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Energie & Management > Stadtwerke - Kommunaler Grundversorger gibt wegen Energiepreisen auf
Quelle: Jonas Rosenberger / E&M
Stadtwerke

Kommunaler Grundversorger gibt wegen Energiepreisen auf

Die Energiekrise hat ihr nächstes Opfer: Der badische Grundversorger Energiewerk Ortenau stellt zum Jahresende den Geschäftsbetrieb ein. Grund seien die unwägbaren finanziellen Risiken.
Die Energiewerk Ortenau Energiegesellschaft GmbH & Co. KG (EWO) mit Sitz in Achern steht vor dem Aus. Mit Ablauf des Jahres 2022 stellt der mittelbadische Versorger den Vertrieb von Strom und Gas vollständig ein, wie das überwiegend in kommunaler Hand befindliche Unternehmen auf seiner Website mitteilt. Etwa 5.500 Strom- und 300 Gasanschlüsse sind davon betroffen. Diese Haushalte müssen neue Anbieter suchen oder fallen ersatzweise dem jeweiligen Grundversorger zu.

Hinter dem EWO steht mehrheitlich (51 %) ein Verbund von sieben Kommunen der nördlichen Ortenau (Achern, Kappelrodeck, Oppenau, Renchen, Rheinau, Sasbach und Sasbachwalden). Je 24,5 % halten die beiden Energieversorgungsunternehmen (EVU) Elektrizitätswerk Mittelbaden aus Lahr und Badenova aus Freiburg.

Zu dem rigorosen Schritt haben sich die Gesellschafter in einer außerordentlichen Versammlung zu Beginn dieser Woche entschlossen. Einstimmig, wie der Aufsichtsratsvorsitzende, OB Klaus Muttach (CDU), auf Anfrage unserer Redaktion mitteilte. Begründet wird das Aus mit einem Liquiditätsbedarf auf den Beschaffungsmärkten für Strom und Gas, der zu „unkalkulierbaren finanziellen Risiken für die Gesellschaft und die kommunalen Gesellschafter“ führen würde.

Das EWO vertrieb nur Energie, eigene Erzeugungsanlagen existieren nicht. Was bei der Gründung 2012 den Vorteil versprach, vereint zu günstigeren Konditionen einkaufen zu können, schlägt angesichts der Preissprünge nun offenbar ins Gegenteil um.

​Der Fall Kappelrodeck

Ironie der Geschichte: Vor nicht einmal einem Jahr war das EWO außerordentlich vom zuständigen Verteilnetzbetreiber Überlandwerk Mittelbaden (ÜWM), einer Tochter des EWO-Anteilseigners Elektrizitätswerk Mittelbaden (EWM), für die Jahre 2022 bis 2024 zum Strom-Grundversorger in der
 
Ortenau-Landgemeinde Kappelrodeck (ohne Waldulm) bestimmt worden. Grund: Der vorherige Grundversorger, der Elektrofachbetrieb Ziegler KG, hatte das Stromvertriebsgeschäft eingestellt.

Die meisten Kappelrodecker Energiekunden erhalten also im Extrem nach nur einem Jahr Belieferung schon wieder einen anderen Grundversorger. Diesen muss das ÜWM erneut außer der Reihe nach der Anzahl der meisten Haushaltskunden bestimmen. In allen anderen Gesellschafterkommunen steht ohnehin die Eon-Konzerngesellschaft Süwag bei Strom fest. Bei Gas ist es der EWO-Gesellschafter Badenova.

Die Grundversorgung darf nur bei wirtschaftlicher Unzumutbarkeit aufgegeben werden. Die zuständige Energieaufsicht im Landesumweltministerium Baden-Württembergs meinte gegenüber unserer Redaktion seinerzeit allerdings, die Hoheit über die Einstellung des Geschäftsbetriebs stehe auch einem Grundversorger zu.

Das EWO jedenfalls spricht von einer „geordneten“ Einstellung des Vertriebs und einer „fristgerechten“ Kündigung der bestehenden Verträge, die in diesen Tagen bei den betroffenen Kundinnen und Kunden eingehen soll. Ferner sichere die Grundversorgungspflicht gemäß Energiewirtschaftsgesetz die weitere Belieferung der Anschlüsse.

Die längst eingetretene Teuerung am Markt habe gleichwohl noch nicht zu Verlusten beim EWO geführt, so Muttach zu unserer Redaktion. Dazu habe ein langfristiger Energieeinkauf beigetragen. Da die gesamte für 2022 benötigte Energiemenge (Strom und Gas) bereits Anfang 2021 eingekauft worden sei und "auf dieser Grundlage die Preise für 2022 kalkuliert sind, werden wir im Jahr 2022 keine Verluste haben", so Muttach. Ob das letzte Geschäftsjahr auch das letzte Jahr in der Unternehmensgeschichte sein werde, wollte Muttach nicht voraussagen. Über eine komplette Auflösung "werden die Gesellschafter zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden", so Muttach.

Auch das von den Gesellschaftern seinerzeit eingebrachte Stammkapital in Höhe von 500.000 Euro sei nach zehn Jahren erhalten geblieben. Es belaufe sich nun auf etwa 570.000 Euro.

​Schlanke Gründung vor zehn Jahren

Das EWO war 2012 als schlanke Alternative zu anderen EVU gedacht und Anfang 2013 an den Markt gegangen. Das Personal war überschaubar, die wenigen angebotenen Tarife für Ökostrom, Erd- und Biogas waren wettbewerbsfähig, weil „im Wesentlichen“ nur die Beschaffungskosten in die Kundenrechnungen eingegangen seien.

Der erste Geschäftsführer Udo Huniar sagte damals gegenüber unserer Redaktion nicht ohne Stolz, die größeren Versorger hätten ihre Preise um etwa 15 % senken müssen. Noch vor 2014 hatte das EWO 2.500 Kundinnen und Kunden.

Der Anlass der Gründung stand im Zusammenhang damit, dass die Stromkonzessionen der heutigen Eon-Konzerngesellschaft Syna ausgelaufen waren. Ihren Übergang an das Ü-Werk Mittelbaden hatte die Syna beziehungsweise ihre Mutter Süwag vergeblich gerichtlich bekämpft. Über das Gasnetz verfügte schon damals die Badenova (heute deren Tochter BN Netze).

Donnerstag, 25.08.2022, 14:44 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Stadtwerke - Kommunaler Grundversorger gibt wegen Energiepreisen auf
Quelle: Jonas Rosenberger / E&M
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Kommunaler Grundversorger gibt wegen Energiepreisen auf
Die Energiekrise hat ihr nächstes Opfer: Der badische Grundversorger Energiewerk Ortenau stellt zum Jahresende den Geschäftsbetrieb ein. Grund seien die unwägbaren finanziellen Risiken.
Die Energiewerk Ortenau Energiegesellschaft GmbH & Co. KG (EWO) mit Sitz in Achern steht vor dem Aus. Mit Ablauf des Jahres 2022 stellt der mittelbadische Versorger den Vertrieb von Strom und Gas vollständig ein, wie das überwiegend in kommunaler Hand befindliche Unternehmen auf seiner Website mitteilt. Etwa 5.500 Strom- und 300 Gasanschlüsse sind davon betroffen. Diese Haushalte müssen neue Anbieter suchen oder fallen ersatzweise dem jeweiligen Grundversorger zu.

Hinter dem EWO steht mehrheitlich (51 %) ein Verbund von sieben Kommunen der nördlichen Ortenau (Achern, Kappelrodeck, Oppenau, Renchen, Rheinau, Sasbach und Sasbachwalden). Je 24,5 % halten die beiden Energieversorgungsunternehmen (EVU) Elektrizitätswerk Mittelbaden aus Lahr und Badenova aus Freiburg.

Zu dem rigorosen Schritt haben sich die Gesellschafter in einer außerordentlichen Versammlung zu Beginn dieser Woche entschlossen. Einstimmig, wie der Aufsichtsratsvorsitzende, OB Klaus Muttach (CDU), auf Anfrage unserer Redaktion mitteilte. Begründet wird das Aus mit einem Liquiditätsbedarf auf den Beschaffungsmärkten für Strom und Gas, der zu „unkalkulierbaren finanziellen Risiken für die Gesellschaft und die kommunalen Gesellschafter“ führen würde.

Das EWO vertrieb nur Energie, eigene Erzeugungsanlagen existieren nicht. Was bei der Gründung 2012 den Vorteil versprach, vereint zu günstigeren Konditionen einkaufen zu können, schlägt angesichts der Preissprünge nun offenbar ins Gegenteil um.

​Der Fall Kappelrodeck

Ironie der Geschichte: Vor nicht einmal einem Jahr war das EWO außerordentlich vom zuständigen Verteilnetzbetreiber Überlandwerk Mittelbaden (ÜWM), einer Tochter des EWO-Anteilseigners Elektrizitätswerk Mittelbaden (EWM), für die Jahre 2022 bis 2024 zum Strom-Grundversorger in der
 
Ortenau-Landgemeinde Kappelrodeck (ohne Waldulm) bestimmt worden. Grund: Der vorherige Grundversorger, der Elektrofachbetrieb Ziegler KG, hatte das Stromvertriebsgeschäft eingestellt.

Die meisten Kappelrodecker Energiekunden erhalten also im Extrem nach nur einem Jahr Belieferung schon wieder einen anderen Grundversorger. Diesen muss das ÜWM erneut außer der Reihe nach der Anzahl der meisten Haushaltskunden bestimmen. In allen anderen Gesellschafterkommunen steht ohnehin die Eon-Konzerngesellschaft Süwag bei Strom fest. Bei Gas ist es der EWO-Gesellschafter Badenova.

Die Grundversorgung darf nur bei wirtschaftlicher Unzumutbarkeit aufgegeben werden. Die zuständige Energieaufsicht im Landesumweltministerium Baden-Württembergs meinte gegenüber unserer Redaktion seinerzeit allerdings, die Hoheit über die Einstellung des Geschäftsbetriebs stehe auch einem Grundversorger zu.

Das EWO jedenfalls spricht von einer „geordneten“ Einstellung des Vertriebs und einer „fristgerechten“ Kündigung der bestehenden Verträge, die in diesen Tagen bei den betroffenen Kundinnen und Kunden eingehen soll. Ferner sichere die Grundversorgungspflicht gemäß Energiewirtschaftsgesetz die weitere Belieferung der Anschlüsse.

Die längst eingetretene Teuerung am Markt habe gleichwohl noch nicht zu Verlusten beim EWO geführt, so Muttach zu unserer Redaktion. Dazu habe ein langfristiger Energieeinkauf beigetragen. Da die gesamte für 2022 benötigte Energiemenge (Strom und Gas) bereits Anfang 2021 eingekauft worden sei und "auf dieser Grundlage die Preise für 2022 kalkuliert sind, werden wir im Jahr 2022 keine Verluste haben", so Muttach. Ob das letzte Geschäftsjahr auch das letzte Jahr in der Unternehmensgeschichte sein werde, wollte Muttach nicht voraussagen. Über eine komplette Auflösung "werden die Gesellschafter zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden", so Muttach.

Auch das von den Gesellschaftern seinerzeit eingebrachte Stammkapital in Höhe von 500.000 Euro sei nach zehn Jahren erhalten geblieben. Es belaufe sich nun auf etwa 570.000 Euro.

​Schlanke Gründung vor zehn Jahren

Das EWO war 2012 als schlanke Alternative zu anderen EVU gedacht und Anfang 2013 an den Markt gegangen. Das Personal war überschaubar, die wenigen angebotenen Tarife für Ökostrom, Erd- und Biogas waren wettbewerbsfähig, weil „im Wesentlichen“ nur die Beschaffungskosten in die Kundenrechnungen eingegangen seien.

Der erste Geschäftsführer Udo Huniar sagte damals gegenüber unserer Redaktion nicht ohne Stolz, die größeren Versorger hätten ihre Preise um etwa 15 % senken müssen. Noch vor 2014 hatte das EWO 2.500 Kundinnen und Kunden.

Der Anlass der Gründung stand im Zusammenhang damit, dass die Stromkonzessionen der heutigen Eon-Konzerngesellschaft Syna ausgelaufen waren. Ihren Übergang an das Ü-Werk Mittelbaden hatte die Syna beziehungsweise ihre Mutter Süwag vergeblich gerichtlich bekämpft. Über das Gasnetz verfügte schon damals die Badenova (heute deren Tochter BN Netze).

Donnerstag, 25.08.2022, 14:44 Uhr
Volker Stephan

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