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Energie & Management > Politik - Beschlussunfähig: Energieeffizienzgesetz bleibt liegen
Quelle: Shutterstock / canadastock
Politik

Beschlussunfähig: Energieeffizienzgesetz bleibt liegen

Das Energieeffizienzgesetz wäre die letzte Abstimmung vor der Sommerpause gewesen. Aber es waren zu wenige Bundestags-Abgeordnete da.
Der Entwurf des Energieeffizienzgesetzes (EnEfG) bleibt entgegen der Planung der Ampelkoalition während der parlamentarischen Sommerpause ohne abschließende Lesung liegen. Am letzten Sitzungstag des Bundestages vor der langen Pause am 7. Juli ließ die AfD-Opposition die letzte Lesung des EnEfG platzen.

Die AfD-Fraktion, die das Gesetz ablehnt, äußerte Zweifel, dass der Bundestag zur dritten Lesung noch beschlussfähig war, und erzwang eine Zählung der Abgeordneten. Der sogenannte Hammelsprung ergab, dass nur noch 241 statt der mindestens erforderlichen 369 Abgeordneten durch eine der beiden Zählungstüren gegangen waren und damit als anwesend galten.

Bundestags-Vizepräsidentin Aydan Özoguz musste die Beschlussunfähigkeit feststellen und diesen letzten Tagesordnungspunkt vertagen. Die SPD-Politikerin rügte die von ihr wahrgenommene Nichtteilnahme einiger AfD-Abgeordneter am Zählverfahren als unparlamentarisch.

Das Energieeffizienzgesetz regelt die nationale Umsetzung der Novelle der europäischen Energieeffizienzrichtlinie. Damit gibt es erstmals verbindliche Energieeinsparziele für Deutschland bis 2030 vor.

Die Positionen des BDEW und des VKU

Noch vor der dritten Lesung hatten Verbände ihre Positionen zum EnEfG mitgeteilt, ohne zu ahnen, dass sie platzen würde. „Die energetischen Einsparziele, die die Bundesregierung für die Jahre 2030 und 2045 festgelegt hat, sind sehr ambitioniert“, bewertete Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, das EnEfG. So sehe das Gesetz eine Senkung des Endenergieverbrauchs bis 2030 verglichen zum Jahr 2008 um 26,5 Prozent auf 1.867 Milliarden kWh vor; der Primärenergieverbrauch soll im gleichen Zeitraum um 39,3 Prozent auf 2.252 Milliarden kWh gesenkt werden. „Die Bundesregierung sollte nun zeitnah Instrumente vorlegen, mit denen die Ziele erreicht werden können“, forderte Andreae für die Energiebranche.

Zu den gesetzlichen Auflagen müsse eine zielgerichtete und finanziell gut ausgestattete Förderung kommen. „Kritisch ist aus Sicht des BDEW, dass der Wechsel auf klimaneutrale erneuerbare Energieträger nicht adressiert wird“, sagte Andreae. Das Gesetz enthalte sinnvolle Maßnahmen, um zusätzliche Einsparungen bei Unternehmen zu erzielen. So sind zukünftig alle Unternehmen mit einem jährlichen Endenergieverbrauch von mehr als 7,5 Millionen kWh verpflichtet, ein Energie- oder Umweltmanagementsystem einzurichten.

Positiv sei auch die Verpflichtung von Unternehmen ab einem bestimmten Gesamtenergieverbrauch ihre produktionsbedingte Abwärme auf das technisch und wirtschaftlich mögliche Mindestmaß zu reduzieren. Das könne die Fernwärmeunternehmen auf ihrem Weg zu einer klimaneutraleren Wärmelieferung unterstützen, so Andreae.

Rechenzentren und Wasserwerke sehen Handicaps

Die Vorgaben des Gesetzes an die Energieverbrauchseffektivität von Rechenzentren sieht der BDEW hingegen kritisch. So könne es bei den Informationspflichten zu Konflikten mit dem IT-Sicherheitsgesetz und den Vorgaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik kommen. Zudem sollten Rechenzentren ab 2027 ausschließlich Strom aus erneuerbaren Quellen nutzen, wobei nicht klar sei, ob dafür genügend Ökostrom preisgünstig am Markt verfügbar sein werde.

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), begrüßte, „dass während des Gesetzgebungsverfahrens in den Regelungen zur Vermeidung und Nutzung der Abwärme die technischen, wirtschaftlichen und betrieblichen Belange berücksichtigt werden“. Die starren Vorgaben des Gesetzentwurfs kollidierten jedoch erheblich mit steigenden Anforderungen an die Ver- und Entsorgung.

Allein die geplanten Vorgaben für die Wasserwirtschaft aus der Nationalen Wasserstrategie könnten den Primärenergieeinsatz um bis zu 30 Prozent erhöhen, fürchtet der VKU. Zwar sei die im Gesetz vorgesehene Vorbildrolle der öffentlichen Hand nachvollziehbar, aber das dürfe nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil kommunaler Unternehmen führen. „Für kommunale und private Unternehmen müssen dieselben Anforderungen gelten“, forderte Liebing.

Effizienzbranche will längerfristigen Rahmen

Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) forderte eine verbindliche Fortschreibung der Primär- und Endenergieziele des Energieeffizienzgesetzes bis 2045. „Mit Energieeinsparzielen bis 2030 fährt die Ampel effizienzpolitisch nur auf Sicht“, kritisierte Deneff-Vorstand Christian Noll. Echte Planungssicherheit für langfristige Investitionen sehen anders aus. Bisher liege die Bundesrepublik bei den Effizienzfortschritten in der EU hinter Irland, Estland, Rumänien, Frankreich, Griechenland, Lettland, Dänemark und Slowenien.

Neben verlässlichen Zielen bräuchte es dringend eine Nachschärfung konkreter Maßnahmen, da sich bereits jetzt ein akuter Einbruch der Nachfrage bei Gebäudesanierung und Effizienzmaßnahmen in Unternehmen abzeichne.

Das Effizienznetzwerk sieht in Industrie und Gewerbe in den vergangenen Jahren deutliche Schritte in Richtung Energieeffizienz. Knapp sieben Prozent weniger Energie habe Deutschland im ersten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum verbraucht. Die Isolierung von Wärmeleitungen, die Anhebung der Kühltemperatur im Serverraum oder beispielsweise Lecks in Druckluftnetzen zu schließen, seien Maßnahmen, die sehr rentabel sind, erinnerte die Initiative.

Freitag, 7.07.2023, 17:38 Uhr
Susanne Harmsen und Georg Eble
Energie & Management > Politik - Beschlussunfähig: Energieeffizienzgesetz bleibt liegen
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Politik
Beschlussunfähig: Energieeffizienzgesetz bleibt liegen
Das Energieeffizienzgesetz wäre die letzte Abstimmung vor der Sommerpause gewesen. Aber es waren zu wenige Bundestags-Abgeordnete da.
Der Entwurf des Energieeffizienzgesetzes (EnEfG) bleibt entgegen der Planung der Ampelkoalition während der parlamentarischen Sommerpause ohne abschließende Lesung liegen. Am letzten Sitzungstag des Bundestages vor der langen Pause am 7. Juli ließ die AfD-Opposition die letzte Lesung des EnEfG platzen.

Die AfD-Fraktion, die das Gesetz ablehnt, äußerte Zweifel, dass der Bundestag zur dritten Lesung noch beschlussfähig war, und erzwang eine Zählung der Abgeordneten. Der sogenannte Hammelsprung ergab, dass nur noch 241 statt der mindestens erforderlichen 369 Abgeordneten durch eine der beiden Zählungstüren gegangen waren und damit als anwesend galten.

Bundestags-Vizepräsidentin Aydan Özoguz musste die Beschlussunfähigkeit feststellen und diesen letzten Tagesordnungspunkt vertagen. Die SPD-Politikerin rügte die von ihr wahrgenommene Nichtteilnahme einiger AfD-Abgeordneter am Zählverfahren als unparlamentarisch.

Das Energieeffizienzgesetz regelt die nationale Umsetzung der Novelle der europäischen Energieeffizienzrichtlinie. Damit gibt es erstmals verbindliche Energieeinsparziele für Deutschland bis 2030 vor.

Die Positionen des BDEW und des VKU

Noch vor der dritten Lesung hatten Verbände ihre Positionen zum EnEfG mitgeteilt, ohne zu ahnen, dass sie platzen würde. „Die energetischen Einsparziele, die die Bundesregierung für die Jahre 2030 und 2045 festgelegt hat, sind sehr ambitioniert“, bewertete Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, das EnEfG. So sehe das Gesetz eine Senkung des Endenergieverbrauchs bis 2030 verglichen zum Jahr 2008 um 26,5 Prozent auf 1.867 Milliarden kWh vor; der Primärenergieverbrauch soll im gleichen Zeitraum um 39,3 Prozent auf 2.252 Milliarden kWh gesenkt werden. „Die Bundesregierung sollte nun zeitnah Instrumente vorlegen, mit denen die Ziele erreicht werden können“, forderte Andreae für die Energiebranche.

Zu den gesetzlichen Auflagen müsse eine zielgerichtete und finanziell gut ausgestattete Förderung kommen. „Kritisch ist aus Sicht des BDEW, dass der Wechsel auf klimaneutrale erneuerbare Energieträger nicht adressiert wird“, sagte Andreae. Das Gesetz enthalte sinnvolle Maßnahmen, um zusätzliche Einsparungen bei Unternehmen zu erzielen. So sind zukünftig alle Unternehmen mit einem jährlichen Endenergieverbrauch von mehr als 7,5 Millionen kWh verpflichtet, ein Energie- oder Umweltmanagementsystem einzurichten.

Positiv sei auch die Verpflichtung von Unternehmen ab einem bestimmten Gesamtenergieverbrauch ihre produktionsbedingte Abwärme auf das technisch und wirtschaftlich mögliche Mindestmaß zu reduzieren. Das könne die Fernwärmeunternehmen auf ihrem Weg zu einer klimaneutraleren Wärmelieferung unterstützen, so Andreae.

Rechenzentren und Wasserwerke sehen Handicaps

Die Vorgaben des Gesetzes an die Energieverbrauchseffektivität von Rechenzentren sieht der BDEW hingegen kritisch. So könne es bei den Informationspflichten zu Konflikten mit dem IT-Sicherheitsgesetz und den Vorgaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik kommen. Zudem sollten Rechenzentren ab 2027 ausschließlich Strom aus erneuerbaren Quellen nutzen, wobei nicht klar sei, ob dafür genügend Ökostrom preisgünstig am Markt verfügbar sein werde.

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), begrüßte, „dass während des Gesetzgebungsverfahrens in den Regelungen zur Vermeidung und Nutzung der Abwärme die technischen, wirtschaftlichen und betrieblichen Belange berücksichtigt werden“. Die starren Vorgaben des Gesetzentwurfs kollidierten jedoch erheblich mit steigenden Anforderungen an die Ver- und Entsorgung.

Allein die geplanten Vorgaben für die Wasserwirtschaft aus der Nationalen Wasserstrategie könnten den Primärenergieeinsatz um bis zu 30 Prozent erhöhen, fürchtet der VKU. Zwar sei die im Gesetz vorgesehene Vorbildrolle der öffentlichen Hand nachvollziehbar, aber das dürfe nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil kommunaler Unternehmen führen. „Für kommunale und private Unternehmen müssen dieselben Anforderungen gelten“, forderte Liebing.

Effizienzbranche will längerfristigen Rahmen

Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) forderte eine verbindliche Fortschreibung der Primär- und Endenergieziele des Energieeffizienzgesetzes bis 2045. „Mit Energieeinsparzielen bis 2030 fährt die Ampel effizienzpolitisch nur auf Sicht“, kritisierte Deneff-Vorstand Christian Noll. Echte Planungssicherheit für langfristige Investitionen sehen anders aus. Bisher liege die Bundesrepublik bei den Effizienzfortschritten in der EU hinter Irland, Estland, Rumänien, Frankreich, Griechenland, Lettland, Dänemark und Slowenien.

Neben verlässlichen Zielen bräuchte es dringend eine Nachschärfung konkreter Maßnahmen, da sich bereits jetzt ein akuter Einbruch der Nachfrage bei Gebäudesanierung und Effizienzmaßnahmen in Unternehmen abzeichne.

Das Effizienznetzwerk sieht in Industrie und Gewerbe in den vergangenen Jahren deutliche Schritte in Richtung Energieeffizienz. Knapp sieben Prozent weniger Energie habe Deutschland im ersten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum verbraucht. Die Isolierung von Wärmeleitungen, die Anhebung der Kühltemperatur im Serverraum oder beispielsweise Lecks in Druckluftnetzen zu schließen, seien Maßnahmen, die sehr rentabel sind, erinnerte die Initiative.

Freitag, 7.07.2023, 17:38 Uhr
Susanne Harmsen und Georg Eble

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