Quelle: Fotolia / Jürgen Fälchle
Bastian Wurm leitet die Direktvermarktung bei Trianel, die auf der Messe E-world ausstellt. Er beziffert im E&M-Gespräch auch das PPA-Portfolio der Stadtwerke-Kooperation.
E&M: Herr Wurm, Trianels grünes Direktvermarktungs-Portfolio ist zum Jahreswechsel um 200
MW zurückgegangen. Ist das normales Auf und Ab?
Bastian Wurm: 2022 war ein extremes Jahr infolge des Ukraine-Kriegs. Darauf haben wir auch strategisch in der Ausrichtung unseres Portfolios reagieren müssen. Die extremen Preisschwankungen haben zu einem erhöhten Risiko in der Vermarktung geführt, insbesondere der Kurzfristvermarktung.
E&M: Was die Technologien in ihrem Portfolio angeht, haben Sie sich in der E&M-Direktvermarktungsumfrage bedeckt gehalten.
Wurm: In Zahlen legen wir es nicht offen. Im Offshore-Bereich haben wir verstärkt abgebaut, auch um Klumpenrisiken zu reduzieren. Insbesondere im Bereich Wasserkraft, Biomethan und Biogas sind wir um über 60
Prozent gewachsen. In der Flexvermarktung geht es darum, die steuerbare Flexibilität von zum Beispiel Biogas- oder Biomethananlagen vollautomatisch über alle Märkte zu platzieren. In meinen Augen haben wir hier ein Alleinstellungsmerkmal. Wir sind der einzige Akteur, der konsequent und automatisiert alle Märkte bewirtschaftet. Trianel hat einen strategischen Schwerpunkt darauf gelegt, dass wir im flexiblen Assetbereich wachsen.
|
Bastian Wurm Quelle: Trianel |
E&M: Wann würden Sie ein Power Purchase Agreement einem Direktvermarktungs-Vertrag vorziehen?
Wurm: Aus Handelssicht sind PPA wichtige Konstrukte, um erneuerbare Energien in die Märkte zu integrieren, Liquidität zu generieren und preisdämpfend zu wirken. Die reine Direktvermarktung ist nur auf der kurzen Frist des Marktes unterwegs. Letztes Jahr haben wir vor der Erlösabschöpfung viele Abschlüsse − auch für Direktvermarktungs-Anlagen − im PPA-Bereich gesehen, obwohl der Terminmarkt nur eine geringe Liquidität aufwies.
E&M: Kann man das PPA-Volumen quantifizieren?
Wurm: Wir hatten mehrere hundert MW in kurzfristigen PPA.
E&M: Zum Jahreswechsel hat es zwischen der geförderten und der ungeförderten Direktvermarktung Verschiebungen im Gigawatt-Bereich gegeben. Welchen Reim machen Sie sich darauf?
Wurm: Wir haben letztes Jahr eine herausfordernde Mischung gehabt: der Redispatch 2.0 − der immer noch nicht funktioniert −, die Strompreisbremse, das EEG 2023, durch das sich auch für Bestandsanlagen Fernsteuerbarkeits-Nachweise geändert haben. Durch die hohe Volatilität der Preise hatte man auch viel höhere Abwicklungskosten. Das hat in den alten Direktvermarktungsverträgen niemand vorhergesehen. Es gab ein einheitliches Vermarktungsentgelt. Das hat in weiten Teilen die Kosten aber nicht gedeckt. Wir haben darauf reagiert, indem wir das Preismodell transparent umgestellt haben.
E&M: Wie gehen Sie mit dem Ausgleichsenergierisiko um? Wie beteiligen Sie den Anlagenbetreiber daran?
Wurm: Ausgleichsenergie- und Intraday-Kosten waren ein großes Thema und haben zur Steigerung der Vermarktungskosten geführt. Wir schauen Vermarktungskosten in zwei Dimensionen an: Was haben wir an Prognosefehler zwischen dem Vortag und untertägig, also zwischen Day-ahead und Intraday? Und welche Prognosekosten fallen an von Mengen, die wir im Intraday nicht gesehen haben und die dann in die AE laufen? Wenn man 1
Prozent Schwankung bei 40
Euro hat, ist man bei 40
Cent, bei 400
Euro halt schon bei 4
Euro, die man pro MWh Fehler draufzahlt. Darum haben wir unser Vertragsmodell umgestellt.
E&M: Wie sollte ein Stadtwerk jetzt ein bestehendes grünes Kraftwerk vermarkten?
Wurm: Bei einzelnen Anlagen ist es wahrscheinlich − noch, muss man sagen − die Direktvermarktung. Vielleicht kann man auch in Festpreisverträge gehen, absichern, Preise mitnehmen, sobald es möglich ist. Wir bauen verstärkt ein Erzeugungs-Portfoliomanagement auch für EE-Anlagen auf. Das heißt, dass man sich für das ganze Portfolio überlegt: Wie hebe ich da den höchsten Wert? Einen Teil lasse ich im Spot, einen anderen stecke ich in Kurzfrist-PPA, wieder einen anderen in die langfristige Vermarktung. Wir haben angefangen, unser 20-jähriges Know-how in der Kraftwerksbewirtschaftung aktiv für die Erneuerbaren zu nutzen.
E&M: Ihr Ausblick für das Direktvermarktungsgeschäft in Deutschland für dieses Jahr? Die Stromerlösabschöpfung läuft Ende Juni wohl doch aus.
Wurm: Im Wind- und PV-Bereich kommen kontinuierlich Anfragen, insbesondere für Inbetriebnahmen. Aber das große Vertriebsgeschäft geht meistens ungefähr vor den Sommerferien los: Die großen Aggregatoren fangen dann an, die Verträge neu auszuschreiben, sie fragen die Direktvermarkter an und suchen sich neue Direktvermarkter aus. Letzteres beginnt üblicherweise in den Sommerferien, im Juli, August. Im Bereich der flexiblen "Stetigen", wie wir sie nennen − Wasser, Biogas, Biomethan et cetera − hat man eher einen kontinuierlichen Vertrieb. Da bewegt sich viel, und wir sehen auch in 2023 ein weiteres starkes Wachstum unseres Biogas-/Biomethan-Portfolios.
Dienstag, 23.05.2023, 13:26 Uhr
© 2024 Energie & Management GmbH