten 2030 tatsächlich Fahrzeuge die Werkshallen verlassen, deren Herstellung bis zu 30 % weniger Emissionen verursacht habe, so die Spezialisten des McKinsey Center for Future Mobility.
 

Donnerstag, 28.10.2021, 09:38 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Batteriezellen und Ladepunkte entscheidend
Quelle: E&M / Jonas Rosenberger
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe
Batteriezellen und Ladepunkte entscheidend
Zur IAA blicken jedes Jahr Berater und Wissenschaftler in die Glaskugel. McKinsey sieht sehr klar den grundlegenden Wandel des Verkehrssektors und dabei Europa in führender Position.
Zur diesjährigen Automobilmesse IAA, die erstmals den Zusatz „Mobility“ trägt und erstmals in München stattfindet, hat das McKinsey Center for Future Mobility eine Untersuchung veröffentlicht, die ihre wesentliche Erkenntnis schon im Titel trägt: „Why the automotive future is electric“. Die Begründung folgt auf 24 Seiten in englischer Sprache.

Zwar seien noch zahlreiche Herausforderungen auf dem Weg zu einem elektrifizierten Verkehrssektor zu meistern. Doch es lohne sich dafür zu „kämpfen“, gerade angesichts der Emissionen, Staus und Probleme der Verkehrssicherheit, die vor allem in Städten den Bewohnern das Leben schwer machen. Und die Probleme werden wachsen, prophezeien die Berater vor dem Hintergrund einer zunehmenden Urbanisierung und einer steigenden Zahl von Fahrzeugen im Individualverkehr.

Hersteller kündigen Ausstieg aus Verbrennertechnologie an

„Die Industrie steht vor dem größten Umbauprozess ihrer Geschichte", sagt Andreas Tschiesner, Senior Partner im Münchner Büro von McKinsey und Leiter der europäischen Automobilberatung. Die Ziele der EU, die Treibhausgasemissionen bis 2030 mindestens um 55 % zu senken, und die Vorgabe der US-Regierung, bis zum selben Jahr an den neuzugelassenen Fahrzeugen einen Anteil von 50 % mit alternativem Antrieb zu erreichen, treiben den Wandel an. Dieser werde daran deutlich, dass immer mehr Autohersteller konkrete Jahreszahlen für den Ausstieg aus der Verbrenner-Technologie nennen, so Tschiesner.

Gleichzeitig sieht er ein wachsendes Interesse der Kunden an der E-Mobilität. Dieses beziehe sich allerdings nicht allein auf das Fahren im eigenen Gefährt, sondern auch auf Mobility-as-a-Service- und Sharing-Angebote, die über sogenannte E-Hailing-Apps gebucht werden. Passenderweise haben die Berater zu diesem Thema ebenfalls eine eigene Studie parat.
 
Zahlreiche Hersteller haben erklärt, zu reinen Elektromarken werden zu wollen
Quelle: E&M

Für 2030 prognostiziert McKinsey einen Marktanteil der E-Autos von 75 % an allen neu zugelassenen PKW in Europa. China, der nach absoluten Zahlen größte Markt für Elektrofahrzeuge, folgt auf Platz 2 mit 70 % Anteil an den Neuzulassungen, vor den USA mit 65 %.

Die EU werde den globalen Wandel anführen und nach Einschätzung von McKinsey die Elektrifizierung des Verkehrssektors am schnellsten vollziehen. Denn immerhin müssen, um das von der Kommission gesteckte Klimaziel zu erreichen, Elektrofahrzeuge einen Anteil von mindestens 60 % am Neuwagenverkauf 2030 ausmachen, rechnen die Verfasser vor. In dieses Bild passt die Ankündigung einer Reihe von Herstellern, darunter VW, Mercedes-Benz, Volvo, Fiat, DS und Ford, bis Anfang oder Mitte der kommenden 30er-Jahre zu reinen Elektromarken zu werden.

Produktionskapazitäten für ein Speichervolumen von 786 Mio. kWh im Jahr 2030 nötig

Damit der Wandel und der Hochlauf der Elektromobilität nicht gebremst werden, bevor sie richtig begonnen haben, müssen ausreichend Batteriekapazitäten verfügbar sein. Um den steigenden Bedarf zu decken und auch die Abhängigkeit von asiatischen Herstellern zu verringern, haben die Bundesregierung und andere europäische Staaten den Aufbau einer Zellfertigung in der EU angestoßen. Den Autoren der Studie zufolge werden in Europa allerdings 24 Gigafactories benötigt.

Konkret beziffern sie den Bedarf an Speicherkapazität für PKW und Nutzfahrzeuge mit 786 Mio. Kilowattstunden im Jahr 2030. Dies würde ein Ausbau der Fertigung um das 16-Fache bedeuten. Allerdings könnte bei einer schnelleren Akzeptanz der E-Mobilität mittelfristig zumindest die Batterienachfrage das Angebot auch übersteigen. Dazu könnten noch Engpässe in der Rohstoffgewinnung in den nächsten zehn Jahren, sei es aus umwelt- oder geopolitischen Gründen, zu temporären Preisspitzen in den Commodity-Märkten führen.

Während noch vor zehn Jahren die gesamte Produktion von Batteriezellen in Asien stattfand, ist nun der Trend zu beobachten, dass die Zellfertigung näher an die Automobilwerke in Europa heranrücken. Einerseits investieren die chinesischen, japanischen und südkoreanischen Unternehmen in der EU, andererseits holen die Automobilkonzerne auch selbst, zumindest im Rahmen von Joint Ventures in einer Art von „Rückwärtsintegration“ die Herstellung von Batterien und Batteriezellen in den eigenen Konzern. Deshalb gehen die Berater davon aus, dass 2030 die bekannten Hersteller wie LG oder Samsung nur noch für 29 % des produzierten Speichervolumens stehen und die Automobilkonzerne einen Anteil von 30 % erreicht haben werden.

Ein zweiter zentraler Faktor für einen erfolgreichen Wandel des Verkehrssektors ist eine flächendeckende Ladeinfrastruktur. Die erste Generation der E-Automobilisten lade vor allem zu Hause. Rund 80 % von ihnen hätten Zugang zu einer privaten Ladestation. Die nächste Generation sei jedoch stärker auf öffentliche und halböffentliche Ladepunkte angewiesen, da mehr als 50 % der Europäer in Mehrfamilienhäusern leben, schreiben die Autoren.

Fokus auf Emissionen in der Fahrzeugproduktion

„Die Industrie muss daher bis 2030 rund 15.000 Ladepunkte, beispielsweise an Arbeitsplätzen, neu in Betrieb nehmen – und das jede Woche“, sagt Patrick Schaufuss, Partner im Münchner Büro von McKinsey. Denn immerhin werde die durch die E-Mobilität induzierte Stromnachfrage in Europa mehr als 5 % des Gesamtverbrauchs ausmachen. Angesichts der daraus resultierenden Belastungen der Netze, seien Hersteller und Energieversorger gefordert, die Voraussetzungen für intelligentes Laden zu schaffen, das Stromnachfrage und -angebot vor dem Hintergrund der Netzsituation ausbalanciere.

Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Ladeinfrastruktur verlagert sich die Diskussion über das CO2-Reduktionspotenzial der Elektromobilität vom Antrieb der Fahrzeuge auf deren eigentliche Produktion. Denn die CO2-Intensität der E-Autoproduktion liege fast um 80 % höher als bei herkömmlichen Fahrzeugen. Dies liege vor allem am höheren Aluminium-Anteil und der Batterie. Deshalb sind hier ebenfalls Ansatzpunkte zur Verringerung der Treibhausgasemissionen zu suchen.

Damit die Unternehmen die Investitionen in nachhaltige Produktionsprozesse und Materialien auch tatsächlich vornehmen, seien eine kalkulierbare Nachfrage und langfristige Vereinbarungen zwischen Lieferanten und der Automobilindustrie notwendig. Am Ende könnten 2030 tatsächlich Fahrzeuge die Werkshallen verlassen, deren Herstellung bis zu 30 % weniger Emissionen verursacht habe, so die Spezialisten des McKinsey Center for Future Mobility.
 

Donnerstag, 28.10.2021, 09:38 Uhr
Fritz Wilhelm

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