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Quelle: Deutscher Bundestag / Achim Melde
Susanne Harmsen
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Freitag, 13.05.2022, 15:05 Uhr
Politik
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Energiesicherungsgesetz ermöglicht Enteignungen
Der Bundestag erleichterte am Abend des 12. Mai den staatlichen Zugriff auf Energieunternehmen durch eine Novelle des Gesetzes aus dem Jahr 1975, der Zeit der Ölkrise.
Der Staat soll in Deutschland künftig leichter auf Energieunternehmen zugreifen können, wenn erhebliche Engpässe bei der Versorgung drohen. Der Bundestag stimmte einer entsprechenden Reform des Energiesicherungsgesetzes aus dem Jahr 1975 am 12. Mai zu. Dafür votierten die Abgeordneten der Regierungsfraktionen SPD, Grüne und FDP sowie der Linken. Die AfD lehnte die Pläne ab, die Unionsfraktion enthielt sich. Der Bundesrat muss das Vorhaben noch billigen, was nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am 20. Mai geschehen könnte.

Konsequenzen könnte das Gesetz für die PCK-Raffinierie im brandenburgischen Schwedt an der Oder haben, die äußerst wichtig ist für die Kraftstoffversorgung Ostdeutschlands. Sie verarbeitet bisher in erster Linie russisches Öl. PCK gehört mehrheitlich Rosneft Deutschland, einer Tochtergesellschaft des gleichnamigen russischen Staatskonzerns. Wegen des auf EU-Ebene diskutierten Embargos für russische Öl-Importe sucht Habeck nach alternativen Öl-Quellen für Schwedt über Rostock und Danzig.

Kritische Infrastruktur schützen

Unternehmen im Energiebereich haben für das tägliche Leben eine besondere Bedeutung, weshalb eigene Vorgaben gelten. Wenn die „konkrete Gefahr“ besteht, dass ein Unternehmen dieser kritischen Infrastruktur seine Aufgaben nicht erfüllt und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht, kann es mit dem reformierten Gesetz vorübergehend unter Treuhandverwaltung gestellt werden. Dies geschah vor kurzem mit Gazprom Germania. Das Gesetz ermöglicht nun bei Unternehmen der kritischen Infrastruktur als letztes Mittel auch die Möglichkeit einer Enteignung.

Falls insbesondere die Gasimporte nach Deutschland erheblich reduziert sind, bekommen Gasversorger das Recht, ihre Preise zu erhöhen. Voraussetzung ist, dass die zweite oder dritte Stufe im Notfallplan Gas, die Alarm- oder Notfallstufe, offiziell festgestellt worden sind. Kunden müssen darüber rechtzeitig informiert werden und haben Kündigungsrecht. Die Ausnahmeregelung für zeitweilig erhöhte Preise erlischt, sobald die Bundesnetzagentur formal ein Ende des Mangels feststellt.

Kommunale Unternehmen brauchen weitere Hilfen

VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing kommentierte den Bundestagsbeschluss als richtigen Schritt. Da sich die Lage weiter zuspitze sei es wichtig, sich sehr rasch auf einen Lieferstopp bei russischem Gas vorzubereiten. „Das Gesetz trägt dazu bei, die Energieversorgung im Notfall abzusichern“, sagte Liebing. Das gelte insbesondere auch für die künftige Möglichkeit einer Preisanpassung. „Solange der Staat steigende Gaspreise nicht schon bei Import und Großhandel abfängt, ist zumindest deren Weitergabe nötig, um trotz hoher Wiederbeschaffungskosten die Handlungsfähigkeit der Energieversorger zu erhalten“, erläuterte er.

Für die Fernwärmeerzeugung müsse dies noch separat an anderer Stelle geregelt werden, erinnerte er. Diese Änderungen reichten immer noch nicht aus, um einen Lieferstopp und seine Folgen zu beherrschen, mahnte Liebing zugleich. So müssten dringend die Auswirkungen steigender Preise bei den Endkunden, also bei Privathaushalten, Gewerbe und Industrieunternehmen durch zusätzliche Maßnahmen abgefedert werden.
 
Die Energiewirtschaft brauche „sehr schnell einen ergänzenden Schutzschild“. Denn zwischen Lieferstopp und Preisweitergabe entstehe eine zeitliche Lücke. Für diese müssten Energieunternehmen bei Bedarf Liquiditätshilfen und Zuschüsse erhalten, forderte Liebing. Außerdem habe der Gesetzgeber auf eine Preisweitergabe bei stromerzeugenden Gaskraftwerken verzichtet. Das könne die betroffenen Unternehmen „zwischen galoppierenden Gaspreisen und vertraglich fixierten Endkundenpreisen zerreiben“, mahnte der VKU. Insolvenzen und damit der Ausfall wichtiger Energieversorger müssten vermieden werden.

Experte fordert Enteignung von Gazprom Germania

Vor dem Hintergrund des russischen Gas-Lieferstopps vom 12. Mai gegen Gazprom Germania haben sich Energiemarktexperten für eine Verstaatlichung der Firma und ihrer Tochterunternehmen wie etwa Wingas ausgesprochen. „Eine Enteignung wäre das Mittel der Wahl, damit etwa die Handelspartner von Wingas weiter die Sicherheit haben, bedient zu werden“, sagte Fabian Huneke vom Beratungsunternehmen Energy Brainpool in Berlin.

Bei den Handelsunternehmen der Gazprom Germania bestehe eine starke Insolvenzgefährdung. Diese müsste mit staatlichen Garantien abgewendet werden, um einen Dominoeffekt auf andere Unternehmen zu verhindern, sagte Huneke. Wingas beliefert unter anderem Stadtwerke. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am 12. Mai bereits Unterstützung für Gazprom Germania signalisiert und finanzielle Garantien in Aussicht gestellt, aber nicht von einer Verstaatlichung gesprochen.