Die rund 900
Energieversorgungsunternehmen in Deutschland benötigen bis 2035 zusätzlich 68
Milliarden Euro Eigenkapital für den Ausbau der Strom- und Wärmenetze. Das geht aus einer gemeinsamen Analyse von Agora Energiewende, der Stiftung Klimaneutralität und dem in Frankfurt/Main tätigen Dezernat Zukunft hervor.
Laut den Organisationen lassen sich staatliche und unternehmerische Maßnahmen kombinieren, um den Bedarf auf etwa 12
Milliarden Euro zu senken. Die Studie zeigt erhebliche Unterschiede in der Finanzkraft der Branche und betont, dass vor allem kleinere kommunale Versorger an Grenzen stoßen.
Die drei Thinktanks haben die Energieversorgungsunternehmen nach Bilanzgröße, Eigenkapitalquote, Versorgungsgebiet und Gesellschafterstruktur in sieben Cluster eingeteilt. Auf dieser Basis schätzen sie regionalisiert und nach Geschäftssparten getrennt den jeweiligen Kapitalbedarf. Laut der Untersuchung zählt mehr als die Hälfte der Unternehmen zu Clustern mit erhöhtem Eigenkapitalbedarf. Diese Unternehmen versorgen rund drei Viertel aller Haushalte. Lediglich einige private Konzerne und finanzstarke Stadtwerke können die anstehenden Investitionen ohne zusätzliche Unterstützung stemmen.
Netzausbau unumgänglichDie Deutschlanddirektorin von Agora Energiewende Julia Bläsius sagte, steigende CO2-Preise, höhere Gasnetzentgelte und der Trend zur Elektrifizierung belasteten das Gasgeschäft vieler Versorger. Die Unternehmen müssten deshalb ihre Wärme- und Strominfrastruktur ausbauen, um langfristig stabile Einnahmen zu sichern. Sie betonte, dass neue Finanzierungsmodelle notwendig seien, damit Versorger mit geringen Eigenmitteln ihre Kundschaft weiterhin zuverlässig mit CO2-freier Energie versorgen können.
Janek Steitz, Direktor beim Dezernat Zukunft, erläutert laut der Organisation, dass der größte Teil der Investitionen bis 2035 anstehe. Viele Unternehmen seien auf zusätzliches Fremd- und Eigenkapital angewiesen, wofür staatliche Unterstützung notwendig sei. Nach dem Jahr 2035 gehe der Investitionsbedarf zurück, sodass Versorger Eigenkapital wieder abbauen könnten.
Hebel um Kapital einzuwerbenDie Studie beschreibt mehrere Hebel, mit denen Bund, Länder und Unternehmen Kapital mobilisieren können. Staatliche Kreditgarantie- und Kreditaufkaufprogramme sollen Risiken privater Kapitalgeber reduzieren und die Fremdkapitalaufnahme erleichtern. In Kombination mit regulatorischen Anpassungen lasse sich der Eigenkapitalbedarf so um rund 37
Milliarden Euro senken. Zudem kalkulieren die Studienautorinnen und -autoren, dass private Konzerne und wohlhabende Stadtwerke etwa 15
Milliarden Euro aus eigenen Mitteln bereitstellen könnten.
Zeitweise sinkende Gewinnausschüttungen hätten dagegen aufgrund angespannter kommunaler Haushalte nur begrenztes Potenzial, könnten den Bedarf jedoch um weitere 5
Milliarden Euro verringern. Am Ende verbleiben laut Studie rund 12
Milliarden Euro, die öffentliche Mittel decken müssten. Die Thinktanks schlagen dafür eine bundes- oder landeseigene Gesellschaft vor, die Eigenkapital über ein Fondsmodell einbringt. Versorger sollen Projekte in eigene Gesellschaften ausgliedern, die ein solcher Fonds bündelt. Durch die Verbindung von öffentlichem Kapital und diversifizierten Projekten könne das Modell auch private Investoren ansprechen.
Thomas Losse-Müller, Direktor der Stiftung Klimaneutralität, sagte, klassische Finanzierungswege reichten weitgehend aus, um den größten Teil des Bedarfs aufzubringen. Für den verbleibenden Betrag brauche es jedoch ein neues, überwiegend öffentliches Instrument. Er verweist auf die Möglichkeit, einen Energie-Infrastruktur-Fonds unter dem Dach des Deutschlandfonds einzurichten. Die Bundesregierung müsse nun über die konkrete Ausgestaltung entscheiden.
Die
Studie „Investitionen in eine zukunftsfähige Daseinsvorsorge“ steht im Internet bereit.