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Energie & Management > Recht - Bald mehr Windturbinen als Burgen in Lüdinghausen
Quelle: Fotolia / H-J Paulsen
Recht

Bald mehr Windturbinen als Burgen in Lüdinghausen

Eine westfälische Kleinstadt tut sich schwer mit der Windkraft. Eine weitere Anlage musste nun den Umweg über das Oberverwaltungsgericht nehmen, um entstehen zu dürfen.
Lüdinghausen, südwestlich von Münster, ist bekannt für seine drei Wasserburgen − neben Vischering sind dies Wolfsberg und der ehemalige Sitz des uradligen Rittergeschlechts Lüdinghausen. Weniger Schlagzeilen macht die Windkraft in der ehemaligen Kreisstadt. Es wird selten genehmigt und entsprechend kaum zugebaut. Aber nun wird doch eine neue Turbine in den Norden einziehen, die die Stadt eigentlich nicht wollte.

Das Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen hat den letzten Einwänden gegen die in der Bauerschaft Elvert geplante Vestas V150 (4,2 MW Leistung) per Urteil vom 11. August den Zahn gezogen. Eine Anwohnerin hatte bei der öffentlichen Erörterung des Projekts zunächst eine Reihe von Bedenken aufgelistet und schließlich Klage eingereicht. Ihr ging es dabei auch um Dinge, die inzwischen als Klassiker in die Geschichte des Windkraftwiderstands eingegangen sind: zu viel Lärm, zu viel Schattenwurf, Gefahr für Tierarten (hier: Weißstorch), Funkenflug im Falle eines Anlagenbrandes und schließlich eine optisch bedrängende Wirkung.

Auch ein Ortstermin konnte der Klägerin nicht helfen

Der Vorsitzende Richter des 7. Senats in Münster, Jens Saurenhaus, wischte alle Einwände beiseite. Teils seien sie rechtlich unerheblich, teils unbegründet. Das Thema der optisch bedrängenden Wirkung einer Windkraftanlage etwa regelt seit Februar 2023 ein Passus im Baugesetzbuch, Paragraf 249, Absatz 10. Demnach müssen Turbinen einen Abstand des Doppelten ihrer maximalen Höhe von der nächsten Bebauung einhalten.

Das wären im Fall der bis zur Rotorspitze rund 240 Meter hohen Vestas-Anlage mindestens 480 Meter. Das Gebäude der Klägerin steht allerdings 734 Meter entfernt, das ist mehr als das Dreifache. Das Gericht hielt es gleichwohl für angebracht, sich von den örtlichen Gegebenheiten ein Bild zu machen. Im Mai kam es zu einem Ortstermin, der der Klägerin letztlich nicht zum Vorteil gereichte.
 
 
Die Punkte Lärm und Feuergefahr hielt das Gericht über Gutachten beziehungsweise das Brandschutzkonzept abgedeckt. Beim Artenschutz fand es die angeführten Punkte für den Kiebitz nicht stichhaltig. Dass es in Lüdinghausen offenbar vor allem ums Verhindern der Anlage ging, lässt sich an zwei Nisthilfen für Weißstörche ablesen, die im Zuge des Genehmigungsverfahrens auf einmal auf Privatgelände entstanden. Der Kreis ließ sie wieder abreißen, dieses Vorgehen erlauben die Bestimmungen inzwischen – um nachträglich aufgestellte Hürden für Projekte zu verhindern.

Kreis nimmt der untätigen Stadt das Heft aus der Hand

Die Klage richtete sich in Münster gegen den Kreis Coesfeld wegen der von ihm am 27. September 2022 erteilten Baugenehmigung. Der Kreis hatte zuvor bereits einschreiten müssen, um die untätige Stadtverwaltung aus dem Fall herauszunehmen. Die Kommune hatte ihr erforderliches "gemeindliches Einvernehmen" für die Windturbine nicht erteilt und dabei auch darauf verwiesen, dass die Anlage außerhalb einer Konzentrationszone für solche Projekte stehe. Allerdings ist der geltende Flächennutzungsplan von 2003. Er bedarf dringend einer Überarbeitung, die Lüdinghausen aber nicht angeht. Windkraftprojekte in Elvert leiden seit 2014 darunter.

Also griff die Kreisverwaltung ein, erklärte den zuletzt 2016 geänderten Regionalplan für das Münsterland für wirksam und damit die Windkraftanlage für genehmigungsfähig. Damit bekommt ein einsamer Windpark in Lüdinghausen nun bald Nachbarschaft: Ganze drei Nordex-Anlagen (3,3 MW) in der Bauerschaft Aldenhövel hatten es 2018 auf die Landkarte der Stadt geschafft.

Welche Nachbarturbine es wird, entscheidet sich tatsächlich erst in Kürze. Denn der Entwickler, die Windpark Kleuterbach GmbH aus Bremen, möchte mehr Strom aus dem Lüdinghausener Wind ernten. Der Generator soll entsprechend über eine Leistung von 6,0 MW statt 4,2 MW verfügen, Standort und Höhe der Anlage sollen indes so bleiben.

Die erforderliche Änderung soll in einem vereinfachten Genehmigungsverfahren erfolgen können. Allerdings ist auch dazu wieder die Stadt Lüdinghausen anzuhören. Vielleicht erkundigt die Verwaltung sich flankierend bei der Kommune Coesfeld über Sinn und Chancen von Windkraft im Ort. Denn die Kreisstadt war 2021 bundesweit in die Schlagzeilen gekommen, weil sie Windparks mit einer Gesamtkapazität über 100 MW errichten ließ.

Freitag, 11.08.2023, 16:15 Uhr
Volker Stephan
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Bald mehr Windturbinen als Burgen in Lüdinghausen
Eine westfälische Kleinstadt tut sich schwer mit der Windkraft. Eine weitere Anlage musste nun den Umweg über das Oberverwaltungsgericht nehmen, um entstehen zu dürfen.
Lüdinghausen, südwestlich von Münster, ist bekannt für seine drei Wasserburgen − neben Vischering sind dies Wolfsberg und der ehemalige Sitz des uradligen Rittergeschlechts Lüdinghausen. Weniger Schlagzeilen macht die Windkraft in der ehemaligen Kreisstadt. Es wird selten genehmigt und entsprechend kaum zugebaut. Aber nun wird doch eine neue Turbine in den Norden einziehen, die die Stadt eigentlich nicht wollte.

Das Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen hat den letzten Einwänden gegen die in der Bauerschaft Elvert geplante Vestas V150 (4,2 MW Leistung) per Urteil vom 11. August den Zahn gezogen. Eine Anwohnerin hatte bei der öffentlichen Erörterung des Projekts zunächst eine Reihe von Bedenken aufgelistet und schließlich Klage eingereicht. Ihr ging es dabei auch um Dinge, die inzwischen als Klassiker in die Geschichte des Windkraftwiderstands eingegangen sind: zu viel Lärm, zu viel Schattenwurf, Gefahr für Tierarten (hier: Weißstorch), Funkenflug im Falle eines Anlagenbrandes und schließlich eine optisch bedrängende Wirkung.

Auch ein Ortstermin konnte der Klägerin nicht helfen

Der Vorsitzende Richter des 7. Senats in Münster, Jens Saurenhaus, wischte alle Einwände beiseite. Teils seien sie rechtlich unerheblich, teils unbegründet. Das Thema der optisch bedrängenden Wirkung einer Windkraftanlage etwa regelt seit Februar 2023 ein Passus im Baugesetzbuch, Paragraf 249, Absatz 10. Demnach müssen Turbinen einen Abstand des Doppelten ihrer maximalen Höhe von der nächsten Bebauung einhalten.

Das wären im Fall der bis zur Rotorspitze rund 240 Meter hohen Vestas-Anlage mindestens 480 Meter. Das Gebäude der Klägerin steht allerdings 734 Meter entfernt, das ist mehr als das Dreifache. Das Gericht hielt es gleichwohl für angebracht, sich von den örtlichen Gegebenheiten ein Bild zu machen. Im Mai kam es zu einem Ortstermin, der der Klägerin letztlich nicht zum Vorteil gereichte.
 
 
Die Punkte Lärm und Feuergefahr hielt das Gericht über Gutachten beziehungsweise das Brandschutzkonzept abgedeckt. Beim Artenschutz fand es die angeführten Punkte für den Kiebitz nicht stichhaltig. Dass es in Lüdinghausen offenbar vor allem ums Verhindern der Anlage ging, lässt sich an zwei Nisthilfen für Weißstörche ablesen, die im Zuge des Genehmigungsverfahrens auf einmal auf Privatgelände entstanden. Der Kreis ließ sie wieder abreißen, dieses Vorgehen erlauben die Bestimmungen inzwischen – um nachträglich aufgestellte Hürden für Projekte zu verhindern.

Kreis nimmt der untätigen Stadt das Heft aus der Hand

Die Klage richtete sich in Münster gegen den Kreis Coesfeld wegen der von ihm am 27. September 2022 erteilten Baugenehmigung. Der Kreis hatte zuvor bereits einschreiten müssen, um die untätige Stadtverwaltung aus dem Fall herauszunehmen. Die Kommune hatte ihr erforderliches "gemeindliches Einvernehmen" für die Windturbine nicht erteilt und dabei auch darauf verwiesen, dass die Anlage außerhalb einer Konzentrationszone für solche Projekte stehe. Allerdings ist der geltende Flächennutzungsplan von 2003. Er bedarf dringend einer Überarbeitung, die Lüdinghausen aber nicht angeht. Windkraftprojekte in Elvert leiden seit 2014 darunter.

Also griff die Kreisverwaltung ein, erklärte den zuletzt 2016 geänderten Regionalplan für das Münsterland für wirksam und damit die Windkraftanlage für genehmigungsfähig. Damit bekommt ein einsamer Windpark in Lüdinghausen nun bald Nachbarschaft: Ganze drei Nordex-Anlagen (3,3 MW) in der Bauerschaft Aldenhövel hatten es 2018 auf die Landkarte der Stadt geschafft.

Welche Nachbarturbine es wird, entscheidet sich tatsächlich erst in Kürze. Denn der Entwickler, die Windpark Kleuterbach GmbH aus Bremen, möchte mehr Strom aus dem Lüdinghausener Wind ernten. Der Generator soll entsprechend über eine Leistung von 6,0 MW statt 4,2 MW verfügen, Standort und Höhe der Anlage sollen indes so bleiben.

Die erforderliche Änderung soll in einem vereinfachten Genehmigungsverfahren erfolgen können. Allerdings ist auch dazu wieder die Stadt Lüdinghausen anzuhören. Vielleicht erkundigt die Verwaltung sich flankierend bei der Kommune Coesfeld über Sinn und Chancen von Windkraft im Ort. Denn die Kreisstadt war 2021 bundesweit in die Schlagzeilen gekommen, weil sie Windparks mit einer Gesamtkapazität über 100 MW errichten ließ.

Freitag, 11.08.2023, 16:15 Uhr
Volker Stephan

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