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Energie & Management > Stromnetz - Strom- und Gasmarkt-Reform ist durchs EU-Parlament
Quelle: Fotolia / Gina Sanders
Stromnetz

Strom- und Gasmarkt-Reform ist durchs EU-Parlament

Auf den europäischen Elektrizitätsmärkten soll ein neues „Design“ für mehr Stabilität und Nachhaltigkeit sorgen. In den Gasmarkt werden erstmals „grüne“ Gase einbezogen.
Das Europäische Parlament verabschiedete auf seiner vorletzten Sitzung in Brüssel mit großer Mehrheit die mit dem Ministerrat vereinbarten neuen Regeln für die Strom- und Gasmärkte in der EU. Die Kommission hatte die Vorschläge vor einem Jahr unterbreitet, um dem starken Anstieg der Energiepreise nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine Rechnung zu tragen.

Der Elektrizitätsmarkt soll unabhängiger von der Entwicklung der Gaspreise und krisenfester gemacht werden. Der Übergang zu einer emissionsfreien Stromerzeugung soll beschleunigt werden.

​Zwei Standardinstrumente

Die beiden Standardinstrumente zur Förderung emissionsfreier Kraftwerke sind in Zukunft „zweiseitige Differenzverträge“ (CfD) und langfristige Lieferverträge (PPA) zwischen Erzeugern und (vorwiegend industriellen) Abnehmern. Im Rahmen von CfD wird dem Investor von den Behörden ein Mindestpreis garantiert. Erhält der Betreiber am Markt mehr als einen Höchstbetrag, muss er die höheren Einnahmen ganz oder teilweise an den Staat abführen. Dies ist zwar in einigen Mitgliedsstaaten und auch in Großbritannien bereits jetzt der Fall, nicht aber im deutschen EEG.

Gefördert werden die Bereitstellung zusätzlicher Erzeugungskapazitäten (Neubau, Repowering, Laufzeitverlängerung) auf der Grundlage von Wind-, Solar- und geothermischer Energie sowie Wasser- und Atomkraftwerke. Laufende Projekte können noch für drei Jahre anders gefördert werden.

Einnahmen aus CfD können für Direktzahlungen verwendet werden, um zur Endverbraucher zu entlasen, um die Strompreise zu senken oder für Investitionen, um die Stromkosten zu reduzieren. Die genaue Vereinbarung bedarf der beihilferechtlichen Genehmigung durch die EU-Kommission.
 
 
Die Vereinbarung von CfD und PPA ist in jedem Fall freiwillig, sowohl für die Mitgliedsstaaten als auch für die Unternehmen. Die Kommission soll eine Plattform für PPA einrichten, damit ein europäischer Markt dafür entsteht.

Befristete Kapazitätsmärkte für Kohle

Als Reserve, die dem Elektrizitätsmarkt im Rahmen von Kapazitätsmechanismen (CM) zur Verfügung steht, dürfen die Mitgliedsstaaten befristet Kohlekraftwerke einsetzen, die mehr CO2 ausstoßen, als normalerweise erlaubt ist. Damit kann vor allem Polen seine Kohlekraftwerke länger am Netz halten. Es werde jedoch dafür gesorgt, dass Länder, die über CM ihre Versorgung sichern, ihre Klimaziele einhalten, heißt es in Brüssel.

Abschaffung der Stromsperren und andere Verbraucherthemen

Neue Regeln gelten besonders für den Krisenfall. Eine regionale oder europäische Energiekrise kann vom Ministerrat auf Antrag der EU-Kommission ausgerufen werden. Danach können die Mitgliedsstaaten Maßnahmen zur Stabilisierung der Strompreise sowohl für private als auch für gewerbliche Verbraucher ergreifen.

Sozial schwache Verbraucher können außerdem von bestimmten Lasten aus der Klimapolitik befreit werden, und niemandem darf der Strom abgestellt werden, weil er seine höhere Stromrechnung nicht bezahlen kann.

Um die Verbraucher vor starken und plötzlichen Preisschwankungen zu schützen, müssen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass sie sowohl Festpreisverträge abschließen als auch „dynamische“ Preise vereinbaren können. Letztere sollen einen Anreiz darstellen, Strom vor allem dann zu verbrauchen, wenn die Last gering ist, und in Spitzenlastzeiten zu sparen (Lastverlagerung).

Enddatum für langfristige Verträge mit fossilen Gasen

Auf dem Gasmarkt soll der gemeinsame Gaseinkauf auf der Plattform „Aggregate EU“ ausgebaut werden. Damit soll vermieden werden, dass die europäischen Versorger im Wettbewerb auf dem Weltmarkt die Preise treiben. Langfristige Lieferverträge für fossile Gase dürfen nur noch bis 2049 abgeschlossen werden.

Den Mitgliedsstaaten wird ferner erlaubt, Gaslieferungen einschließlich LNG aus Russland und Weißrussland zu beschränken. Für Krisenzeiten werden Regeln zur grenzüberschreitenden Belieferung mit Gas eingeführt, einschließlich der dafür anfallenden Vergütungen.

Großer Rechtsrahmen für „grüne Gase“

Erstmals werden auch „grüne“ Gase (Wasserstoff, Biomethan et cetera) in die Regeln für die Gasmärkte einbezogen. Grundsätzlich sollen für sie die gleichen Regeln gelten wie für fossile Gase, auch wenn für das Unbundling (Entflechtung von Erzeugung und Gasverkauf vom Netzgeschäft) und den Netzzugang Dritter Ausnahmen und Ãœbergangsfristen gelten.

Für das Wasserstoffnetz, das in den nächsten Jahren entstehen soll, wird ferner ein Dachverband der Wasserstoffnetzbetreiber (EU Entity for Hydrogen Network Operators: ENNOH, entsprechend den bestehenden Dachverbänden ENTSO-E und ENTSO-G) gebildet, der Aufgaben der Regulierung wahrnehmen und eine reibungslose Zusammenarbeit der Betreiber bewirken soll.

Bei der Festlegung der Tarife für das Wasserstoffnetz müssen die nationalen Regulierungsbehörden ihre Kollegen in den Nachbarländern und die europäische Energieregulierer-Agentur ACER konsultieren.

Donnerstag, 11.04.2024, 15:17 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Stromnetz - Strom- und Gasmarkt-Reform ist durchs EU-Parlament
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Stromnetz
Strom- und Gasmarkt-Reform ist durchs EU-Parlament
Auf den europäischen Elektrizitätsmärkten soll ein neues „Design“ für mehr Stabilität und Nachhaltigkeit sorgen. In den Gasmarkt werden erstmals „grüne“ Gase einbezogen.
Das Europäische Parlament verabschiedete auf seiner vorletzten Sitzung in Brüssel mit großer Mehrheit die mit dem Ministerrat vereinbarten neuen Regeln für die Strom- und Gasmärkte in der EU. Die Kommission hatte die Vorschläge vor einem Jahr unterbreitet, um dem starken Anstieg der Energiepreise nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine Rechnung zu tragen.

Der Elektrizitätsmarkt soll unabhängiger von der Entwicklung der Gaspreise und krisenfester gemacht werden. Der Übergang zu einer emissionsfreien Stromerzeugung soll beschleunigt werden.

​Zwei Standardinstrumente

Die beiden Standardinstrumente zur Förderung emissionsfreier Kraftwerke sind in Zukunft „zweiseitige Differenzverträge“ (CfD) und langfristige Lieferverträge (PPA) zwischen Erzeugern und (vorwiegend industriellen) Abnehmern. Im Rahmen von CfD wird dem Investor von den Behörden ein Mindestpreis garantiert. Erhält der Betreiber am Markt mehr als einen Höchstbetrag, muss er die höheren Einnahmen ganz oder teilweise an den Staat abführen. Dies ist zwar in einigen Mitgliedsstaaten und auch in Großbritannien bereits jetzt der Fall, nicht aber im deutschen EEG.

Gefördert werden die Bereitstellung zusätzlicher Erzeugungskapazitäten (Neubau, Repowering, Laufzeitverlängerung) auf der Grundlage von Wind-, Solar- und geothermischer Energie sowie Wasser- und Atomkraftwerke. Laufende Projekte können noch für drei Jahre anders gefördert werden.

Einnahmen aus CfD können für Direktzahlungen verwendet werden, um zur Endverbraucher zu entlasen, um die Strompreise zu senken oder für Investitionen, um die Stromkosten zu reduzieren. Die genaue Vereinbarung bedarf der beihilferechtlichen Genehmigung durch die EU-Kommission.
 
 
Die Vereinbarung von CfD und PPA ist in jedem Fall freiwillig, sowohl für die Mitgliedsstaaten als auch für die Unternehmen. Die Kommission soll eine Plattform für PPA einrichten, damit ein europäischer Markt dafür entsteht.

Befristete Kapazitätsmärkte für Kohle

Als Reserve, die dem Elektrizitätsmarkt im Rahmen von Kapazitätsmechanismen (CM) zur Verfügung steht, dürfen die Mitgliedsstaaten befristet Kohlekraftwerke einsetzen, die mehr CO2 ausstoßen, als normalerweise erlaubt ist. Damit kann vor allem Polen seine Kohlekraftwerke länger am Netz halten. Es werde jedoch dafür gesorgt, dass Länder, die über CM ihre Versorgung sichern, ihre Klimaziele einhalten, heißt es in Brüssel.

Abschaffung der Stromsperren und andere Verbraucherthemen

Neue Regeln gelten besonders für den Krisenfall. Eine regionale oder europäische Energiekrise kann vom Ministerrat auf Antrag der EU-Kommission ausgerufen werden. Danach können die Mitgliedsstaaten Maßnahmen zur Stabilisierung der Strompreise sowohl für private als auch für gewerbliche Verbraucher ergreifen.

Sozial schwache Verbraucher können außerdem von bestimmten Lasten aus der Klimapolitik befreit werden, und niemandem darf der Strom abgestellt werden, weil er seine höhere Stromrechnung nicht bezahlen kann.

Um die Verbraucher vor starken und plötzlichen Preisschwankungen zu schützen, müssen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass sie sowohl Festpreisverträge abschließen als auch „dynamische“ Preise vereinbaren können. Letztere sollen einen Anreiz darstellen, Strom vor allem dann zu verbrauchen, wenn die Last gering ist, und in Spitzenlastzeiten zu sparen (Lastverlagerung).

Enddatum für langfristige Verträge mit fossilen Gasen

Auf dem Gasmarkt soll der gemeinsame Gaseinkauf auf der Plattform „Aggregate EU“ ausgebaut werden. Damit soll vermieden werden, dass die europäischen Versorger im Wettbewerb auf dem Weltmarkt die Preise treiben. Langfristige Lieferverträge für fossile Gase dürfen nur noch bis 2049 abgeschlossen werden.

Den Mitgliedsstaaten wird ferner erlaubt, Gaslieferungen einschließlich LNG aus Russland und Weißrussland zu beschränken. Für Krisenzeiten werden Regeln zur grenzüberschreitenden Belieferung mit Gas eingeführt, einschließlich der dafür anfallenden Vergütungen.

Großer Rechtsrahmen für „grüne Gase“

Erstmals werden auch „grüne“ Gase (Wasserstoff, Biomethan et cetera) in die Regeln für die Gasmärkte einbezogen. Grundsätzlich sollen für sie die gleichen Regeln gelten wie für fossile Gase, auch wenn für das Unbundling (Entflechtung von Erzeugung und Gasverkauf vom Netzgeschäft) und den Netzzugang Dritter Ausnahmen und Ãœbergangsfristen gelten.

Für das Wasserstoffnetz, das in den nächsten Jahren entstehen soll, wird ferner ein Dachverband der Wasserstoffnetzbetreiber (EU Entity for Hydrogen Network Operators: ENNOH, entsprechend den bestehenden Dachverbänden ENTSO-E und ENTSO-G) gebildet, der Aufgaben der Regulierung wahrnehmen und eine reibungslose Zusammenarbeit der Betreiber bewirken soll.

Bei der Festlegung der Tarife für das Wasserstoffnetz müssen die nationalen Regulierungsbehörden ihre Kollegen in den Nachbarländern und die europäische Energieregulierer-Agentur ACER konsultieren.

Donnerstag, 11.04.2024, 15:17 Uhr
Tom Weingärtner

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