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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Kein Handel um des Handels Willen
Quelle: E&M
E&M Vor 20 Jahren

Kein Handel um des Handels Willen

Eine Studie von Booz Allen Hamilton zeigte 2003, dass sich der Energiehandel mit dem Enron-Skandal deutlich veränderte.
 
Vor 20 Jahren stand die Energiewirtschaft noch unter dem Eindruck der Enron-Pleite. Das amerikanische Unternehmen war jahrelang von Beratern, Branchenexperten und -beobachtern den sich langsam mit Futures, Calls, Puts und Optionen vertraut machenden deutschen Versorgern als leuchtendes Vorbild präsentiert worden. Doch in den Jahren 2001 und 2002 kamen nach und nach Details eines riesigen Bilanzbetrugs ans Licht, die schließlich zum Kollaps des Vorzeigekonzerns mit Hauptsitz im texanischen Houston führten. Unter dem Eindruck der Ereignisse zogen sich weitere amerikanische Energiehändler aus dem Markt zurück.

Die Folgen für das zarte Pflänzchen „Energiehandel“ in Deutschland waren gravierend. Mehr und mehr wurde den Versorgern bewusst, dass Risikomanagement ein integraler Bestandteil des Handelsgeschäfts sein muss. Und es kamen Zweifel auf, ob dem spekulative Handel tatsächlich noch das Attribut „Königsdisziplin des Tradings“ angeheftet werden kann.

Im Sommer 2003 hatte die Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton eine Reihe von Energiehändlern zu ihrer aktuellen und künftigen Positionierung befragt. Die Antworten standen noch ganz im Zeichen des Rückzugs der Amerikaner, wie E&M-Redakteur Fritz Wilhelm damals erfuhr – unter anderem auch von Karlheinz Bozem, der damals für die Studie verantwortlich war.

Die „klassischen“ Handelshäuser, wie etwa Enron oder Williams es waren, taugen nicht mehr als Vorbilder. Dies ergab eine Umfrage von Booz Allen Hamilton unter europäischen Energiehändlern. Demnach kommt es bei diesen verstärkt zu Neubewertungen der eigenen Geschäftsmodelle. Eine spürbare Veränderung der Marktdynamik und eine wesentlich geringere Liquidität im Großhandel als zu Zeiten aktiver und innovativer Amerikaner seien dafür ausschlaggebend. Zumindest auf kurze Sicht würden die Unternehmen, und zwar alle befragten Unternehmen, eine Fokussierung auf die konzerninterne Rolle des Trading zeigen beziehungsweise Geschäftsmodellen mit relativ geringen Risiken den Vorzug geben, so eine der zentralen Aussagen der Studie.

Die Kraftwerkseinsatzplanung und kurzfristige Optimierung gehört ebenso dazu wie Cross-border-arbitrage-Geschäfte, die auf fehlerhafter Preisfindung an den OTC-Märkten bei intransparenten grenzüberschreitenden Kapazitäten basieren. Sehr stark intern ausgerichtet ist auch die Rolle des Handels als dezentraler Portfoliomanager und damit als Dienstleister für die anderen Wertschöpfungsstufen beziehungsweise Drehscheibe und Schaltzentrale zwischen Erzeugung und Vertrieb.

In ihrer Volumen gewichteten Bedeutung (relative Bedeutung in Bezug auf das gehandelte Volumen) stellen sich die aktuellen Ziele der Energiehändler wie folgt dar: 70 Prozent des Handelsvolumens der Befragten werden aus dem Supply Balance Trading stammen, d.h. aus der Optimierung und Vermarktung von Kraftwerkskapazitäten, 17 Prozent aus dem Prop Trading, 8 Prozent aus dem Arbitrage Trading und 5 Prozent aus dem Market Making. Die befragten Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum repräsentieren nach Angaben der Autoren der Studie etwa zwei Drittel des entsprechenden Handelsvolumens.

Nachdem sich das so genannte Prop Trading, also der Handel mit spekulativer Absicht, bisher noch nicht als nachhaltige Quelle sprudelnder Erlöse beweisen konnte und auch vor dem Hintergrund eines gestiegenen Risikobewusstseins von vielen Marktteilnehmer nicht mehr als so „sexy“ angesehen wird wie noch vor zwei Jahren, wird nach Ansicht von Booz Allen Hamilton die externe Funktion des Handels in Zukunft verstärkt in der Unterstützung des Vertriebs bestehen. An Großhandelsprodukte für große Industriekunden sowie Portfoliomanagementdienstleistungen ist hier in erster Linie zu denken.

Welches Geschäftsmodell die größte Bedeutung erlangen wird, wird letztlich aber immer von der Entwicklung des jeweiligen Marktumfeldes abhängen, geben die Autoren zu bedenken.

Für Karlheinz Bozem, Partner und Geschäftsführer bei Booz Allen Hamilton in München, ist durchaus überraschend, dass die Unternehmen so deutlich das Prop Trading, also den spekulativen Handel, zurückstufen und nun den Zweck des Handels zur Beschaffungsoptimierung und Preisabsicherung in den Vordergrund rücken. Von einer Unterordnung des Handels unter den Vertrieb würde er aber nicht sprechen: „Man kann jedoch beobachten, dass mit der allmählichen Auflösung der inversen Preisstruktur am Markt Großkunden interessant werden, die selbst arbitragefähig sind. Diese Kunden müssen intern mit möglichst kostengünstigen Prozessen bearbeitet werden. Deshalb werden sie zum Teil auch mit dem reinen Wholesale Trading zusammengefasst und es werden ihnen Großhandelsprodukte angeboten.“

Im Grunde laufe es auf eine Gesamtsystemoptimierung hinaus. „Nachdem die inverse Preisstruktur sich auflöst, kann der Handel wieder die Funktion der Preisindikation erfüllen. Er beobachtet und analysiert den Markt und kann auch ermitteln, wie viel sich auf jeder einzelnen Stufe der Wertschöpfungskette verdienen lässt. Es gibt aber auch Ansätze, die die Ansicht vertreten, jede Wertschöpfungsstufe, vor allem die Erzeugung, könnte selbst an den Markt gehen. In einem solchen Fall ist die Gefahr der Kannibalisierung durch nicht abgestimmtes Verhalten allerdings relativ groß“, sagt Bozem.

Die Amerikaner sind weg und hinterlassen eine klaffende Lücke. „Als sich die Amerikaner wegen der Probleme im heimischen Markt nach und nach zurückzogen, war niemand da, der ihr Geschäft im gleichen Umfang hier übernehmen und weiterführen wollte. Dies lässt darauf schließen, dass ein solches Modell, ohne eigene Assets vor allem Prop Trading und Opportunity-Arbitrage-Geschäfte zu betreiben, auch unter den jetzt herrschenden Randbedingungen nur geringen Erfolg verspricht“, betont Bozem.

Enron habe vorgemacht, wie man aus Wissensvorsprung Kapital schlagen könne. Aber je weiter sich der Markt entwickle, desto mehr gleiche sich das Wissen der Marktteilnehmer an. Deshalb seien Unternehmen wie Enron immer wieder von einem neu liberalisierten Markt zum nächsten gezogen wie zum Beispiel aus den USA ins Vereinigte Königreich und dann nach Deutschland. Aber gleichzeitig gibt Bozem zu bedenken: „Wer eigene Erzeugung oder eigene Netze hat, kann diese optimieren und damit nachhaltig Erträge generieren.“
 

Freitag, 21.07.2023, 16:47 Uhr
Fritz Wilhelm
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Quelle: E&M
E&M Vor 20 Jahren
Kein Handel um des Handels Willen
Eine Studie von Booz Allen Hamilton zeigte 2003, dass sich der Energiehandel mit dem Enron-Skandal deutlich veränderte.
 
Vor 20 Jahren stand die Energiewirtschaft noch unter dem Eindruck der Enron-Pleite. Das amerikanische Unternehmen war jahrelang von Beratern, Branchenexperten und -beobachtern den sich langsam mit Futures, Calls, Puts und Optionen vertraut machenden deutschen Versorgern als leuchtendes Vorbild präsentiert worden. Doch in den Jahren 2001 und 2002 kamen nach und nach Details eines riesigen Bilanzbetrugs ans Licht, die schließlich zum Kollaps des Vorzeigekonzerns mit Hauptsitz im texanischen Houston führten. Unter dem Eindruck der Ereignisse zogen sich weitere amerikanische Energiehändler aus dem Markt zurück.

Die Folgen für das zarte Pflänzchen „Energiehandel“ in Deutschland waren gravierend. Mehr und mehr wurde den Versorgern bewusst, dass Risikomanagement ein integraler Bestandteil des Handelsgeschäfts sein muss. Und es kamen Zweifel auf, ob dem spekulative Handel tatsächlich noch das Attribut „Königsdisziplin des Tradings“ angeheftet werden kann.

Im Sommer 2003 hatte die Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton eine Reihe von Energiehändlern zu ihrer aktuellen und künftigen Positionierung befragt. Die Antworten standen noch ganz im Zeichen des Rückzugs der Amerikaner, wie E&M-Redakteur Fritz Wilhelm damals erfuhr – unter anderem auch von Karlheinz Bozem, der damals für die Studie verantwortlich war.

Die „klassischen“ Handelshäuser, wie etwa Enron oder Williams es waren, taugen nicht mehr als Vorbilder. Dies ergab eine Umfrage von Booz Allen Hamilton unter europäischen Energiehändlern. Demnach kommt es bei diesen verstärkt zu Neubewertungen der eigenen Geschäftsmodelle. Eine spürbare Veränderung der Marktdynamik und eine wesentlich geringere Liquidität im Großhandel als zu Zeiten aktiver und innovativer Amerikaner seien dafür ausschlaggebend. Zumindest auf kurze Sicht würden die Unternehmen, und zwar alle befragten Unternehmen, eine Fokussierung auf die konzerninterne Rolle des Trading zeigen beziehungsweise Geschäftsmodellen mit relativ geringen Risiken den Vorzug geben, so eine der zentralen Aussagen der Studie.

Die Kraftwerkseinsatzplanung und kurzfristige Optimierung gehört ebenso dazu wie Cross-border-arbitrage-Geschäfte, die auf fehlerhafter Preisfindung an den OTC-Märkten bei intransparenten grenzüberschreitenden Kapazitäten basieren. Sehr stark intern ausgerichtet ist auch die Rolle des Handels als dezentraler Portfoliomanager und damit als Dienstleister für die anderen Wertschöpfungsstufen beziehungsweise Drehscheibe und Schaltzentrale zwischen Erzeugung und Vertrieb.

In ihrer Volumen gewichteten Bedeutung (relative Bedeutung in Bezug auf das gehandelte Volumen) stellen sich die aktuellen Ziele der Energiehändler wie folgt dar: 70 Prozent des Handelsvolumens der Befragten werden aus dem Supply Balance Trading stammen, d.h. aus der Optimierung und Vermarktung von Kraftwerkskapazitäten, 17 Prozent aus dem Prop Trading, 8 Prozent aus dem Arbitrage Trading und 5 Prozent aus dem Market Making. Die befragten Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum repräsentieren nach Angaben der Autoren der Studie etwa zwei Drittel des entsprechenden Handelsvolumens.

Nachdem sich das so genannte Prop Trading, also der Handel mit spekulativer Absicht, bisher noch nicht als nachhaltige Quelle sprudelnder Erlöse beweisen konnte und auch vor dem Hintergrund eines gestiegenen Risikobewusstseins von vielen Marktteilnehmer nicht mehr als so „sexy“ angesehen wird wie noch vor zwei Jahren, wird nach Ansicht von Booz Allen Hamilton die externe Funktion des Handels in Zukunft verstärkt in der Unterstützung des Vertriebs bestehen. An Großhandelsprodukte für große Industriekunden sowie Portfoliomanagementdienstleistungen ist hier in erster Linie zu denken.

Welches Geschäftsmodell die größte Bedeutung erlangen wird, wird letztlich aber immer von der Entwicklung des jeweiligen Marktumfeldes abhängen, geben die Autoren zu bedenken.

Für Karlheinz Bozem, Partner und Geschäftsführer bei Booz Allen Hamilton in München, ist durchaus überraschend, dass die Unternehmen so deutlich das Prop Trading, also den spekulativen Handel, zurückstufen und nun den Zweck des Handels zur Beschaffungsoptimierung und Preisabsicherung in den Vordergrund rücken. Von einer Unterordnung des Handels unter den Vertrieb würde er aber nicht sprechen: „Man kann jedoch beobachten, dass mit der allmählichen Auflösung der inversen Preisstruktur am Markt Großkunden interessant werden, die selbst arbitragefähig sind. Diese Kunden müssen intern mit möglichst kostengünstigen Prozessen bearbeitet werden. Deshalb werden sie zum Teil auch mit dem reinen Wholesale Trading zusammengefasst und es werden ihnen Großhandelsprodukte angeboten.“

Im Grunde laufe es auf eine Gesamtsystemoptimierung hinaus. „Nachdem die inverse Preisstruktur sich auflöst, kann der Handel wieder die Funktion der Preisindikation erfüllen. Er beobachtet und analysiert den Markt und kann auch ermitteln, wie viel sich auf jeder einzelnen Stufe der Wertschöpfungskette verdienen lässt. Es gibt aber auch Ansätze, die die Ansicht vertreten, jede Wertschöpfungsstufe, vor allem die Erzeugung, könnte selbst an den Markt gehen. In einem solchen Fall ist die Gefahr der Kannibalisierung durch nicht abgestimmtes Verhalten allerdings relativ groß“, sagt Bozem.

Die Amerikaner sind weg und hinterlassen eine klaffende Lücke. „Als sich die Amerikaner wegen der Probleme im heimischen Markt nach und nach zurückzogen, war niemand da, der ihr Geschäft im gleichen Umfang hier übernehmen und weiterführen wollte. Dies lässt darauf schließen, dass ein solches Modell, ohne eigene Assets vor allem Prop Trading und Opportunity-Arbitrage-Geschäfte zu betreiben, auch unter den jetzt herrschenden Randbedingungen nur geringen Erfolg verspricht“, betont Bozem.

Enron habe vorgemacht, wie man aus Wissensvorsprung Kapital schlagen könne. Aber je weiter sich der Markt entwickle, desto mehr gleiche sich das Wissen der Marktteilnehmer an. Deshalb seien Unternehmen wie Enron immer wieder von einem neu liberalisierten Markt zum nächsten gezogen wie zum Beispiel aus den USA ins Vereinigte Königreich und dann nach Deutschland. Aber gleichzeitig gibt Bozem zu bedenken: „Wer eigene Erzeugung oder eigene Netze hat, kann diese optimieren und damit nachhaltig Erträge generieren.“
 

Freitag, 21.07.2023, 16:47 Uhr
Fritz Wilhelm

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