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Energie & Management > Stromnetz -  Acer zur Energiekrise: Welche Maßnahmen halfen
Quelle: Shutterstock / peopleandmore
Stromnetz

Acer zur Energiekrise: Welche Maßnahmen halfen

Die Großhandelspreise für Strom haben sich in den letzten Monaten wieder normalisiert – die Verbraucher zahlen trotzdem deutlich mehr für ihren Strom als vor der Krise.
Das Paradox, dass die Stromverbraucher höhere Einzelhandels-Preise zahlen, während der Großhandels-Preis fällt, geht aus einer Untersuchung der europäischen Energieregulierer-Agentur Acer hervor. Die Regulierer im slowenischen Ljubljana haben die Wirkung der mehr als 400 Maßnahmen untersucht, die die Mitgliedsstaaten der EU im letzten Jahr ergriffen haben, um die Folgen des Energiepreisanstiegs auf ihre Wirtschaft und die privaten Haushalte abzufedern.

Etwa ein Drittel der Maßnahmen zielte darauf ab, die Sicherheit der Energieversorgung zu erhöhen, mit zwei Drittel der Maßnahmen wollten die Regierungen Strom bezahlbar halten.

In der ersten Kategorie wurde in der Hälfte der Fälle versucht, die Energieeffizienz schneller zu verbessern oder den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Diese Maßnahmen seien vereinbar mit den Zielen des Klimapaktes, heißt es in dem Bericht. Das sei nicht der Fall, wenn Gas zur Stromerzeugung durch andere Brennstoffe ersetzt werde.

40 Prozent der Maßnahmen seien darauf gerichtet, die privaten Haushalte zu unterstützen, wobei nur ein Viertel gezielt einkommensschwachen Haushalten zugute komme. 60 Prozent der Ausgleichsmaßnahmen kamen in Form von direkten Einkommensbeihilfen wie Einmalzahlungen, 40 Prozent waren Eingriffe in den Markt wie Rabatte auf die Stromrechnung.

Alle Maßnahmen, die für eine sichere Versorgung ergriffen wurden, haben sich nach Ansicht der Acer positiv auf die Versorgungssicherheit ausgewirkt. Das betrifft vor allem die Diversifizierung der Gasversorgung und die Sparvorgaben für den Energieverbrauch. Bei den Maßnahmen zur Kostendämpfung sei das nicht immer der Fall gewesen, schreiben die Regulierer, denn sie behinderten Energiesparmaßnahmen und befänden sich so in einem Konflikt mit der Versorgungssicherheit.

Als besonders problematisch erweisen sich nach Ansicht der Regulierer Eingriffe in den Einzelhandel mit dem Ziel, die Verbraucherpreise von den Großhandels-Preisen abzukoppeln. Das könne zwar kurzfristig günstig für die Endverbraucher sein, die Beeinträchtigung des Preissignals führe aber dazu, dass die Verbindung zwischen den Preisen an den Börsen und den Verbraucherpreisen auch in der anderen Richtung gelockert werde. Im Ergebnis zahlten viele Verbraucher inzwischen immer noch viel mehr als vor der Krise, obwohl sich die Großhandels-Preise für Strom weitgehend normalisiert haben.

Insgesamt wendeten die EU-Staaten zwischen 305 und 646 Milliarden Euro für Krisen-Interventionen auf den Energiemärkten auf: preissenkende Subventionen, Steuervergünstigungen, Einkommensbeihilfen. Die niedrigste Schätzung stammt von der Internationalen Energieagentur (IEA), die höchste letztlich von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel.

In vielen Fällen handele es sich, so Acer weiter, um Maßnahmen, die allen zugutekämen, also auch Haushalten oder Unternehmen, die das nicht nötig hätten. Dies, obwohl die hohen Strompreise zum Beispiel Haushalte mit geringen Einkommen deutlich härter träfen als andere. In den öffentlichen Haushalten stünden diese Mittel für andere Aufgaben nicht mehr zur Verfügung.

Um langfristigen Marktverzerrungen entgegenzuwirken, empfiehlt Acer, die Krisenmaßnahmen zeitlich zu befristen und auf die Gruppen von Verbrauchern zuzuschneiden, die von hohen Energiepreisen besonders betroffen sind.

Gleichzeitig räumen die Regulierer ein, die Energiekrise des letzten Jahres habe gezeigt, dass es keine Patentrezepte für alle Mitgliedsstaaten gebe. Allerdings gebe es Spielraum für ein abgestimmtes Vorgehen. Damit könnten die Mitgliedsstaaten einen Beitrag zur Stabilität leisten und negative Auswirkungen in den anderen Mitgliedsstaaten vermeiden.

Auf jeden Fall sollten die Kapazitäten grenzüberschreitender Interkonnektoren besonders in Krisenzeiten maximal genutzt werden. Lobend merkt Aceran, dass es trotz der angespannten Lage zu keiner Beschränkung der Stromexporte oder -importe gekommen ist. Das habe entscheidend dazu beigetragen, Preisschocks auszugleichen und die Versorgungssicherheit zu verbessern.

Kurzfristig hätten sich die ergriffenen Maßnahmen nicht auf die Integration des europäischen Stromgroßhandels ausgewirkt, heißt es in dem Bericht von Acer weiter. Allerdings seien die Stromflüsse durch größere Preisunterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten „künstlich über die Grenzen umgeleitet worden“. Das wiederum habe Gegenmaßnahmen der betroffenen Staaten ausgelöst. Beispiel: Weil die Spanier ihre Großhandelspreise deckelten, verkauften ihre Kraftwerke mehr Strom nach Frankreich, wo sie höhere Preise erzielen konnten.

An den Terminmärkten hat man sich inzwischen auf die „iberischen Verhältnisse“ eingestellt. Der grenzüberschreitende Stromhandel leiste zwar einen wichtigen Beitrag zur Stabilität der europäischen Stromerzeugung, übertrage aber auch die nationalen Engpässe auf die Nachbarschaft.

Montag, 17.07.2023, 09:42 Uhr
Tom Weingärtner
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Acer zur Energiekrise: Welche Maßnahmen halfen
Die Großhandelspreise für Strom haben sich in den letzten Monaten wieder normalisiert – die Verbraucher zahlen trotzdem deutlich mehr für ihren Strom als vor der Krise.
Das Paradox, dass die Stromverbraucher höhere Einzelhandels-Preise zahlen, während der Großhandels-Preis fällt, geht aus einer Untersuchung der europäischen Energieregulierer-Agentur Acer hervor. Die Regulierer im slowenischen Ljubljana haben die Wirkung der mehr als 400 Maßnahmen untersucht, die die Mitgliedsstaaten der EU im letzten Jahr ergriffen haben, um die Folgen des Energiepreisanstiegs auf ihre Wirtschaft und die privaten Haushalte abzufedern.

Etwa ein Drittel der Maßnahmen zielte darauf ab, die Sicherheit der Energieversorgung zu erhöhen, mit zwei Drittel der Maßnahmen wollten die Regierungen Strom bezahlbar halten.

In der ersten Kategorie wurde in der Hälfte der Fälle versucht, die Energieeffizienz schneller zu verbessern oder den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Diese Maßnahmen seien vereinbar mit den Zielen des Klimapaktes, heißt es in dem Bericht. Das sei nicht der Fall, wenn Gas zur Stromerzeugung durch andere Brennstoffe ersetzt werde.

40 Prozent der Maßnahmen seien darauf gerichtet, die privaten Haushalte zu unterstützen, wobei nur ein Viertel gezielt einkommensschwachen Haushalten zugute komme. 60 Prozent der Ausgleichsmaßnahmen kamen in Form von direkten Einkommensbeihilfen wie Einmalzahlungen, 40 Prozent waren Eingriffe in den Markt wie Rabatte auf die Stromrechnung.

Alle Maßnahmen, die für eine sichere Versorgung ergriffen wurden, haben sich nach Ansicht der Acer positiv auf die Versorgungssicherheit ausgewirkt. Das betrifft vor allem die Diversifizierung der Gasversorgung und die Sparvorgaben für den Energieverbrauch. Bei den Maßnahmen zur Kostendämpfung sei das nicht immer der Fall gewesen, schreiben die Regulierer, denn sie behinderten Energiesparmaßnahmen und befänden sich so in einem Konflikt mit der Versorgungssicherheit.

Als besonders problematisch erweisen sich nach Ansicht der Regulierer Eingriffe in den Einzelhandel mit dem Ziel, die Verbraucherpreise von den Großhandels-Preisen abzukoppeln. Das könne zwar kurzfristig günstig für die Endverbraucher sein, die Beeinträchtigung des Preissignals führe aber dazu, dass die Verbindung zwischen den Preisen an den Börsen und den Verbraucherpreisen auch in der anderen Richtung gelockert werde. Im Ergebnis zahlten viele Verbraucher inzwischen immer noch viel mehr als vor der Krise, obwohl sich die Großhandels-Preise für Strom weitgehend normalisiert haben.

Insgesamt wendeten die EU-Staaten zwischen 305 und 646 Milliarden Euro für Krisen-Interventionen auf den Energiemärkten auf: preissenkende Subventionen, Steuervergünstigungen, Einkommensbeihilfen. Die niedrigste Schätzung stammt von der Internationalen Energieagentur (IEA), die höchste letztlich von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel.

In vielen Fällen handele es sich, so Acer weiter, um Maßnahmen, die allen zugutekämen, also auch Haushalten oder Unternehmen, die das nicht nötig hätten. Dies, obwohl die hohen Strompreise zum Beispiel Haushalte mit geringen Einkommen deutlich härter träfen als andere. In den öffentlichen Haushalten stünden diese Mittel für andere Aufgaben nicht mehr zur Verfügung.

Um langfristigen Marktverzerrungen entgegenzuwirken, empfiehlt Acer, die Krisenmaßnahmen zeitlich zu befristen und auf die Gruppen von Verbrauchern zuzuschneiden, die von hohen Energiepreisen besonders betroffen sind.

Gleichzeitig räumen die Regulierer ein, die Energiekrise des letzten Jahres habe gezeigt, dass es keine Patentrezepte für alle Mitgliedsstaaten gebe. Allerdings gebe es Spielraum für ein abgestimmtes Vorgehen. Damit könnten die Mitgliedsstaaten einen Beitrag zur Stabilität leisten und negative Auswirkungen in den anderen Mitgliedsstaaten vermeiden.

Auf jeden Fall sollten die Kapazitäten grenzüberschreitender Interkonnektoren besonders in Krisenzeiten maximal genutzt werden. Lobend merkt Aceran, dass es trotz der angespannten Lage zu keiner Beschränkung der Stromexporte oder -importe gekommen ist. Das habe entscheidend dazu beigetragen, Preisschocks auszugleichen und die Versorgungssicherheit zu verbessern.

Kurzfristig hätten sich die ergriffenen Maßnahmen nicht auf die Integration des europäischen Stromgroßhandels ausgewirkt, heißt es in dem Bericht von Acer weiter. Allerdings seien die Stromflüsse durch größere Preisunterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten „künstlich über die Grenzen umgeleitet worden“. Das wiederum habe Gegenmaßnahmen der betroffenen Staaten ausgelöst. Beispiel: Weil die Spanier ihre Großhandelspreise deckelten, verkauften ihre Kraftwerke mehr Strom nach Frankreich, wo sie höhere Preise erzielen konnten.

An den Terminmärkten hat man sich inzwischen auf die „iberischen Verhältnisse“ eingestellt. Der grenzüberschreitende Stromhandel leiste zwar einen wichtigen Beitrag zur Stabilität der europäischen Stromerzeugung, übertrage aber auch die nationalen Engpässe auf die Nachbarschaft.

Montag, 17.07.2023, 09:42 Uhr
Tom Weingärtner

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