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Energie & Management > Wärme - Studie rät für die Wärmewende zur Niedertemperatur
Quelle: Fotolia / Ralf Kalytta
Wärme

Studie rät für die Wärmewende zur Niedertemperatur

Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) untersuchte Niedertemperatur-Heizungen als einen Weg, in Kommunen erneuerbare Nahwärme bezahlbar umzusetzen.
In den meisten EU-Ländern steht die Wärmewende weg von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Erdöl oder Erdgas auf der Tagesordnung. Das diene sowohl der sicheren Versorgung als auch dem Klimaschutz. Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) untersuchte, wie Niedertemperatur-Heizungen in Kommunen erneuerbare Nahwärme bezahlbar umsetzen. Als Beispiel untersuchten die Forschenden Steinheim an der Murr bei Stuttgart.

Die Stadt unterstützt zunächst die Hausbesitzer mit einer Energieberatung. Wenn sich der energetische Standard der Gebäude durch Sanierungen verbessert, soll ein Nahwärmenetz mit niedrigem Temperaturniveau aufgebaut werden. „Der Ausbau der Niedertemperatur-Wärme wie in Steinheim ist der richtige erste Schritt, um die Wärmewende in den Kommunen umzusetzen“, erklärte Martin Pehnt, Studienleiter und Geschäftsführer des Ifeu.

Niedertemperatur gegen Energieverschwendung

Die Kombination von Temperaturabsenkung in einzelnen Gebäuden und dem folgenden Ausbau der Fernwärmeversorgung, die auch von großen Wärmepumpen gespeist wird, sei in Städten und Gemeinden ein neuer Weg, die Welt der Öl- und Gas-gestützten Heizungen zu verlassen. Ältere Heizsysteme in Europa arbeiten oft mit Temperaturen von 70 Grad und mehr Vorlauftemperatur. Diese hohen Temperaturen sind bei moderneren Heizungsanlagen nicht notwendig.

„Niedertemperatursysteme“ arbeiten dagegen auch an den kältesten Tagen des Jahres mit weniger als 55 Grad. Oftmals genüge es, zu kleine Heizkörper gezielt auszutauschen. Auch ein hydraulischer Abgleich des Heizkreises, die Dämmung von Teilen der Gebäudehülle oder der Austausch von alten Fenstern und Türen helfen, die benötigte Vorlauftemperatur zu senken. „Das niedrige Temperaturniveau macht den Einsatz von Wärmepumpen, Solarkollektoren und Fernwärme attraktiver und kostengünstiger“, erläuterte Pehnt.

Das untersuchte Viertel in Steinheim sei wegen der dort vorherrschenden Öl- und Gaskessel und seiner relativ dünnen Bebauung eigentlich nicht für den Ausbau der Fernwärme prädestiniert, sagte Pehnt. Die beratende Energieagentur Kreis Ludwigsburg war dennoch erfolgreich mit der Idee, eine kostengünstige und weitgehend auf Erneuerbaren aufbauende Versorgung mit Fernwärme anzubieten. Die Erfahrungen mit den enormen Energiepreissteigerungen bei Gas infolge des Ukraine-Krieges hätten die Vorteile der erneuerbaren Energien vielen Menschen klar vor Augen geführt.

Erst sanieren, dann Fernwärme ausbauen

Das Niedertemperatur-Fernwärmenetz entlaste die Bürgerinnen und Bürger von den Kosten und dem Aufwand, ihre Gebäude individuell umzurüsten. Damit alle angeschlossenen Gebäude "niedertemperaturfähig" sind, werden zunächst Energieberatungen und Sanierungsfahrpläne erstellt. Dazu wird auch eine raumweise Heizlastberechnung erstellt.

Weil nicht alle Gebäude vom Start weg bereit für kühleres Heizen sind, wird die Nahwärme zunächst mit 64 Grad betrieben und erst um 2030 herum auf 58 Grad gesenkt. Der Erfolg: Im Schnitt sinken die Wärmeverluste und damit die Energiekosten im Netz verglichen zu 90-Grad-Systemen um 30 Prozent. Die städtische Gesellschaft als Betreiber des Fernwärmenetzes setze nicht auf Gewinnmaximierung.
 
Vorgesehene Energiequellen für das Wärmenetz von Steinheim (CHP ist Kraft-Wärme-Kopplung) - Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken
Quelle: Wärmenetz Steinheim

Vorbild für ganz Europa

„Die Erfahrungen etwa aus Steinheim können ein Role-Model für Gemeinden in ganz Deutschland und Europa sein“, erklärt Pehnt. Die Studie „Towards low flow temperatures: Making buildings ready for heat pumps and modern district heat“ (Richtung Niedertemperatur-Wärme: Gebäude fit machen für Wärmepumpen und moderne Nahwärmenetze) hat das Ifeu zusammen mit der NGO „The Regulatory Assistance Project“ (RAP) erstellt. Sie wurde von der European Climate Foundation gefördert und untersuchte dabei auch die Übertragbarkeit des Konzeptes der Niedertemperaturfähigkeit auf andere europäische Mitgliedsstaaten und die Einbeziehung der Vorlauftemperatur in Förderprogrammen, Informationsaktivitäten und rechtliche Instrumente.

Zugleich nennen die Autoren politische Rahmenbedingungen für die Wärmewende:
  • Definieren einer langfristigen Vision eines klimaneutralen Gebäudebestands, mit Priorität Niedrigtemperatur-Bereitschaft,
  • Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien,
  • Sensibilisierung der Gebäudeeigentümer und der Industrie für bestehende Heizungsanlagen,
  • Integration von Tieftemperaturtests oder -bereitschaft in Inspektionen, Beratung, Audits und Bewertungen,
  • Erstellung eines Niedrigtemperatur-Bereitschaftsindikators und von Maßnahmen zur Erreichung durch Energieleistungsnachweise und Gebäudesanierungspässe,
  • Finanzierungsprogramme für Sanierung und Heizungstausch
  • Normalisierung der Niedertemperaturerwärmung durch Produktstandards und
  • Vorschreiben der Niedrigtemperatur-Bereitschaft durch Baunormen.

Die Studie zur Niedertemperatur-Nahwärme steht in englischer Sprache im Internet bereit.

Donnerstag, 22.06.2023, 12:13 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Wärme - Studie rät für die Wärmewende zur Niedertemperatur
Quelle: Fotolia / Ralf Kalytta
Wärme
Studie rät für die Wärmewende zur Niedertemperatur
Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) untersuchte Niedertemperatur-Heizungen als einen Weg, in Kommunen erneuerbare Nahwärme bezahlbar umzusetzen.
In den meisten EU-Ländern steht die Wärmewende weg von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Erdöl oder Erdgas auf der Tagesordnung. Das diene sowohl der sicheren Versorgung als auch dem Klimaschutz. Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) untersuchte, wie Niedertemperatur-Heizungen in Kommunen erneuerbare Nahwärme bezahlbar umsetzen. Als Beispiel untersuchten die Forschenden Steinheim an der Murr bei Stuttgart.

Die Stadt unterstützt zunächst die Hausbesitzer mit einer Energieberatung. Wenn sich der energetische Standard der Gebäude durch Sanierungen verbessert, soll ein Nahwärmenetz mit niedrigem Temperaturniveau aufgebaut werden. „Der Ausbau der Niedertemperatur-Wärme wie in Steinheim ist der richtige erste Schritt, um die Wärmewende in den Kommunen umzusetzen“, erklärte Martin Pehnt, Studienleiter und Geschäftsführer des Ifeu.

Niedertemperatur gegen Energieverschwendung

Die Kombination von Temperaturabsenkung in einzelnen Gebäuden und dem folgenden Ausbau der Fernwärmeversorgung, die auch von großen Wärmepumpen gespeist wird, sei in Städten und Gemeinden ein neuer Weg, die Welt der Öl- und Gas-gestützten Heizungen zu verlassen. Ältere Heizsysteme in Europa arbeiten oft mit Temperaturen von 70 Grad und mehr Vorlauftemperatur. Diese hohen Temperaturen sind bei moderneren Heizungsanlagen nicht notwendig.

„Niedertemperatursysteme“ arbeiten dagegen auch an den kältesten Tagen des Jahres mit weniger als 55 Grad. Oftmals genüge es, zu kleine Heizkörper gezielt auszutauschen. Auch ein hydraulischer Abgleich des Heizkreises, die Dämmung von Teilen der Gebäudehülle oder der Austausch von alten Fenstern und Türen helfen, die benötigte Vorlauftemperatur zu senken. „Das niedrige Temperaturniveau macht den Einsatz von Wärmepumpen, Solarkollektoren und Fernwärme attraktiver und kostengünstiger“, erläuterte Pehnt.

Das untersuchte Viertel in Steinheim sei wegen der dort vorherrschenden Öl- und Gaskessel und seiner relativ dünnen Bebauung eigentlich nicht für den Ausbau der Fernwärme prädestiniert, sagte Pehnt. Die beratende Energieagentur Kreis Ludwigsburg war dennoch erfolgreich mit der Idee, eine kostengünstige und weitgehend auf Erneuerbaren aufbauende Versorgung mit Fernwärme anzubieten. Die Erfahrungen mit den enormen Energiepreissteigerungen bei Gas infolge des Ukraine-Krieges hätten die Vorteile der erneuerbaren Energien vielen Menschen klar vor Augen geführt.

Erst sanieren, dann Fernwärme ausbauen

Das Niedertemperatur-Fernwärmenetz entlaste die Bürgerinnen und Bürger von den Kosten und dem Aufwand, ihre Gebäude individuell umzurüsten. Damit alle angeschlossenen Gebäude "niedertemperaturfähig" sind, werden zunächst Energieberatungen und Sanierungsfahrpläne erstellt. Dazu wird auch eine raumweise Heizlastberechnung erstellt.

Weil nicht alle Gebäude vom Start weg bereit für kühleres Heizen sind, wird die Nahwärme zunächst mit 64 Grad betrieben und erst um 2030 herum auf 58 Grad gesenkt. Der Erfolg: Im Schnitt sinken die Wärmeverluste und damit die Energiekosten im Netz verglichen zu 90-Grad-Systemen um 30 Prozent. Die städtische Gesellschaft als Betreiber des Fernwärmenetzes setze nicht auf Gewinnmaximierung.
 
Vorgesehene Energiequellen für das Wärmenetz von Steinheim (CHP ist Kraft-Wärme-Kopplung) - Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken
Quelle: Wärmenetz Steinheim

Vorbild für ganz Europa

„Die Erfahrungen etwa aus Steinheim können ein Role-Model für Gemeinden in ganz Deutschland und Europa sein“, erklärt Pehnt. Die Studie „Towards low flow temperatures: Making buildings ready for heat pumps and modern district heat“ (Richtung Niedertemperatur-Wärme: Gebäude fit machen für Wärmepumpen und moderne Nahwärmenetze) hat das Ifeu zusammen mit der NGO „The Regulatory Assistance Project“ (RAP) erstellt. Sie wurde von der European Climate Foundation gefördert und untersuchte dabei auch die Übertragbarkeit des Konzeptes der Niedertemperaturfähigkeit auf andere europäische Mitgliedsstaaten und die Einbeziehung der Vorlauftemperatur in Förderprogrammen, Informationsaktivitäten und rechtliche Instrumente.

Zugleich nennen die Autoren politische Rahmenbedingungen für die Wärmewende:
  • Definieren einer langfristigen Vision eines klimaneutralen Gebäudebestands, mit Priorität Niedrigtemperatur-Bereitschaft,
  • Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien,
  • Sensibilisierung der Gebäudeeigentümer und der Industrie für bestehende Heizungsanlagen,
  • Integration von Tieftemperaturtests oder -bereitschaft in Inspektionen, Beratung, Audits und Bewertungen,
  • Erstellung eines Niedrigtemperatur-Bereitschaftsindikators und von Maßnahmen zur Erreichung durch Energieleistungsnachweise und Gebäudesanierungspässe,
  • Finanzierungsprogramme für Sanierung und Heizungstausch
  • Normalisierung der Niedertemperaturerwärmung durch Produktstandards und
  • Vorschreiben der Niedrigtemperatur-Bereitschaft durch Baunormen.

Die Studie zur Niedertemperatur-Nahwärme steht in englischer Sprache im Internet bereit.

Donnerstag, 22.06.2023, 12:13 Uhr
Susanne Harmsen

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