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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Der Krisenmanager zieht weiter
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

Der Krisenmanager zieht weiter

Aus Krisen lernen und am besten Partnerschaften eingehen. Das ist Stefan Grützmachers Abschiedsgruß aus Osnabrück.
Mitte August ist Stefan Grützmachers Arbeit so gut wie getan. Dann übergibt der Interimsmanager der Stadtwerke Osnabrück die Geschäftsführung an die designierten Nachfolger Daniel Waschow und Dirk Eichholz (Finanzvorstand). Seit Mai 2022 hatte Ex-Gasag-Chef Grützmacher die Aufgabe, das Leck bei den Südniedersachsen zu schließen, das bis heute zu einem Schaden von weit über 20 Millionen Euro geführt hat.

Als größten handwerklichen und wirtschaftlichen Fehler identifizierten die Verantwortlichen den Energiehandel. Grützmachers Vorgänger Christoph Hüls hatte den Aufsichtsrat des kommunalen Unternehmens fassungslos gemacht, als er für 2021 einen Verlust von 16,9 Millionen Euro mitteilen musste. Eine Folge: Hüls musste seinen Hut nehmen, obwohl er gerade erst seinen Vertrag verlängert hatte. Eine andere: Die Stadtwerke betreiben den Energiehandel inzwischen nicht mehr in Eigenregie, sondern haben zum Beispiel für die Kraftwerksscheibe am Trianel-Kohlemeiler Lünen (NRW) einen Dienstleister beauftragt. Auch die defizitäre Direktvermarktung der erneuerbaren Energien fahren die Stadtwerke sukzessive zurück. Vertrieb, Handel und Beschaffung hätten sich wieder erholt und 2022 im leicht positiven Bereich geendet, so Grützmacher.

Es ist gleichwohl nicht alles in Butter, wenn Stefan Grützmacher unter seinen dritten Job als Feuerwehrmann (nach Beste Stadtwerke in Höxter und Stadtwerke Münster, beide NRW) einen Strich setzt. Im Jahr 2022 steht vor dem Endergebnis von 4,5 Millionen Euro immer noch ein Minus. Die Trendwende sei aber vollzogen, selbst wenn es auch im laufenden Jahr möglicherweise noch nicht ganz für eine schwarze Null reichen sollte, so Grützmacher. Die vorsorglich im städtischen Haushalt für 2023 bereitgestellten 16 Millionen Euro seien allerdings – Stand jetzt – deutlich überdimensioniert. Im vergangenen Jahr hatte die Stadt Osnabrück dem angeschlagenen Unternehmen eine „stille Einlage" in Höhe von 21,5 Millionen Euro zukommen lassen, um die größte Not zu lindern.

Im Gespräch mit E&M bezeichnet Stefan Grützmacher es im Nachhinein als „volkswirtschaftlichen und auch betriebswirtschaftlichen Irrweg, die Energieversorgung in den Zehner-Jahren massiv dezentralisiert zu haben“. Es ergebe keinen Sinn, „an jeder Milchkanne ein Stadtwerk oder einen Netzbetreiber zu gründen“. Dies könne sich nicht nur bei kleinsten und kleinen Versorgern zu einem Problem auswachsen, sondern eben auch bei mittelgroßen wie den Stadtwerken Osnabrück als „prominentem Negativbeispiel“, so Grützmacher.

Als zwingende Notwendigkeit daraus sieht er regionale Kooperationen an. Diese würden Synergien und Stabilität versprechen und die Chance eröffnen, Cashflow aus der Energieversorgung sichern zu können. Bei den aktuell unsicheren Erträgen in diesem von internationalen Krisen erschütterten Geschäftsfeld sei es aber unsicher, ob Defizite – gerade bei Querverbundstadtwerken mit traditionellen Verlustbringern wie öffentlichem Nahverkehr und Bädern – sich automatisch decken ließen.

Die empfohlenen Partnerschaften entlasteten Stadtwerke allerdings von dem Druck, Investitionen ausschließlich allein tätigen und dafür auch das Eigenkapital antasten zu müssen. „Die Wärmewende schaffst du nicht alleine“, sagt Stefan Grützmacher. Dafür sollten Energieversorger und Stadtwerke Joint Ventures eingehen. Auf einem anderen Feld sei Münster dafür ein gutes Beispiel. Obwohl wirtschaftlich „extrem potent“, hätten die Westfalen sich für den Glasfaser-Ausbau die Telekom und den Investor Palladio Partners an die Seite geholt.

Osnabrück hat derweil zunächst nur einen großen Plan, die Stadtwerke zurück in die Gewinnzone zu bringen. Dafür haben die Zuständigen andere Investitionsvorhaben entweder zurückgestellt oder – wie ein Pieswerk zur Rückgewinnung von Gas, Koks, Öl und Stahlschrott aus Altreifen – komplett aufgegeben. Für das weit voran getriebene Pyrolyse-Projekt wollte Osnabrück 30 Millionen Euro in die Hand nehmen und eigentlich schon 2023 mit dem Bau beginnen. Schnee von gestern.
 
Stefan Grützmacher wechselt mit Beginn des September 2023 von den Stadtwerken Osnabrück zum Windkraft-Entwickler Nextwind nach Berlin. Quelle: Volker Stephan


Auch morgen gilt dagegen noch ein anderer Faktor, der neben der städtischen Finanzhilfe, den Kurskorrekturen und leicht verbesserten Erträgen zum Verlustabbau beigeträgt: ein umfassender Gehaltsverzicht. Die etwa 1.500 Mitarbeitenden verzichten je nach Einkommen auf 2 bis 5 Prozent ihrer Bezüge. Das ergebe eine Ersparnis von 1,5 bis 2 Millionen Euro pro Jahr, so Stefan Grützmacher. Damit sendeten die Beschäftigten auch ein Signal, dass die Bevölkerung nicht allein über die städtischen Zahlungen für das finanzielle Debakel einzustehen hätten. Er selbst verzichte ebenfalls auf 5 Prozent seiner Bezüge, obwohl er für die Situation keine Verantwortung trage, sagte Stefan Grützmacher.

Ab 15. August ist der gebürtige Rheinländer dann von seinen Geschäftsführerverpflichtungen befreit. Er will seinen Nachfolgern allerdings noch 14 Tage beratend zur Seite stehen. Der Übergang zum nächsten Job erfolgt nahtlos. Denn auch bei seinem nächsten Arbeitsvertrag ist die Tinte inzwischen trocken. Stefan Grützmacher schließt sich der „NeXtWind Management GmbH“ an. Mit deren Geschäftsführern Ewald Woste und Werner Süss hat er Einvernehmen über einen Beratervertrag erzielt. Das Berliner Unternehmen entwickelt Wirtschaftlichkeitspläne für Windkraftanlagen, die aufgrund ihres Alters (über 20 Jahre) aus der Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fallen. Die Ü20-Anlagen drängen sich für ein Repowering auf, also für einen Ersatz durch leistungsstärkere Turbinen am selben Standort, oder können durch die aktuell hohen Strompreise durchaus noch Jahre lang Gewinn abwerfen.

Stefan Grützmachers Aufgabe werde es sein, durch seine Kontakte in die Branche weitere Windkraft-Altanlagen zu identifizieren und dem Nextwind-Portfolio zuzuführen. Wenn er also künftig bei Stadtwerken anklingelt, dann nicht, um sich ihnen als Rettungskraft anzudienen. Wenngleich er dem Job als Feuerwehrmann nicht grundsätzlich abgeschworen hat. „Die Aufgabe und die Arbeit mit kooperativen Menschen muss mir Freude versprechen, dann bin ich auch weiter für ein Interimsmanagement offen“, so Grützmacher.

Leute wie er sind gefragt, übrigens nicht nur, wenn der Karren im Dreck gelandet ist. In Dortmund etwa springt aktuell Gerhard Holtmeier ein, bis ein langfristiger Nachfolger für die in die Konzernholding der DEW21 gewechselte Managerin Heike Heim gefunden ist. Manchmal lassen sich in der Not auch Altgediente reaktivieren: In Neumünster war Bernd Michaelis 2019 für ein halbes Jahr eingesprungen, als sich Millionenverluste angehäuft hatten. Der frühere kaufmännische Vorstand hatte den Übergang zum aktuellen Geschäftsführer Michael Böddeker geregelt. Ohne diese regionalen Besonderheiten schätzt Stefan Grützmacher die Anzahl der bundesweit verfügbaren Interimsmanager auf „zwei Hände voll“.

Mittwoch, 9.08.2023, 09:05 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Der Krisenmanager zieht weiter
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung
Der Krisenmanager zieht weiter
Aus Krisen lernen und am besten Partnerschaften eingehen. Das ist Stefan Grützmachers Abschiedsgruß aus Osnabrück.
Mitte August ist Stefan Grützmachers Arbeit so gut wie getan. Dann übergibt der Interimsmanager der Stadtwerke Osnabrück die Geschäftsführung an die designierten Nachfolger Daniel Waschow und Dirk Eichholz (Finanzvorstand). Seit Mai 2022 hatte Ex-Gasag-Chef Grützmacher die Aufgabe, das Leck bei den Südniedersachsen zu schließen, das bis heute zu einem Schaden von weit über 20 Millionen Euro geführt hat.

Als größten handwerklichen und wirtschaftlichen Fehler identifizierten die Verantwortlichen den Energiehandel. Grützmachers Vorgänger Christoph Hüls hatte den Aufsichtsrat des kommunalen Unternehmens fassungslos gemacht, als er für 2021 einen Verlust von 16,9 Millionen Euro mitteilen musste. Eine Folge: Hüls musste seinen Hut nehmen, obwohl er gerade erst seinen Vertrag verlängert hatte. Eine andere: Die Stadtwerke betreiben den Energiehandel inzwischen nicht mehr in Eigenregie, sondern haben zum Beispiel für die Kraftwerksscheibe am Trianel-Kohlemeiler Lünen (NRW) einen Dienstleister beauftragt. Auch die defizitäre Direktvermarktung der erneuerbaren Energien fahren die Stadtwerke sukzessive zurück. Vertrieb, Handel und Beschaffung hätten sich wieder erholt und 2022 im leicht positiven Bereich geendet, so Grützmacher.

Es ist gleichwohl nicht alles in Butter, wenn Stefan Grützmacher unter seinen dritten Job als Feuerwehrmann (nach Beste Stadtwerke in Höxter und Stadtwerke Münster, beide NRW) einen Strich setzt. Im Jahr 2022 steht vor dem Endergebnis von 4,5 Millionen Euro immer noch ein Minus. Die Trendwende sei aber vollzogen, selbst wenn es auch im laufenden Jahr möglicherweise noch nicht ganz für eine schwarze Null reichen sollte, so Grützmacher. Die vorsorglich im städtischen Haushalt für 2023 bereitgestellten 16 Millionen Euro seien allerdings – Stand jetzt – deutlich überdimensioniert. Im vergangenen Jahr hatte die Stadt Osnabrück dem angeschlagenen Unternehmen eine „stille Einlage" in Höhe von 21,5 Millionen Euro zukommen lassen, um die größte Not zu lindern.

Im Gespräch mit E&M bezeichnet Stefan Grützmacher es im Nachhinein als „volkswirtschaftlichen und auch betriebswirtschaftlichen Irrweg, die Energieversorgung in den Zehner-Jahren massiv dezentralisiert zu haben“. Es ergebe keinen Sinn, „an jeder Milchkanne ein Stadtwerk oder einen Netzbetreiber zu gründen“. Dies könne sich nicht nur bei kleinsten und kleinen Versorgern zu einem Problem auswachsen, sondern eben auch bei mittelgroßen wie den Stadtwerken Osnabrück als „prominentem Negativbeispiel“, so Grützmacher.

Als zwingende Notwendigkeit daraus sieht er regionale Kooperationen an. Diese würden Synergien und Stabilität versprechen und die Chance eröffnen, Cashflow aus der Energieversorgung sichern zu können. Bei den aktuell unsicheren Erträgen in diesem von internationalen Krisen erschütterten Geschäftsfeld sei es aber unsicher, ob Defizite – gerade bei Querverbundstadtwerken mit traditionellen Verlustbringern wie öffentlichem Nahverkehr und Bädern – sich automatisch decken ließen.

Die empfohlenen Partnerschaften entlasteten Stadtwerke allerdings von dem Druck, Investitionen ausschließlich allein tätigen und dafür auch das Eigenkapital antasten zu müssen. „Die Wärmewende schaffst du nicht alleine“, sagt Stefan Grützmacher. Dafür sollten Energieversorger und Stadtwerke Joint Ventures eingehen. Auf einem anderen Feld sei Münster dafür ein gutes Beispiel. Obwohl wirtschaftlich „extrem potent“, hätten die Westfalen sich für den Glasfaser-Ausbau die Telekom und den Investor Palladio Partners an die Seite geholt.

Osnabrück hat derweil zunächst nur einen großen Plan, die Stadtwerke zurück in die Gewinnzone zu bringen. Dafür haben die Zuständigen andere Investitionsvorhaben entweder zurückgestellt oder – wie ein Pieswerk zur Rückgewinnung von Gas, Koks, Öl und Stahlschrott aus Altreifen – komplett aufgegeben. Für das weit voran getriebene Pyrolyse-Projekt wollte Osnabrück 30 Millionen Euro in die Hand nehmen und eigentlich schon 2023 mit dem Bau beginnen. Schnee von gestern.
 
Stefan Grützmacher wechselt mit Beginn des September 2023 von den Stadtwerken Osnabrück zum Windkraft-Entwickler Nextwind nach Berlin. Quelle: Volker Stephan


Auch morgen gilt dagegen noch ein anderer Faktor, der neben der städtischen Finanzhilfe, den Kurskorrekturen und leicht verbesserten Erträgen zum Verlustabbau beigeträgt: ein umfassender Gehaltsverzicht. Die etwa 1.500 Mitarbeitenden verzichten je nach Einkommen auf 2 bis 5 Prozent ihrer Bezüge. Das ergebe eine Ersparnis von 1,5 bis 2 Millionen Euro pro Jahr, so Stefan Grützmacher. Damit sendeten die Beschäftigten auch ein Signal, dass die Bevölkerung nicht allein über die städtischen Zahlungen für das finanzielle Debakel einzustehen hätten. Er selbst verzichte ebenfalls auf 5 Prozent seiner Bezüge, obwohl er für die Situation keine Verantwortung trage, sagte Stefan Grützmacher.

Ab 15. August ist der gebürtige Rheinländer dann von seinen Geschäftsführerverpflichtungen befreit. Er will seinen Nachfolgern allerdings noch 14 Tage beratend zur Seite stehen. Der Übergang zum nächsten Job erfolgt nahtlos. Denn auch bei seinem nächsten Arbeitsvertrag ist die Tinte inzwischen trocken. Stefan Grützmacher schließt sich der „NeXtWind Management GmbH“ an. Mit deren Geschäftsführern Ewald Woste und Werner Süss hat er Einvernehmen über einen Beratervertrag erzielt. Das Berliner Unternehmen entwickelt Wirtschaftlichkeitspläne für Windkraftanlagen, die aufgrund ihres Alters (über 20 Jahre) aus der Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fallen. Die Ü20-Anlagen drängen sich für ein Repowering auf, also für einen Ersatz durch leistungsstärkere Turbinen am selben Standort, oder können durch die aktuell hohen Strompreise durchaus noch Jahre lang Gewinn abwerfen.

Stefan Grützmachers Aufgabe werde es sein, durch seine Kontakte in die Branche weitere Windkraft-Altanlagen zu identifizieren und dem Nextwind-Portfolio zuzuführen. Wenn er also künftig bei Stadtwerken anklingelt, dann nicht, um sich ihnen als Rettungskraft anzudienen. Wenngleich er dem Job als Feuerwehrmann nicht grundsätzlich abgeschworen hat. „Die Aufgabe und die Arbeit mit kooperativen Menschen muss mir Freude versprechen, dann bin ich auch weiter für ein Interimsmanagement offen“, so Grützmacher.

Leute wie er sind gefragt, übrigens nicht nur, wenn der Karren im Dreck gelandet ist. In Dortmund etwa springt aktuell Gerhard Holtmeier ein, bis ein langfristiger Nachfolger für die in die Konzernholding der DEW21 gewechselte Managerin Heike Heim gefunden ist. Manchmal lassen sich in der Not auch Altgediente reaktivieren: In Neumünster war Bernd Michaelis 2019 für ein halbes Jahr eingesprungen, als sich Millionenverluste angehäuft hatten. Der frühere kaufmännische Vorstand hatte den Übergang zum aktuellen Geschäftsführer Michael Böddeker geregelt. Ohne diese regionalen Besonderheiten schätzt Stefan Grützmacher die Anzahl der bundesweit verfügbaren Interimsmanager auf „zwei Hände voll“.

Mittwoch, 9.08.2023, 09:05 Uhr
Volker Stephan

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