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Energie & Management > Wasserstoff - Elektrofahrzeuge alleine reichen nicht
Moderatorin Kathrin Witsch mit Andre Steinau, Timo Wassermann und Kurt-Christoph von Knobelsdorff. Quelle: E&M
Wasserstoff

Elektrofahrzeuge alleine reichen nicht

Die Mobilität der Zukunft stand im Fokus einer Diskussionsrunde auf einer Wasserstoffveranstaltung in Salzgitter. Dabei zeigte sich, dass es die eine Lösung wohl nicht geben wird. 
Synthetische Kraftstoffe, grüner Wasserstoff oder doch ein rein batterieelektrisch angetriebenes Auto? Grundsätzlich falsch gestellt war diese Frage für die geladenen Gäste einer Diskussionsrunde auf dem Wasserstoffgipfel des Handelsblattes in Salzgitter. Mit Blick auf die Mobilität der Zukunft werde es, so der allgemeine Tenor, kein Entweder-oder geben.

Andre Steinau, Geschäftsführer von GP Joule Hydrogen, einem Betreiber von Wasserstofftankstellen im Norden Deutschlands, erklärte: "Zwar propagieren die Automobilhersteller aktuell stark die rein batterieelektrischen Fahrzeuge." Jedoch würden insbesondere Spediteure, die die Fahrzeuge wirtschaftlich betreiben müssten, schnell zu der Erkenntnis kommen, dass sich eine rein batterieelektrisch angetriebene Fahrzeugflotte im eigenen Betriebshof ohne geeigneten Netzanschluss nur schwer laden lasse. Zwar gebe es derzeit aus Effizienzgründen sehr gute Argumente dafür, erneuerbar produzierten Strom direkt im Antrieb zu nutzen, aber es werde künftig auch Bereiche geben, wo dieser nicht direkt nutzbar sei.

Hierzu blickte Steinau fünf Jahre in die Zukunft: "Ab 2028 werden wir nahezu keinen Kohlestrom mehr haben. Das heißt, die Energie wird eine gespeicherte Kilowattstunde sein." Auch hier würde es dann Umwandlungsverluste geben, wie Steinau, mit einem Seitenblick auf die oft vorgebrachte Kritik gegenüber dem Einsatz von energieintensiv hergestelltem Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen, anführte. Sobald die Kohleverstromung wegfalle, komme der Wasserstoff dann erstmals ins Feld − "mit dem Vorteil, dass er zu Zeiten produziert wurde, in denen Wind und Sonne für die erneuerbare Stromproduktion da waren". 

Aktueller Effizienzvorteil für reinen Batterieantrieb

Zurück im Hier und Jetzt erklärte Steinau: "Der Spediteur ist dazu geneigt, eine Technologie zu nehmen, bei der sich seine Fahrer nur wenig umstellen müssen". Hier habe die Wasserstofftechnologie klare Vorteile − "Man muss nur den Rüssel in den Tank halten und ist nach einer viertel Stunde wieder weg", so Steinau mit Blick auf die vergleichsweise hohen Ladestandzeiten von rein elektrischen Fahrzeugen. "Überall wo Zeit Geld ist, wird sich das Wasserstoffauto durchsetzen", betonte er.

Auch im Individualverkehr sieht Steinau − selbst Fahrer eines Wasserstoffautos, das zweite bereits − eine Chance für den Wasserstoff. Obwohl sich in diesem Verkehrssegment das rein batterieelektrische Fahrzeug durchzusetzen scheine, müsse klar sein: "Der Mensch achtet nicht immer nur auf das günstigste Produkt. Er kauft auch das, was ihm den größten Komfort verspricht", so Steinau mit Verweis auf die größere Reichweite von mit Wasserstoff betriebenen Fahrzeugen.

Förderinteresse im "ordentlichen Umfang"

Die Notwendigkeit von Wasserstoff-Fahrzeugen in der künftigen Mobilität unterstrich auch Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer der NOW (Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie) GmbH. Gespräche mit Fahrzeugherstellern zu deren Erwartungen an den Markt würden bereits zeigen, dass die Batterie allein nicht das Allheilmittel sei. Die ersten Fördercalls für technologieoffene Förderrichtlinien bestätigten, dass im Nutzfahrzeug- und Bussektor "im ordentlichen Umfang" Wasserstoff- und Brennstoffzellenfahrzeuge zur Förderung beantragt werden.

Von Knobelsdorff zog es in Zweifel, ob die Ladeinfrastruktur samt der hierzu nötigen Stromnetze für die 15 Millionen Elektrofahrzeuge, die die Bundesregierung 2030 auf der Straße sehen will, realisiert werden kann. Eine lange Schlange von Teslas vor Augen, die an Schnellladern anstünden (wie etwa in Norwegen zu beobachten), stelle er sich die Frage, ob für Vielfahrer nicht vielmehr eine weitere klimaneutrale Antriebsalternative sinnvoll sei.

Grünes Methanol und DAC im Fokus

Die Diskussion in Richtung "Synthetische Kraftstoffe" lenkte Timo Wassermann, Chief Technology Officher von HIF Europe, Middle East and Africa ("HIF EMEA"), einem Hersteller von E-Fuels mit Sitz in Berlin. In Anbetracht der Dekarbonisierung des Verkehrssektor sieht er Deutschland vor einer "riesigen Herausforderung", bei der man keine Antriebslösung ausschließen könne. Nicht zuletzt gäbe es auf der Straße eine riesige Bestandsflotte, die auf der Verbrennertechnologie fußt. Mit synthetischem Kraftstoff könne diese klimaneutral gestellt werden.

Sein Unternehmen mache sich insbesondere dort stark, wo grüner Strom zur Syn-Fuel-Produktion in großen Mengen vorhanden sei: "An der Südspitze Chiles haben wir beeindruckende Bedingungen, wenn es um Windenergie geht. Wir erreichen dort 6.000 Volllaststunden onshore", sagte Wassermann. In dieser Masse würde diese Energie vor Ort nicht gebraucht, sodass bei seiner Nutzung keine Konkurrenz zur Elektrifizierung des Landes bestehe. Über einen geplanten Elektrolyseur soll Wasserstoff erzeugt werden. Aus diesem lasse sich mit CO2 grünes Methanol herstellen, das sich in einer weiteren Synthese zu Drop-in-Kraftstoffen verarbeiten lasse. 

Freitag, 5.05.2023, 14:20 Uhr
Davina Spohn
Energie & Management > Wasserstoff - Elektrofahrzeuge alleine reichen nicht
Moderatorin Kathrin Witsch mit Andre Steinau, Timo Wassermann und Kurt-Christoph von Knobelsdorff. Quelle: E&M
Wasserstoff
Elektrofahrzeuge alleine reichen nicht
Die Mobilität der Zukunft stand im Fokus einer Diskussionsrunde auf einer Wasserstoffveranstaltung in Salzgitter. Dabei zeigte sich, dass es die eine Lösung wohl nicht geben wird. 
Synthetische Kraftstoffe, grüner Wasserstoff oder doch ein rein batterieelektrisch angetriebenes Auto? Grundsätzlich falsch gestellt war diese Frage für die geladenen Gäste einer Diskussionsrunde auf dem Wasserstoffgipfel des Handelsblattes in Salzgitter. Mit Blick auf die Mobilität der Zukunft werde es, so der allgemeine Tenor, kein Entweder-oder geben.

Andre Steinau, Geschäftsführer von GP Joule Hydrogen, einem Betreiber von Wasserstofftankstellen im Norden Deutschlands, erklärte: "Zwar propagieren die Automobilhersteller aktuell stark die rein batterieelektrischen Fahrzeuge." Jedoch würden insbesondere Spediteure, die die Fahrzeuge wirtschaftlich betreiben müssten, schnell zu der Erkenntnis kommen, dass sich eine rein batterieelektrisch angetriebene Fahrzeugflotte im eigenen Betriebshof ohne geeigneten Netzanschluss nur schwer laden lasse. Zwar gebe es derzeit aus Effizienzgründen sehr gute Argumente dafür, erneuerbar produzierten Strom direkt im Antrieb zu nutzen, aber es werde künftig auch Bereiche geben, wo dieser nicht direkt nutzbar sei.

Hierzu blickte Steinau fünf Jahre in die Zukunft: "Ab 2028 werden wir nahezu keinen Kohlestrom mehr haben. Das heißt, die Energie wird eine gespeicherte Kilowattstunde sein." Auch hier würde es dann Umwandlungsverluste geben, wie Steinau, mit einem Seitenblick auf die oft vorgebrachte Kritik gegenüber dem Einsatz von energieintensiv hergestelltem Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen, anführte. Sobald die Kohleverstromung wegfalle, komme der Wasserstoff dann erstmals ins Feld − "mit dem Vorteil, dass er zu Zeiten produziert wurde, in denen Wind und Sonne für die erneuerbare Stromproduktion da waren". 

Aktueller Effizienzvorteil für reinen Batterieantrieb

Zurück im Hier und Jetzt erklärte Steinau: "Der Spediteur ist dazu geneigt, eine Technologie zu nehmen, bei der sich seine Fahrer nur wenig umstellen müssen". Hier habe die Wasserstofftechnologie klare Vorteile − "Man muss nur den Rüssel in den Tank halten und ist nach einer viertel Stunde wieder weg", so Steinau mit Blick auf die vergleichsweise hohen Ladestandzeiten von rein elektrischen Fahrzeugen. "Überall wo Zeit Geld ist, wird sich das Wasserstoffauto durchsetzen", betonte er.

Auch im Individualverkehr sieht Steinau − selbst Fahrer eines Wasserstoffautos, das zweite bereits − eine Chance für den Wasserstoff. Obwohl sich in diesem Verkehrssegment das rein batterieelektrische Fahrzeug durchzusetzen scheine, müsse klar sein: "Der Mensch achtet nicht immer nur auf das günstigste Produkt. Er kauft auch das, was ihm den größten Komfort verspricht", so Steinau mit Verweis auf die größere Reichweite von mit Wasserstoff betriebenen Fahrzeugen.

Förderinteresse im "ordentlichen Umfang"

Die Notwendigkeit von Wasserstoff-Fahrzeugen in der künftigen Mobilität unterstrich auch Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer der NOW (Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie) GmbH. Gespräche mit Fahrzeugherstellern zu deren Erwartungen an den Markt würden bereits zeigen, dass die Batterie allein nicht das Allheilmittel sei. Die ersten Fördercalls für technologieoffene Förderrichtlinien bestätigten, dass im Nutzfahrzeug- und Bussektor "im ordentlichen Umfang" Wasserstoff- und Brennstoffzellenfahrzeuge zur Förderung beantragt werden.

Von Knobelsdorff zog es in Zweifel, ob die Ladeinfrastruktur samt der hierzu nötigen Stromnetze für die 15 Millionen Elektrofahrzeuge, die die Bundesregierung 2030 auf der Straße sehen will, realisiert werden kann. Eine lange Schlange von Teslas vor Augen, die an Schnellladern anstünden (wie etwa in Norwegen zu beobachten), stelle er sich die Frage, ob für Vielfahrer nicht vielmehr eine weitere klimaneutrale Antriebsalternative sinnvoll sei.

Grünes Methanol und DAC im Fokus

Die Diskussion in Richtung "Synthetische Kraftstoffe" lenkte Timo Wassermann, Chief Technology Officher von HIF Europe, Middle East and Africa ("HIF EMEA"), einem Hersteller von E-Fuels mit Sitz in Berlin. In Anbetracht der Dekarbonisierung des Verkehrssektor sieht er Deutschland vor einer "riesigen Herausforderung", bei der man keine Antriebslösung ausschließen könne. Nicht zuletzt gäbe es auf der Straße eine riesige Bestandsflotte, die auf der Verbrennertechnologie fußt. Mit synthetischem Kraftstoff könne diese klimaneutral gestellt werden.

Sein Unternehmen mache sich insbesondere dort stark, wo grüner Strom zur Syn-Fuel-Produktion in großen Mengen vorhanden sei: "An der Südspitze Chiles haben wir beeindruckende Bedingungen, wenn es um Windenergie geht. Wir erreichen dort 6.000 Volllaststunden onshore", sagte Wassermann. In dieser Masse würde diese Energie vor Ort nicht gebraucht, sodass bei seiner Nutzung keine Konkurrenz zur Elektrifizierung des Landes bestehe. Über einen geplanten Elektrolyseur soll Wasserstoff erzeugt werden. Aus diesem lasse sich mit CO2 grünes Methanol herstellen, das sich in einer weiteren Synthese zu Drop-in-Kraftstoffen verarbeiten lasse. 

Freitag, 5.05.2023, 14:20 Uhr
Davina Spohn

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