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Energie & Management > Strom - Die EU auf der Suche nach Investitionsanreizen
Quelle: Shutterstock
Strom

Die EU auf der Suche nach Investitionsanreizen

Die EU steht vor einer neuen Reform des Elektrizitätsmarktes. Bei den Einzelheiten liegen die Positionen der Mitgliedsstaaten aber noch weit auseinander.
Seit die Preise auf dem europäischen Elektrizitätsmarkt im vergangenen Jahr durch die Decke gingen, drängen vor allem die Mitgliedsstaaten im Süden der Union darauf, die geltenden Regeln zu ändern. Das Chaos an den Strombörsen, das ist unbestritten, wurde durch den raschen Anstieg und die starke Schwankung der Gaspreise verursacht. Ein Teil der Mitgliedsstaaten verlangt deswegen, den Strompreis vom Gaspreis abzukoppeln.

Erste Ideen, wie das gelingen könnte, zeichneten sich auf einem informellen Energieministerrat Ende Februar in Stockholm (Schweden) ab. Als Schwäche des gegenwärtigen "Marktdesigns" wurde diagnostiziert, dass es zu geringe Anreize für langfristige Investitionen gibt. Kurzfristig funktioniert der Elektrizitätsmarkt nach Ansicht der meisten Minister dagegen zufriedenstellend.

Einig seien sich ihre Kolleginnen und Kollegen darüber gewesen, was sie vom neuen Marktdesign erwarteten, sagte die schwedische Ressortchefin Ebba Busch nach den Beratungen: "Der Elektrizitätsmarkt muss die Verbraucher schützen, Versorgungssicherheit gewährleisten und dafür sorgen, dass langfristig in das Energiesystem und die Energiewende investiert wird."

Die Vorstellungen darüber, wie diese Ziele gleichzeitig erreicht werden können, gehen allerdings noch stark auseinander. Länder wie Deutschland, die Niederlande oder Luxemburg, in denen die fossile Erzeugung weiter eine große Rolle spielt, wollen nur geringfügige Eingriffe in die geltenden Regeln. "Das aktuelle Marktdesign ist gut und sollte nur geringfügig geändert werden", sagte Luxemburgs Energieminister Claude Turmes. Größter Nutznießer der hohen, kurzfristigen Flexibilität sei in den letzten Monaten Frankreich gewesen. Obwohl viele französische Atomkraftwerke aus technischen Gründen nicht am Netz gewesen seien, habe der Strombedarf des Landes durch Importe aus den Nachbarstaaten gedeckt werden können.

Deutschland schlägt Zwei-Stufen-Plan vor

Auch Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold warnte vor "Eingriffen in ein gut funktionierendes System". Nach Stockholm hatte Giegold einen Zwei-Stufen-Plan mitgebracht: Im ersten Schritt sollte die Kommission nur kleine Korrekturen vorschlagen, die man später nicht bedauern müsse. Sie könnten noch vor dem Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2024 beschlossen werden.

Um die günstigen Kosten der erneuerbaren Energien an die privaten und die industriellen Verbraucher weiterzureichen, setzt man in Berlin auf langfristige und direkte Stromlieferverträge (Power Purchase Agreements − PPA). Sie sollten durch die Vorschläge der Kommission begünstigt werden. Einen Beitrag zur Stabilisierung der Strompreise könnten auch richtig konzipierte Differenzverträge (Contracts for Differences − CfD) leisten. Sie müssten jedoch freiwillig sein und auf neue Anlagen beschränkt bleiben.

Weiter reichende Eingriffe in den Strommarkt dürften nur aufgrund einer detaillierten Analyse vorgenommen werden, die mehr Zeit in Anspruch nehme. Die Bundesregierung lehne vor allem jede besondere Belastung der erneuerbaren Energien ab. Ein zügiger Ausbau von Wind und Sonne erfordere "starke Marktsignale", sagte Giegold. Sonder-Abgaben müssten auf "extreme Profite" beschränkt bleiben. Zusätzliche Anreize würden auch für Investitionen in Gaskraftwerke gebraucht, die den Ausbau der erneuerbaren Energien ergänzen müssten.

In Brüssel werden die deutschen Vorschläge nicht zuletzt darauf zurückgeführt, dass fossile Energie für die deutsche Wirtschaft immer noch die größte Rolle spielt. Von einer getrennten Preisbildung für fossilen Strom würden die deutschen Strompreise deswegen weniger profitieren als zum Beispiel in Spanien oder Frankreich, wo 70 bis 80 Prozent des Stroms aus Atomkraftwerken oder erneuerbaren Quellen stammt.

Kritik aus Paris und Madrid

In Paris oder Madrid will man sich deswegen mit kleineren Korrekturen nicht zufriedengeben. Der Zwei-Stufen-Plan der Deutschen werde der Lage nicht gerecht, hieß es in der spanischen Delegation. Die französische Energieministerin, Agnes Pannier-Runacher, begründete die Dringlichkeit einer grundlegenden Reform auch damit, dass die europäische Industrie aufgrund des amerikanischen Anti-Inflationsprogramms (IRA) dringend entlastet werden müsse. Und die Energiekosten seien nun einmal ein wichtiges Element der Wettbewerbsfähigkeit.

Stärkere Investitionsanreize für eine emissionsarme Stromproduktion, zu der in Frankreich auch die Atomenergie gehört, seien dringend nötig. Sie dürften allerdings die Effizienz des Binnenmarktes nicht beeinträchtigen, räumt die französische Ressortchefin ein, und nähert sich damit der deutschen Position an.

Energiekommissarin Kadri Simson wird keine Schwierigkeiten haben, Mitte März einen Vorschlag vorzulegen, mit dem alle leben können. Die geltenden Regeln hätten die Verbraucher im vergangenen Jahr zwar nicht vor den Preisschwankungen geschützt, insgesamt funktioniere der Markt jedoch, sagte Simson in Stockholm. In Brüssel halte man eine Ergänzung durch "langfristige Instrumente" deswegen für hilfreich. Sie könnten die Verbraucher vor exzessiven Preisschwankungen schützen und stärkere Signale für Investitionen in erneuerbare Energien, den Ausbau der Netze und für innovative Lösungen zur Reduzierung der Nachfrage erzeugen.

Mittwoch, 1.03.2023, 10:46 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Strom - Die EU auf der Suche nach Investitionsanreizen
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Die EU auf der Suche nach Investitionsanreizen
Die EU steht vor einer neuen Reform des Elektrizitätsmarktes. Bei den Einzelheiten liegen die Positionen der Mitgliedsstaaten aber noch weit auseinander.
Seit die Preise auf dem europäischen Elektrizitätsmarkt im vergangenen Jahr durch die Decke gingen, drängen vor allem die Mitgliedsstaaten im Süden der Union darauf, die geltenden Regeln zu ändern. Das Chaos an den Strombörsen, das ist unbestritten, wurde durch den raschen Anstieg und die starke Schwankung der Gaspreise verursacht. Ein Teil der Mitgliedsstaaten verlangt deswegen, den Strompreis vom Gaspreis abzukoppeln.

Erste Ideen, wie das gelingen könnte, zeichneten sich auf einem informellen Energieministerrat Ende Februar in Stockholm (Schweden) ab. Als Schwäche des gegenwärtigen "Marktdesigns" wurde diagnostiziert, dass es zu geringe Anreize für langfristige Investitionen gibt. Kurzfristig funktioniert der Elektrizitätsmarkt nach Ansicht der meisten Minister dagegen zufriedenstellend.

Einig seien sich ihre Kolleginnen und Kollegen darüber gewesen, was sie vom neuen Marktdesign erwarteten, sagte die schwedische Ressortchefin Ebba Busch nach den Beratungen: "Der Elektrizitätsmarkt muss die Verbraucher schützen, Versorgungssicherheit gewährleisten und dafür sorgen, dass langfristig in das Energiesystem und die Energiewende investiert wird."

Die Vorstellungen darüber, wie diese Ziele gleichzeitig erreicht werden können, gehen allerdings noch stark auseinander. Länder wie Deutschland, die Niederlande oder Luxemburg, in denen die fossile Erzeugung weiter eine große Rolle spielt, wollen nur geringfügige Eingriffe in die geltenden Regeln. "Das aktuelle Marktdesign ist gut und sollte nur geringfügig geändert werden", sagte Luxemburgs Energieminister Claude Turmes. Größter Nutznießer der hohen, kurzfristigen Flexibilität sei in den letzten Monaten Frankreich gewesen. Obwohl viele französische Atomkraftwerke aus technischen Gründen nicht am Netz gewesen seien, habe der Strombedarf des Landes durch Importe aus den Nachbarstaaten gedeckt werden können.

Deutschland schlägt Zwei-Stufen-Plan vor

Auch Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold warnte vor "Eingriffen in ein gut funktionierendes System". Nach Stockholm hatte Giegold einen Zwei-Stufen-Plan mitgebracht: Im ersten Schritt sollte die Kommission nur kleine Korrekturen vorschlagen, die man später nicht bedauern müsse. Sie könnten noch vor dem Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2024 beschlossen werden.

Um die günstigen Kosten der erneuerbaren Energien an die privaten und die industriellen Verbraucher weiterzureichen, setzt man in Berlin auf langfristige und direkte Stromlieferverträge (Power Purchase Agreements − PPA). Sie sollten durch die Vorschläge der Kommission begünstigt werden. Einen Beitrag zur Stabilisierung der Strompreise könnten auch richtig konzipierte Differenzverträge (Contracts for Differences − CfD) leisten. Sie müssten jedoch freiwillig sein und auf neue Anlagen beschränkt bleiben.

Weiter reichende Eingriffe in den Strommarkt dürften nur aufgrund einer detaillierten Analyse vorgenommen werden, die mehr Zeit in Anspruch nehme. Die Bundesregierung lehne vor allem jede besondere Belastung der erneuerbaren Energien ab. Ein zügiger Ausbau von Wind und Sonne erfordere "starke Marktsignale", sagte Giegold. Sonder-Abgaben müssten auf "extreme Profite" beschränkt bleiben. Zusätzliche Anreize würden auch für Investitionen in Gaskraftwerke gebraucht, die den Ausbau der erneuerbaren Energien ergänzen müssten.

In Brüssel werden die deutschen Vorschläge nicht zuletzt darauf zurückgeführt, dass fossile Energie für die deutsche Wirtschaft immer noch die größte Rolle spielt. Von einer getrennten Preisbildung für fossilen Strom würden die deutschen Strompreise deswegen weniger profitieren als zum Beispiel in Spanien oder Frankreich, wo 70 bis 80 Prozent des Stroms aus Atomkraftwerken oder erneuerbaren Quellen stammt.

Kritik aus Paris und Madrid

In Paris oder Madrid will man sich deswegen mit kleineren Korrekturen nicht zufriedengeben. Der Zwei-Stufen-Plan der Deutschen werde der Lage nicht gerecht, hieß es in der spanischen Delegation. Die französische Energieministerin, Agnes Pannier-Runacher, begründete die Dringlichkeit einer grundlegenden Reform auch damit, dass die europäische Industrie aufgrund des amerikanischen Anti-Inflationsprogramms (IRA) dringend entlastet werden müsse. Und die Energiekosten seien nun einmal ein wichtiges Element der Wettbewerbsfähigkeit.

Stärkere Investitionsanreize für eine emissionsarme Stromproduktion, zu der in Frankreich auch die Atomenergie gehört, seien dringend nötig. Sie dürften allerdings die Effizienz des Binnenmarktes nicht beeinträchtigen, räumt die französische Ressortchefin ein, und nähert sich damit der deutschen Position an.

Energiekommissarin Kadri Simson wird keine Schwierigkeiten haben, Mitte März einen Vorschlag vorzulegen, mit dem alle leben können. Die geltenden Regeln hätten die Verbraucher im vergangenen Jahr zwar nicht vor den Preisschwankungen geschützt, insgesamt funktioniere der Markt jedoch, sagte Simson in Stockholm. In Brüssel halte man eine Ergänzung durch "langfristige Instrumente" deswegen für hilfreich. Sie könnten die Verbraucher vor exzessiven Preisschwankungen schützen und stärkere Signale für Investitionen in erneuerbare Energien, den Ausbau der Netze und für innovative Lösungen zur Reduzierung der Nachfrage erzeugen.

Mittwoch, 1.03.2023, 10:46 Uhr
Tom Weingärtner

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