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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Printausgabe - 2030: Mission (im)possible?
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Printausgabe

2030: Mission (im)possible?

Zwar ist in diesem Jahr der Zubau von PV-Anlagen hierzulande weiter gewachsen. Doch gibt es eine Reihe von limitierenden Faktoren, die Sorgen bereiten.
Sonnige Zeiten? Nein, davon kann auch für die deutsche Solarwirtschaft derzeit nicht die Rede sein. Obschon Politiker aus fast allen Parteien für einen offensiven Ausbau von Photovoltaik- und Solarthermieanlagen einstehen und zugleich Auftragsbücher und Projektpipelines bei vielen Solarfirmen und Entwicklern prall gefüllt sind, mag nicht so recht Euphorie aufkommen. Tatsächlich leidet die Branche − wie andere auch − stark unter globalen Lieferengpässen, gestiegenen Preisen und auch gravierenden Versäumnissen von früher. Abgesehen davon herrscht ein Mangel an Solarteuren.

Dabei wären die Perspektiven sonnig. Es ist erklärtes Ziel der Ampel, dass jährlich 15.000 MW dazukommen sollen − eine gigantische Herausforderung, lagen doch die Ausbauzahlen in den letzten Jahren bei 5.000 MW jährlich und darunter.

Und bei Preisen für Strom aus dem Netz, die sich den 50 Ct/kWh nähern, ist die Nachfrage nach eigenem Solarstrom unter Hausbesitzern und Gewerbetreibenden riesig. „Wir können die Nachfrage nicht abarbeiten, weil wir gar nicht ausreichend Technik zur Verfügung haben“, stellt Christian Andresen, geschäftsführender Gesellschafter der nordfriesischen Solarfirma Sea GmbH, ernüchtert fest und spricht dabei sicherlich für viele Branchenakteure. „Es fehlt an Wechselrichtern, an Transformatoren und obendrein sind die Module knapp. Solarzellen sind um 30 Prozent teurer geworden und es herrscht Mangel an Speichertechnik“, ergänzt Andresen. „Deshalb macht der Markt zurzeit nicht wirklich Spaß.“

Deutschland ließ Solarzellen wie eine heiße Kartoffel fallen

Aktuell werden 95 Prozent und mehr aller Komponenten der Solartechnik aus Fernost importiert − die bittere Folge einer deutschen Energiepolitik, die vor zehn Jahren den Hochlauf heimischer Solarzellenproduktion wie eine heiße Kartoffel fallen und nach China abwandern ließ. Diese einstige Fehlentscheidung wiegt in Zeiten von Gasknappheit und teurer Energie doppelt schwer.

Dennoch zeigt sich beispielsweise Anna Heimsath vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg optimistisch. „Wir haben Lieferengpässe, doch bin ich fest davon überzeugt, dass wir die angestrebten Ausbauziele erreichen können“, so die Abteilungsleiterin Analyse, Module und Kraftwerke. Heimsath wirft dabei ihren Blick auf die gesamte Bandbreite der solaren Energieerzeugung:
  • von der klassischen PV-Anlage auf Dächern
  • über die Freiflächenanlagen auf Deponien und anderen Sonderflächen
  • bis hin zur Agri-PV, bei der sich gleichzeitig Strom und Früchte ernten lassen.
  • Hinzu kommen schwimmende Anlagen (Floating PV)
  • ​und Schallschutzwände mit integrierten PV-Modulen.
Die Dekarbonisierung der hiesigen Industrie werde, schätzt Heimsath, nur mit Großkraftwerken in Deutschland, aber auch im Ausland gelingen, ob nun solarthermisch oder photovoltaisch.
 
Ein Vielfaches auf die Dächer 

Derweil überschlagen sich wohlfeile Angebote von Dachanlagen mit und ohne Kellerspeichern im Internet: Anbieter wittern in der „Zeitenwende“ große Profite, weil wohl jeder, aus welchem Motiv auch immer, nach Wegen sucht, sich aus der Energiepreissackgasse herauszuwinden. Diesen Umstand nutzen Internet-Verkäufer von PV-Anlagen und kombinierten Speichern.

„Die in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Strompreise haben bei Verbraucherinnen und Verbrauchern den Wunsch nach einem eigenen Solardach deutlich verstärkt“, registriert auch Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW). „Dies lässt sich gut an aktuellen Daten der Bundesnetzagentur ablesen. Demnach wurde in den ersten acht Monaten dieses Jahres viermal so viel installierte Leistung durch Solarstromanlagen auf Eigenheimen gemeldet wie noch im vergleichbaren Zeitraum 2019.“
 
BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig
Quelle: BSW Solar

Laut einer im Frühjahr durchgeführten Repräsentativumfrage des BSW plant jeder zehnte Immobilienbesitzer, in den kommenden zwölf Monaten eine Solaranlage zur Strom- oder Wärmeerzeugung zu errichten. Es gibt wegen der hohen Brennstoffpreise auch Überlegungen, nur Solarstrom zu erzeugen und daraus dann auch Wärme. Dieser Ansatz ist vor allem dort von Interesse, wo das Netz schon jetzt überlastet ist, wo es also nicht mehr die ganze Einspeisung von Strom aus Wind, PV und Biogas weiterleiten kann. Genau dann läge eine Verwertung nahe, um Wärme oder Wasserstoff zu produzieren. Wasserstoff ist aber wirtschaftlich immer noch nicht darstellbar.

Es geht voran 

Dennoch: Es geht voran. Experten gehen davon aus, dass im Jahr 2022 in Deutschland 7.000 MW installiert werden. Das wären 2.000 mehr als 2021. Der Bundesgesetzgeber peilt für 2023 schon 9.000 MW an, für 2024 eine Höhe von 13.000 MW, 18.000 MW für 2025 und von 2026 an 22.000 MW jährlich. „In so kurzer Zeit kann das nur gelingen, wenn jetzt sehr schnell und konsequent weitere Marktbarrieren abgebaut und Investitionsbedingungen weiter verbessert werden“, meint BSW-Hauptgeschäftsführer Körnig.

Nötig sei deshalb die Initiierung eines Solarbeschleunigungsgesetzes noch in diesem Jahr, um die heimischen Solarpotenziale zu heben und die Abhängigkeit von Energieimporten schnell zu verringern. „Die Bundesregierung hatte im Frühjahr ein Solarbeschleunigungspaket angekündigt, im Rahmen der letzten Novelle des EEG und des Energiesicherungsgesetzes die Investitionsbedingungen auch etwas verbessert, aber einen wirklichen Solarbooster noch nicht gezündet“, kritisiert Körnig. 

Dabei ist allen Akteuren klar, dass der künftige Ausbau davon abhängt, wie schnell sich neue Fertigungsstätten in Deutschland beziehungsweise Europa etablieren. Noch sind Hersteller wie der Schweizer Konzern Meyer Burger, der sowohl in Bitterfeld-Wolfen (Sachsen-Anhalt) als auch in der Nähe von Freiberg (Sachsen) neue Fertigungsstraßen für Solarzellen errichtet hat, allerdings eine der Ausnahmen in Europa. Und dessen Produktionsvolumen reicht bei Weitem nicht aus, um den Markt zu bedienen. Daher brauche es, so der BSW weiter, klare industriepolitische Signale aus Berlin und Brüssel.

Fast trotzige Zuversicht 

In der Solarbranche ist eine fast trotzige Zuversicht zu spüren, dass die Ausbauziele bis 2030 doch erreichbar sind. Wie bei Juwi im rheinland-pfälzischen Wörrstadt. Bislang hat das Planungsunternehmen 1.850 PV-Anlagen auf Frei- oder Dachflächen errichtet, darunter das Stadiondach von Fußball-Bundesligist Mainz 05; zusammengerechnet kommt Juwi auf 3.250 MW.

Das jüngste Projekt des international agierenden Unternehmens mit 1.155 Mitarbeitern liegt bei Seckach im Nordosten Baden-Württembergs: Dort ging eine 10 MW leistende PV-Freiflächenanlage mit einem 3-MW-Speicher ans Netz. „Es läuft“, freut sich Unternehmenssprecher Christian Hinsch.

Zugleich fordert der Juwi-Mann die Bundespolitik hinsichtlich der anhaltenden Lieferprobleme auf, „mehr zeitlichen Spielraum zwischen Ausschreibungsvergabe und Realisierung zu geben. Sonst wird es eng für viele Projekte.“

Donnerstag, 15.12.2022, 10:00 Uhr
Dierk Jensen
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Printausgabe - 2030: Mission (im)possible?
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Printausgabe
2030: Mission (im)possible?
Zwar ist in diesem Jahr der Zubau von PV-Anlagen hierzulande weiter gewachsen. Doch gibt es eine Reihe von limitierenden Faktoren, die Sorgen bereiten.
Sonnige Zeiten? Nein, davon kann auch für die deutsche Solarwirtschaft derzeit nicht die Rede sein. Obschon Politiker aus fast allen Parteien für einen offensiven Ausbau von Photovoltaik- und Solarthermieanlagen einstehen und zugleich Auftragsbücher und Projektpipelines bei vielen Solarfirmen und Entwicklern prall gefüllt sind, mag nicht so recht Euphorie aufkommen. Tatsächlich leidet die Branche − wie andere auch − stark unter globalen Lieferengpässen, gestiegenen Preisen und auch gravierenden Versäumnissen von früher. Abgesehen davon herrscht ein Mangel an Solarteuren.

Dabei wären die Perspektiven sonnig. Es ist erklärtes Ziel der Ampel, dass jährlich 15.000 MW dazukommen sollen − eine gigantische Herausforderung, lagen doch die Ausbauzahlen in den letzten Jahren bei 5.000 MW jährlich und darunter.

Und bei Preisen für Strom aus dem Netz, die sich den 50 Ct/kWh nähern, ist die Nachfrage nach eigenem Solarstrom unter Hausbesitzern und Gewerbetreibenden riesig. „Wir können die Nachfrage nicht abarbeiten, weil wir gar nicht ausreichend Technik zur Verfügung haben“, stellt Christian Andresen, geschäftsführender Gesellschafter der nordfriesischen Solarfirma Sea GmbH, ernüchtert fest und spricht dabei sicherlich für viele Branchenakteure. „Es fehlt an Wechselrichtern, an Transformatoren und obendrein sind die Module knapp. Solarzellen sind um 30 Prozent teurer geworden und es herrscht Mangel an Speichertechnik“, ergänzt Andresen. „Deshalb macht der Markt zurzeit nicht wirklich Spaß.“

Deutschland ließ Solarzellen wie eine heiße Kartoffel fallen

Aktuell werden 95 Prozent und mehr aller Komponenten der Solartechnik aus Fernost importiert − die bittere Folge einer deutschen Energiepolitik, die vor zehn Jahren den Hochlauf heimischer Solarzellenproduktion wie eine heiße Kartoffel fallen und nach China abwandern ließ. Diese einstige Fehlentscheidung wiegt in Zeiten von Gasknappheit und teurer Energie doppelt schwer.

Dennoch zeigt sich beispielsweise Anna Heimsath vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg optimistisch. „Wir haben Lieferengpässe, doch bin ich fest davon überzeugt, dass wir die angestrebten Ausbauziele erreichen können“, so die Abteilungsleiterin Analyse, Module und Kraftwerke. Heimsath wirft dabei ihren Blick auf die gesamte Bandbreite der solaren Energieerzeugung:
  • von der klassischen PV-Anlage auf Dächern
  • über die Freiflächenanlagen auf Deponien und anderen Sonderflächen
  • bis hin zur Agri-PV, bei der sich gleichzeitig Strom und Früchte ernten lassen.
  • Hinzu kommen schwimmende Anlagen (Floating PV)
  • ​und Schallschutzwände mit integrierten PV-Modulen.
Die Dekarbonisierung der hiesigen Industrie werde, schätzt Heimsath, nur mit Großkraftwerken in Deutschland, aber auch im Ausland gelingen, ob nun solarthermisch oder photovoltaisch.
 
Ein Vielfaches auf die Dächer 

Derweil überschlagen sich wohlfeile Angebote von Dachanlagen mit und ohne Kellerspeichern im Internet: Anbieter wittern in der „Zeitenwende“ große Profite, weil wohl jeder, aus welchem Motiv auch immer, nach Wegen sucht, sich aus der Energiepreissackgasse herauszuwinden. Diesen Umstand nutzen Internet-Verkäufer von PV-Anlagen und kombinierten Speichern.

„Die in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Strompreise haben bei Verbraucherinnen und Verbrauchern den Wunsch nach einem eigenen Solardach deutlich verstärkt“, registriert auch Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW). „Dies lässt sich gut an aktuellen Daten der Bundesnetzagentur ablesen. Demnach wurde in den ersten acht Monaten dieses Jahres viermal so viel installierte Leistung durch Solarstromanlagen auf Eigenheimen gemeldet wie noch im vergleichbaren Zeitraum 2019.“
 
BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig
Quelle: BSW Solar

Laut einer im Frühjahr durchgeführten Repräsentativumfrage des BSW plant jeder zehnte Immobilienbesitzer, in den kommenden zwölf Monaten eine Solaranlage zur Strom- oder Wärmeerzeugung zu errichten. Es gibt wegen der hohen Brennstoffpreise auch Überlegungen, nur Solarstrom zu erzeugen und daraus dann auch Wärme. Dieser Ansatz ist vor allem dort von Interesse, wo das Netz schon jetzt überlastet ist, wo es also nicht mehr die ganze Einspeisung von Strom aus Wind, PV und Biogas weiterleiten kann. Genau dann läge eine Verwertung nahe, um Wärme oder Wasserstoff zu produzieren. Wasserstoff ist aber wirtschaftlich immer noch nicht darstellbar.

Es geht voran 

Dennoch: Es geht voran. Experten gehen davon aus, dass im Jahr 2022 in Deutschland 7.000 MW installiert werden. Das wären 2.000 mehr als 2021. Der Bundesgesetzgeber peilt für 2023 schon 9.000 MW an, für 2024 eine Höhe von 13.000 MW, 18.000 MW für 2025 und von 2026 an 22.000 MW jährlich. „In so kurzer Zeit kann das nur gelingen, wenn jetzt sehr schnell und konsequent weitere Marktbarrieren abgebaut und Investitionsbedingungen weiter verbessert werden“, meint BSW-Hauptgeschäftsführer Körnig.

Nötig sei deshalb die Initiierung eines Solarbeschleunigungsgesetzes noch in diesem Jahr, um die heimischen Solarpotenziale zu heben und die Abhängigkeit von Energieimporten schnell zu verringern. „Die Bundesregierung hatte im Frühjahr ein Solarbeschleunigungspaket angekündigt, im Rahmen der letzten Novelle des EEG und des Energiesicherungsgesetzes die Investitionsbedingungen auch etwas verbessert, aber einen wirklichen Solarbooster noch nicht gezündet“, kritisiert Körnig. 

Dabei ist allen Akteuren klar, dass der künftige Ausbau davon abhängt, wie schnell sich neue Fertigungsstätten in Deutschland beziehungsweise Europa etablieren. Noch sind Hersteller wie der Schweizer Konzern Meyer Burger, der sowohl in Bitterfeld-Wolfen (Sachsen-Anhalt) als auch in der Nähe von Freiberg (Sachsen) neue Fertigungsstraßen für Solarzellen errichtet hat, allerdings eine der Ausnahmen in Europa. Und dessen Produktionsvolumen reicht bei Weitem nicht aus, um den Markt zu bedienen. Daher brauche es, so der BSW weiter, klare industriepolitische Signale aus Berlin und Brüssel.

Fast trotzige Zuversicht 

In der Solarbranche ist eine fast trotzige Zuversicht zu spüren, dass die Ausbauziele bis 2030 doch erreichbar sind. Wie bei Juwi im rheinland-pfälzischen Wörrstadt. Bislang hat das Planungsunternehmen 1.850 PV-Anlagen auf Frei- oder Dachflächen errichtet, darunter das Stadiondach von Fußball-Bundesligist Mainz 05; zusammengerechnet kommt Juwi auf 3.250 MW.

Das jüngste Projekt des international agierenden Unternehmens mit 1.155 Mitarbeitern liegt bei Seckach im Nordosten Baden-Württembergs: Dort ging eine 10 MW leistende PV-Freiflächenanlage mit einem 3-MW-Speicher ans Netz. „Es läuft“, freut sich Unternehmenssprecher Christian Hinsch.

Zugleich fordert der Juwi-Mann die Bundespolitik hinsichtlich der anhaltenden Lieferprobleme auf, „mehr zeitlichen Spielraum zwischen Ausschreibungsvergabe und Realisierung zu geben. Sonst wird es eng für viele Projekte.“

Donnerstag, 15.12.2022, 10:00 Uhr
Dierk Jensen

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