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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe -
Quelle: Fotolia / YuI
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe

"Alle müssen sagen: Ja, wir wollen die Energiewende"

Bei einem Kamingespräch in Wien äußerte sich der neue Vorstandsvorsitzende des Verbunds, Michael Strugl, zur Energiewende in Österreich. Ob sie gelingt, ist keineswegs ausgemacht.
Etwa 97 % der Stromerzeugung des Verbunds, des größten österreichischen Stromkonzerns, entfallen auf erneuerbare Energien, insbesondere auf die Wasserkraft. Der Verbund betrachtet sich daher als „Leitunternehmen der Energiewende“ und will das in seinem Außenauftritt verstärkt zeigen, sagte Generaldirektor Michael Strugl bei einem Kamingespräch in Wien. 
Mit einem Werbefilm, der in diesen Wochen im Zuge einer Kampagne im österreichischen Fernsehen läuft, soll am Beispiel der US-Amerikanerin Kathrine Switzer gezeigt werden, dass jede und jeder etwas verändern und wenigstens „einen kleinen Beitrag zu einer besseren Welt leisten“ könne. Switzer war 1967 als erste Frau einen Marathon gelaufen, zu einer Zeit, als Damen bei solchen Wettbewerben offiziell nicht zugelassen waren.

Doch gerade derartiges gesellschaftliches Engagement sei im Zusammenhang mit der Energiewende unverzichtbar, betonte Strugl: „Zu deren Gelingen brauchen wir einen nationalen Schulterschluss. Alle müssen sagen: ‚Ja, wir wollen die Energiewende. Und wir bekennen uns dazu, dass deren Symbole, die Windräder, Photovoltaikanlagen und Stromleitungen, in der Landschaft sichtbar sein werden.‘“
Dass dieser oft genug beschworene Schulterschluss gelingt und Österreich seine klima- und energiepolitischen Ziele erreicht, ist nämlich keineswegs ausgemacht, warnte Strugl.

Wie mehrfach berichtet, will die Bundesregierung die Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energien bis 2030 um rund 27 Mrd. kWh oder etwa 50 % steigern. Damit soll der Jahresbedarf Österreichs an elektrischer Energie bilanziell vollständig mit Ökostrom gedeckt werden. Ferner plant die Regierung, das Land bis 2040 „klimaneutral“ zu machen, also auf den Einsatz fossiler Energieträger so weit wie irgend möglich zu verzichten. 

Strugl zufolge ist das im Sommer vom Bundesparlament beschlossene Paket um das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG-Paket) ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Diesem müssten jedoch etliche weitere Schritte folgen, darunter nicht zuletzt Regelungen für den Wärmesektor und den Einsatz grüner Gase sowie ein neues, an die Erfordernisse der Energiewende angepasstes Elektrizitätswirtschafts- und -Organisationsgesetz (ElWOG): „Über all diese Dinge haben wir noch nicht sachlich diskutiert.“ 

Fehlende Flächen, zersplitterte Kompetenzen 

Außerdem stelle sich die Frage, wie der Ausbau der erneuerbaren Energien erfolgen könne. Aufgrund mangelnder Ausweisung entsprechender Zonen durch die Bundesländer sei es kaum möglich, Flächen für die Errichtung von Ökostromanlagen zu bekommen. Genehmigungsverfahren dauerten nicht zuletzt wegen der zersplitterten energiepolitischen Kompetenzen und der mangelhaften Personalausstattung der Behörden jahrelang. Strugl: „Ich mache mir hier wirklich Sorgen.“ Die Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft seien bereit zu investieren. Allein der Verbund wolle in den kommenden drei Jahren etwa 3 Mrd. Euro aufwenden, davon 480 Mio. Euro für das Projekt Limberg III, den Ausbau des Pumpspeicherkraftwerks Kaprun.

Gefordert sei die Bundes- und Landespolitik, Rechtssicherheit für Investoren zu schaffen und die Genehmigungsverfahren auf eine „vernünftige Dauer“ zu bringen, freilich ohne die Bürgerrechte einzuschränken: „Partizipation und Transparenz sind ja wichtig für die Akzeptanz von Projekten.“ Als ehemaligem Wirtschaftslandesrat Oberösterreichs sei ihm freilich bewusst, dass gegen jedes Vorhaben Einsprüche erhoben werden könnten, räumte Strugl ein: „Manchmal gibt es das schon bei einer Gehsteigverbreiterung.“

Außerdem hätten sich manche Rechtsanwälte mittlerweile darauf spezialisiert, Genehmigungsverfahren in die Länge zu ziehen. Das trage bisweilen zum „Eskalieren“ der Verfahrensdauern bei und werde damit zum Problem für die Betreiber von Projekten. 
 
Vorstandsvorsitzender Michael Strugl beim Blick über das Pumpspeicherkraftwerk Kaprun, das derzeit ausgebaut wird
Quelle: Verbund

Als nicht durchführbar erachtet Strugl, die maximale Länge von Verfahren gesetzlich vorzugeben − speziell wenn es sich um größere Vorhaben handelt. Doch die Betreiber, Politiker und Behörden seien gut beraten, nach Kräften dazu beizutragen, dass bis zur endgültigen Genehmigung beispielsweise von Hochspannungsstromleitungen nicht 15 bis 20 Jahre verstreichen, wie dies bisweilen der Fall ist: „Wir brauchen einigermaßen vernünftige Verfahrensdauern.“ 

Dies gelte umso mehr, als mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien witterungsbedingten Schwankungen der Stromproduktion immer größere Bedeutung bekämen: „Je mehr volatile Erzeugung an die Netze angeschlossen ist, desto schwieriger wird das Balancing in ganz Europa.“ Gefragt, ob damit die Gefahr großflächiger Stromausfälle und Blackouts zunehme, konstatierte Strugl, diese Möglichkeit sei nicht von der Hand zu weisen. Allerdings seien die Netzbetreiber gut auf das Bewältigen von Krisen vorbereitet. Einmal mehr gezeigt habe sich dies bei der Auftrennung des europäischen Stromnetzverbunds am 8. Januar, die nach etwa einer Stunde wieder aufgehoben werden konnte. 

Lob für Fridays-for-Future-Bewegung

Auf die Frage der Redaktion, wie er angesichts derartiger Hindernisse den seit Jahren immer wieder eingemahnten „Schulterschluss“ denn endlich zustande bringen wolle, verwies Strugl auf den römischen Senator Marcus Porcius Cato. Bekanntlich soll dieser jede seiner Reden mit der Forderung nach der Zerstörung Karthagos beendet haben. Ebenso gelte es, den Schulterschluss immer wieder zu verlangen, sagte Strugl: „Man darf damit nicht aufhören. Und es gibt ja auch Fortschritte.“ 

Solche sieht der Verbund-Chef unter anderem in der Fridays-for-Future-Bewegung. Sie habe bewirkt, „dass sich weltweit Regierungen mit dem Klimawandel befassen“. Gefragt sei letzten Endes Mut: „Mut brauchen wir als Energieunternehmen, um Entscheidungen über die Investition von etlichen Milliarden Euro zu treffen. Mut brauchen die Politiker und die Verwaltungsfachleute bei den Genehmigungsverfahren. Mut braucht aber auch die Gesellschaft als Ganzes, um die Energiewende zu bewältigen.“ Dabei gehe es nicht um Wohlstandseinbußen, sehr wohl aber um ein Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit. In technischer Hinsicht ließen sich Abertausende Details der Wende umfassend diskutieren. „Aber das große Thema muss die Energiewende als gesamtgesellschaftliches Anliegen sein“, resümierte Strugl.
 

Zur Person: Michael Strugl

Michael Strugl ist seit 1. Januar Vorstandsvorsitzender des größten österreichischen Stromunternehmens, des Verbunds mit Sitz in Wien. Er übernahm den Posten von Wolfgang Anzengruber, der von 2009 bis 2020 an der Spitze des Verbunds stand. Strugl war seit Juni 2018 dessen Stellvertreter. In seiner Funktion als Wirtschaftslandesrat in Oberösterreich war er seit 2009 Mitglied und seit März 2018 Vorsitzender des Aufsichtsrats der Energie AG Oberösterreich. Seit Mitte 2020 ist er zudem Präsident des Verbands der österreichischen E-Wirtschaft.

Strugl wurde 1963 in Steyr geboren. Der Jurist (mit Promotion) und Wirtschaftswissenschaftler studierte in Linz und Toronto. Er hat gute Verbindungen in die Politik, vor allem zur konservativen ÖVP, für die er zeitweise im Landesparlament von Oberösterreich saß. Von 2017 bis zu seinem Wechsel zum Verbund war Strugl stellvertretender Landeshauptmann in dem Bundesland, vergleichbar der Position eines stellvertretenden Ministerpräsidenten in Deutschland. (sts)
 

Mittwoch, 3.11.2021, 09:31 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe -
Quelle: Fotolia / YuI
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe
"Alle müssen sagen: Ja, wir wollen die Energiewende"
Bei einem Kamingespräch in Wien äußerte sich der neue Vorstandsvorsitzende des Verbunds, Michael Strugl, zur Energiewende in Österreich. Ob sie gelingt, ist keineswegs ausgemacht.
Etwa 97 % der Stromerzeugung des Verbunds, des größten österreichischen Stromkonzerns, entfallen auf erneuerbare Energien, insbesondere auf die Wasserkraft. Der Verbund betrachtet sich daher als „Leitunternehmen der Energiewende“ und will das in seinem Außenauftritt verstärkt zeigen, sagte Generaldirektor Michael Strugl bei einem Kamingespräch in Wien. 
Mit einem Werbefilm, der in diesen Wochen im Zuge einer Kampagne im österreichischen Fernsehen läuft, soll am Beispiel der US-Amerikanerin Kathrine Switzer gezeigt werden, dass jede und jeder etwas verändern und wenigstens „einen kleinen Beitrag zu einer besseren Welt leisten“ könne. Switzer war 1967 als erste Frau einen Marathon gelaufen, zu einer Zeit, als Damen bei solchen Wettbewerben offiziell nicht zugelassen waren.

Doch gerade derartiges gesellschaftliches Engagement sei im Zusammenhang mit der Energiewende unverzichtbar, betonte Strugl: „Zu deren Gelingen brauchen wir einen nationalen Schulterschluss. Alle müssen sagen: ‚Ja, wir wollen die Energiewende. Und wir bekennen uns dazu, dass deren Symbole, die Windräder, Photovoltaikanlagen und Stromleitungen, in der Landschaft sichtbar sein werden.‘“
Dass dieser oft genug beschworene Schulterschluss gelingt und Österreich seine klima- und energiepolitischen Ziele erreicht, ist nämlich keineswegs ausgemacht, warnte Strugl.

Wie mehrfach berichtet, will die Bundesregierung die Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energien bis 2030 um rund 27 Mrd. kWh oder etwa 50 % steigern. Damit soll der Jahresbedarf Österreichs an elektrischer Energie bilanziell vollständig mit Ökostrom gedeckt werden. Ferner plant die Regierung, das Land bis 2040 „klimaneutral“ zu machen, also auf den Einsatz fossiler Energieträger so weit wie irgend möglich zu verzichten. 

Strugl zufolge ist das im Sommer vom Bundesparlament beschlossene Paket um das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG-Paket) ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Diesem müssten jedoch etliche weitere Schritte folgen, darunter nicht zuletzt Regelungen für den Wärmesektor und den Einsatz grüner Gase sowie ein neues, an die Erfordernisse der Energiewende angepasstes Elektrizitätswirtschafts- und -Organisationsgesetz (ElWOG): „Über all diese Dinge haben wir noch nicht sachlich diskutiert.“ 

Fehlende Flächen, zersplitterte Kompetenzen 

Außerdem stelle sich die Frage, wie der Ausbau der erneuerbaren Energien erfolgen könne. Aufgrund mangelnder Ausweisung entsprechender Zonen durch die Bundesländer sei es kaum möglich, Flächen für die Errichtung von Ökostromanlagen zu bekommen. Genehmigungsverfahren dauerten nicht zuletzt wegen der zersplitterten energiepolitischen Kompetenzen und der mangelhaften Personalausstattung der Behörden jahrelang. Strugl: „Ich mache mir hier wirklich Sorgen.“ Die Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft seien bereit zu investieren. Allein der Verbund wolle in den kommenden drei Jahren etwa 3 Mrd. Euro aufwenden, davon 480 Mio. Euro für das Projekt Limberg III, den Ausbau des Pumpspeicherkraftwerks Kaprun.

Gefordert sei die Bundes- und Landespolitik, Rechtssicherheit für Investoren zu schaffen und die Genehmigungsverfahren auf eine „vernünftige Dauer“ zu bringen, freilich ohne die Bürgerrechte einzuschränken: „Partizipation und Transparenz sind ja wichtig für die Akzeptanz von Projekten.“ Als ehemaligem Wirtschaftslandesrat Oberösterreichs sei ihm freilich bewusst, dass gegen jedes Vorhaben Einsprüche erhoben werden könnten, räumte Strugl ein: „Manchmal gibt es das schon bei einer Gehsteigverbreiterung.“

Außerdem hätten sich manche Rechtsanwälte mittlerweile darauf spezialisiert, Genehmigungsverfahren in die Länge zu ziehen. Das trage bisweilen zum „Eskalieren“ der Verfahrensdauern bei und werde damit zum Problem für die Betreiber von Projekten. 
 
Vorstandsvorsitzender Michael Strugl beim Blick über das Pumpspeicherkraftwerk Kaprun, das derzeit ausgebaut wird
Quelle: Verbund

Als nicht durchführbar erachtet Strugl, die maximale Länge von Verfahren gesetzlich vorzugeben − speziell wenn es sich um größere Vorhaben handelt. Doch die Betreiber, Politiker und Behörden seien gut beraten, nach Kräften dazu beizutragen, dass bis zur endgültigen Genehmigung beispielsweise von Hochspannungsstromleitungen nicht 15 bis 20 Jahre verstreichen, wie dies bisweilen der Fall ist: „Wir brauchen einigermaßen vernünftige Verfahrensdauern.“ 

Dies gelte umso mehr, als mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien witterungsbedingten Schwankungen der Stromproduktion immer größere Bedeutung bekämen: „Je mehr volatile Erzeugung an die Netze angeschlossen ist, desto schwieriger wird das Balancing in ganz Europa.“ Gefragt, ob damit die Gefahr großflächiger Stromausfälle und Blackouts zunehme, konstatierte Strugl, diese Möglichkeit sei nicht von der Hand zu weisen. Allerdings seien die Netzbetreiber gut auf das Bewältigen von Krisen vorbereitet. Einmal mehr gezeigt habe sich dies bei der Auftrennung des europäischen Stromnetzverbunds am 8. Januar, die nach etwa einer Stunde wieder aufgehoben werden konnte. 

Lob für Fridays-for-Future-Bewegung

Auf die Frage der Redaktion, wie er angesichts derartiger Hindernisse den seit Jahren immer wieder eingemahnten „Schulterschluss“ denn endlich zustande bringen wolle, verwies Strugl auf den römischen Senator Marcus Porcius Cato. Bekanntlich soll dieser jede seiner Reden mit der Forderung nach der Zerstörung Karthagos beendet haben. Ebenso gelte es, den Schulterschluss immer wieder zu verlangen, sagte Strugl: „Man darf damit nicht aufhören. Und es gibt ja auch Fortschritte.“ 

Solche sieht der Verbund-Chef unter anderem in der Fridays-for-Future-Bewegung. Sie habe bewirkt, „dass sich weltweit Regierungen mit dem Klimawandel befassen“. Gefragt sei letzten Endes Mut: „Mut brauchen wir als Energieunternehmen, um Entscheidungen über die Investition von etlichen Milliarden Euro zu treffen. Mut brauchen die Politiker und die Verwaltungsfachleute bei den Genehmigungsverfahren. Mut braucht aber auch die Gesellschaft als Ganzes, um die Energiewende zu bewältigen.“ Dabei gehe es nicht um Wohlstandseinbußen, sehr wohl aber um ein Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit. In technischer Hinsicht ließen sich Abertausende Details der Wende umfassend diskutieren. „Aber das große Thema muss die Energiewende als gesamtgesellschaftliches Anliegen sein“, resümierte Strugl.
 

Zur Person: Michael Strugl

Michael Strugl ist seit 1. Januar Vorstandsvorsitzender des größten österreichischen Stromunternehmens, des Verbunds mit Sitz in Wien. Er übernahm den Posten von Wolfgang Anzengruber, der von 2009 bis 2020 an der Spitze des Verbunds stand. Strugl war seit Juni 2018 dessen Stellvertreter. In seiner Funktion als Wirtschaftslandesrat in Oberösterreich war er seit 2009 Mitglied und seit März 2018 Vorsitzender des Aufsichtsrats der Energie AG Oberösterreich. Seit Mitte 2020 ist er zudem Präsident des Verbands der österreichischen E-Wirtschaft.

Strugl wurde 1963 in Steyr geboren. Der Jurist (mit Promotion) und Wirtschaftswissenschaftler studierte in Linz und Toronto. Er hat gute Verbindungen in die Politik, vor allem zur konservativen ÖVP, für die er zeitweise im Landesparlament von Oberösterreich saß. Von 2017 bis zu seinem Wechsel zum Verbund war Strugl stellvertretender Landeshauptmann in dem Bundesland, vergleichbar der Position eines stellvertretenden Ministerpräsidenten in Deutschland. (sts)
 

Mittwoch, 3.11.2021, 09:31 Uhr
Klaus Fischer

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