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Energie & Management > Regulierung - Auch Private sollen Preisbremsen beihilferechtlich überwachen
Quelle: Fotolia / Bertold Werkmann
Regulierung

Auch Private sollen Preisbremsen beihilferechtlich überwachen

Der Bund wollte seine Energiepreisbremsen für die Industrie von einer seiner Behörden überwachen lassen. Doch offenbar schafft das keine zeitgerecht. Jetzt sollen Privatunternehmen ran.
Von den 200 Milliarden Euro aus dem Doppel-Wumms, der Haushalte und Unternehmen bis 2024 von gestiegenen Energiekosten entlasten soll, sind zwar bis Ende Februar lediglich 55,3 Milliarden Euro abgerufen worden − das Finanzministerium bestätigte insofern einen Bericht von Business Insider. Demnach floss das Gros in die Rettung angeschlagener Gasimporteure, unter anderem in die Verstaatlichung von Uniper.

Doch gerade wie hoch die Entlastung der Industrie- und sonstiger Unternehmen ausfällt, das hängt von detaillierten Prüfkriterien in den beiden Preisbremsengesetzen ab, die beihilferechtlich mit der EU-Kommission abgestimmt oder anderweitig von ihr vorgegeben sind. Brüssel erwartet gerade von Deutschland Rechenschaft, zumal andere EU-Mitglieder den Doppel-Wumms mehr oder weniger offen als wettbewerbsverzerrendes Rundum-sorglos-Paket kritisiert hatten.

Eine vom Wirtschaftsministerium (BMWK) noch zu benennende "Prüfbehörde" sollte dies alles richten − im Benehmen mit dem Finanzressort (BMF). Eine Bundesbehörde musste es sein. Kartellamt und Netzagentur fielen von vorneherein aus, da sie im Strompreisbremsengesetz und im Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz bereits klar umrissene neue Aufgaben bekommen haben. Das Bundesamt für Justiz? Das Bundesamt für Wirtschaft (Bafa)? Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)? Unklar bis absurd, und jede behördliche Lösung wäre mit der Einrichtung weiterer Planstellen verbunden.

Jedenfalls ist dem Bund drei Monate nach Verabschiedung der Preisbremsen Mitte Dezember 2022 klar, dass ihr Vollzug eine Behörde allein überfordert. "Die Anforderungen an die Prüfbehörde (sind) sehr vielfältig und anspruchsvoll. In der Kürze der Zeit sind diese Aufgaben nicht von einer Behörde alleine darstellbar", antwortet Andreas Mehltretter, auf Fragen dieser Redaktion. Er ist Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für Änderungen an den Preisbremsengesetzen, die sie gemeinsam mit den Grünen und der FDP in den Bundestag eingebracht hat.

Ihre Lösung des bürokratischen Flaschenhals-Problems: Das BMWK soll diese Aufgaben ganz oder teilweise an einen oder mehrere Private übertragen dürfen. Dies kostet nach dessen Schätzung 22 bis 25 Millionen Euro aus dem Doppel-Wumms und ist laut Begründung alternativlos.

"In erster Linie große Wirtschaftsprüfer"

Aber welche Privatunternehmen kommen dafür in Frage? "In erster Linie große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften", vermutet Berichterstatter Mehltretter. Das BMWK werde die Aufgabe aber nach Beschluss der Novelle ausschreiben. Im Rahmen der Ausschreibung werde sich die Eignung herausstellen, so der Sozialdemokrat.

So könnte es dereinst darauf hinauslaufen, dass einer der Big Four (EY, Deloitte, KPMG oder PWC) oder eine andere größere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
  • Entlastungsanträge von Unternehmen entgegennimmt,
  • deren Energielieferverträge, Geschäftsberichte, Energiebezugsmengen, Entnahmestellenlisten, Branchenzuordnungen, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Nachhaltigkeitspläne und Konzernverflechtungen prüft,
  • über die Höhe der Entlastungsbeträge Bescheide gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz ausstellt und eventuell Korrekturen nach unten anordnet,
  • die tatsächlich von den Energieversorgern an ihre Unternehmenskunden geleisteten Entlastungen prüft,
  • überzahlte Beträge zurückfordert,
  • sich von Netzagentur, Übertragungsnetzbetreibern sowie Energieversorgern bei ihren Aufgaben helfen lässt
  • und jährlich dem BMWK Bericht erstattet.
Nur Bußgelder soll der beliehene Unternehmer ebenso wenig erlassen dürfen wie polizeiliche Aufgaben übernehmen.

Die Bedingungen für eine Entlastung (Auswahl)

Der Grund für die vielen Nachweise: Die Entlastungsbeträge haben unterschiedliche Deckel und lösen teilweise Pflichten aus. So gibt es etwa bei Strom für Unternehmen mit "besonderer Betroffenheit" in bestimmten energieintensiven Branchen bis zu 150 Millionen Euro, in anderen energieintensiven nur maximal 50 Millionen Euro. Bei sonstigen Unternehmen ist bei 4 respektive 2 Millionen Euro Schluss, bei Bauern schon bei 250.000 Euro, bei Fischern bei 300.000 Euro.

Je nach Zuordnung werden zwischen 40 und 80 Prozent der "krisenbedingten Energiemehrkosten" gegenüber 2021 erstattet. Der operative Gewinn darf dadurch aber nicht über 70 Prozent des Ebitda von 2021 steigen, und das Unternehmen darf sich dadurch auch nicht in ein positives Ebitda gesundstoßen.

Bei mehr als 2 Millionen Euro Entlastung muss das Unternehmen alle Arbeitsplätze erhalten und dies nachweisen, oberhalb von 25 Millionen Euro Beihilfe dürfen weder Boni noch Dividenden gezahlt werden. Bei 50 Millionen Euro und mehr Entlastung müssen die Begünstigten Pläne abgeben, wie sie mehr Erneuerbare, höhere Energieeffizienz, weniger Erdgas, einen niedrigeren CO-Fußabdruck und mehr Lastverschiebung (DSM) erreichen wollen.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) will im Übrigen vom Doppel-Wumms nur ausgeben, was tatsächlich abgerufen wird, und entsprechend weniger Kredite aufnehmen.

Donnerstag, 16.03.2023, 17:12 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Regulierung - Auch Private sollen Preisbremsen beihilferechtlich überwachen
Quelle: Fotolia / Bertold Werkmann
Regulierung
Auch Private sollen Preisbremsen beihilferechtlich überwachen
Der Bund wollte seine Energiepreisbremsen für die Industrie von einer seiner Behörden überwachen lassen. Doch offenbar schafft das keine zeitgerecht. Jetzt sollen Privatunternehmen ran.
Von den 200 Milliarden Euro aus dem Doppel-Wumms, der Haushalte und Unternehmen bis 2024 von gestiegenen Energiekosten entlasten soll, sind zwar bis Ende Februar lediglich 55,3 Milliarden Euro abgerufen worden − das Finanzministerium bestätigte insofern einen Bericht von Business Insider. Demnach floss das Gros in die Rettung angeschlagener Gasimporteure, unter anderem in die Verstaatlichung von Uniper.

Doch gerade wie hoch die Entlastung der Industrie- und sonstiger Unternehmen ausfällt, das hängt von detaillierten Prüfkriterien in den beiden Preisbremsengesetzen ab, die beihilferechtlich mit der EU-Kommission abgestimmt oder anderweitig von ihr vorgegeben sind. Brüssel erwartet gerade von Deutschland Rechenschaft, zumal andere EU-Mitglieder den Doppel-Wumms mehr oder weniger offen als wettbewerbsverzerrendes Rundum-sorglos-Paket kritisiert hatten.

Eine vom Wirtschaftsministerium (BMWK) noch zu benennende "Prüfbehörde" sollte dies alles richten − im Benehmen mit dem Finanzressort (BMF). Eine Bundesbehörde musste es sein. Kartellamt und Netzagentur fielen von vorneherein aus, da sie im Strompreisbremsengesetz und im Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz bereits klar umrissene neue Aufgaben bekommen haben. Das Bundesamt für Justiz? Das Bundesamt für Wirtschaft (Bafa)? Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)? Unklar bis absurd, und jede behördliche Lösung wäre mit der Einrichtung weiterer Planstellen verbunden.

Jedenfalls ist dem Bund drei Monate nach Verabschiedung der Preisbremsen Mitte Dezember 2022 klar, dass ihr Vollzug eine Behörde allein überfordert. "Die Anforderungen an die Prüfbehörde (sind) sehr vielfältig und anspruchsvoll. In der Kürze der Zeit sind diese Aufgaben nicht von einer Behörde alleine darstellbar", antwortet Andreas Mehltretter, auf Fragen dieser Redaktion. Er ist Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für Änderungen an den Preisbremsengesetzen, die sie gemeinsam mit den Grünen und der FDP in den Bundestag eingebracht hat.

Ihre Lösung des bürokratischen Flaschenhals-Problems: Das BMWK soll diese Aufgaben ganz oder teilweise an einen oder mehrere Private übertragen dürfen. Dies kostet nach dessen Schätzung 22 bis 25 Millionen Euro aus dem Doppel-Wumms und ist laut Begründung alternativlos.

"In erster Linie große Wirtschaftsprüfer"

Aber welche Privatunternehmen kommen dafür in Frage? "In erster Linie große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften", vermutet Berichterstatter Mehltretter. Das BMWK werde die Aufgabe aber nach Beschluss der Novelle ausschreiben. Im Rahmen der Ausschreibung werde sich die Eignung herausstellen, so der Sozialdemokrat.

So könnte es dereinst darauf hinauslaufen, dass einer der Big Four (EY, Deloitte, KPMG oder PWC) oder eine andere größere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
  • Entlastungsanträge von Unternehmen entgegennimmt,
  • deren Energielieferverträge, Geschäftsberichte, Energiebezugsmengen, Entnahmestellenlisten, Branchenzuordnungen, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Nachhaltigkeitspläne und Konzernverflechtungen prüft,
  • über die Höhe der Entlastungsbeträge Bescheide gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz ausstellt und eventuell Korrekturen nach unten anordnet,
  • die tatsächlich von den Energieversorgern an ihre Unternehmenskunden geleisteten Entlastungen prüft,
  • überzahlte Beträge zurückfordert,
  • sich von Netzagentur, Übertragungsnetzbetreibern sowie Energieversorgern bei ihren Aufgaben helfen lässt
  • und jährlich dem BMWK Bericht erstattet.
Nur Bußgelder soll der beliehene Unternehmer ebenso wenig erlassen dürfen wie polizeiliche Aufgaben übernehmen.

Die Bedingungen für eine Entlastung (Auswahl)

Der Grund für die vielen Nachweise: Die Entlastungsbeträge haben unterschiedliche Deckel und lösen teilweise Pflichten aus. So gibt es etwa bei Strom für Unternehmen mit "besonderer Betroffenheit" in bestimmten energieintensiven Branchen bis zu 150 Millionen Euro, in anderen energieintensiven nur maximal 50 Millionen Euro. Bei sonstigen Unternehmen ist bei 4 respektive 2 Millionen Euro Schluss, bei Bauern schon bei 250.000 Euro, bei Fischern bei 300.000 Euro.

Je nach Zuordnung werden zwischen 40 und 80 Prozent der "krisenbedingten Energiemehrkosten" gegenüber 2021 erstattet. Der operative Gewinn darf dadurch aber nicht über 70 Prozent des Ebitda von 2021 steigen, und das Unternehmen darf sich dadurch auch nicht in ein positives Ebitda gesundstoßen.

Bei mehr als 2 Millionen Euro Entlastung muss das Unternehmen alle Arbeitsplätze erhalten und dies nachweisen, oberhalb von 25 Millionen Euro Beihilfe dürfen weder Boni noch Dividenden gezahlt werden. Bei 50 Millionen Euro und mehr Entlastung müssen die Begünstigten Pläne abgeben, wie sie mehr Erneuerbare, höhere Energieeffizienz, weniger Erdgas, einen niedrigeren CO-Fußabdruck und mehr Lastverschiebung (DSM) erreichen wollen.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) will im Übrigen vom Doppel-Wumms nur ausgeben, was tatsächlich abgerufen wird, und entsprechend weniger Kredite aufnehmen.

Donnerstag, 16.03.2023, 17:12 Uhr
Georg Eble

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