Die Slowakei ist Transitland für russisches Erdgas. Es fürchtet um die Einnahmen aus dem Gastransport und vor einer Take-or-Pay-Klausel mit Russland.
Vor wenigen Wochen haben sich die EU-Mitgliedstaaten mehrheitlich darauf verständigt, dass Importe von russischem Erdgas in die Europäische Union ab 2028 verboten sein sollen. Die Slowakei hat, wie übrigens auch Ungarn, dem nicht zugestimmt.
Dies hängt nicht nur damit zusammen, dass der slowakische linkspopulistische Ministerpräsident Robert Fico demonstrativ den Schulterschluss mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sucht. Vielmehr muss Fico eine äußerst angespannte Haushaltslage in den Griff bekommen, die sich durch den Wegfall der Gaslieferungen noch einmal deutlich verschärfen könnte. Denn bei den Gebühren, die auf den Transit russischen Erdgases durch die Slowakei erhoben werden, handelt es sich Fico zufolge um wesentliche Einnahmen für den Fiskus.
Auf den ersten Blick scheint dies ein schlagkräftiges Argument. Die Transitgebühren zogen zuletzt drastisch an. Waren 2024 noch 93 Euro/Tonne Erdgas fällig, sind es in diesem Jahr nicht weniger als 328,50 Euro und im kommenden Jahr 534 Euro/Tonne. Auf diese Weise will die Slowakei kompensieren, dass seit Anfang 2025 kein russisches Erdgas mehr über die Ukraine in die Slowakei gelangt.
Das könnte sich jedoch schon bald als Eigentor erweisen. Die Slowakei droht nämlich wegen der Preiserhöhungen zu einem der teuersten Transitstaaten innerhalb Europas zu werden. Deshalb könnte sie ab 2028 trotz bisheriger guter Anbindung nach Österreich, Polen, Tschechien und in die Ukraine sogar zu einem „Ende der Pipeline“ werden, warnen Experten.
Trotzdem verteidigt Robert Fico den aktuellen Kurs bei den Transitgebühren. Die Slowakei stelle den Transport von Gas innerhalb Europas sicher. Deshalb sei es nur recht und billig, dass das Land dafür hohe Gebühren erhebe und auf diese Weise erhebliche Einnahmen erziele, zumal eine Beförderung „über die Adria“ fünfmal so teuer sei.
Tatsächlich aber erzielt der slowakische Fiskus aus dem Transit von Gas immer weniger Einnahmen. Verbuchte der Gasbeförderer Eustream, eine Tochter des staatlichen Gasversorgers SPP, 2020 noch einen Nettogewinn von 360 Millionen Euro, waren es 2021 nur noch 277 Millionen. Euro. Nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine im Jahr 2022 sank der Gewinn weiter auf 264 Millionen Euro, und im vergangenen Jahr musste das Unternehmen sogar einen Verlust von 12,5 Millionen. Euro hinnehmen.
In krassem Gegensatz zu Ficos Darstellung steht das Vorgehen des Managements der SPP. Denn längst wurde die Versorgung der Slowakei unabhängig von russischen Lieferungen sichergestellt. Erdgas kommt nun vor allem aus dem Süden Europas, und zwar über die Turkstream-Pipeline. Das Unternehmen hat außerdem nach eigenen Angaben seine Gasspeicher ausschließlich mit Erdgas aus nicht-russischer Herkunft aufgefüllt und sein Lieferanten-Portfolio um Länder wie Algerien und Aserbeidschan erweitert.
Derzeit wird über den Abschluss eines Abkommens mit dem aserbaidschanischen Unternehmen Socar verhandelt, das Gazprom als Lieferanten ablösen soll. Denkbar wäre aus Sicht des SPP-Managements auch, ein Konsortium starker europäischer Unternehmen zu bilden, die am Fortbestand des Transports von Gas durch die Slowakei interessiert sind. Alternativ käme ein einzelner großer Händler infrage.
Eine verlässliche Lösung muss jedenfalls bald gefunden sein. Denn bis 1. März 2026 haben die Slowaken ihren nationalen Diversifizierungsplan bei der Europäischen Kommission einzureichen. Darin ist auch darzulegen, wie russisches Gas ersetzt und die Versorgungssicherheit nach 2028 gewährleistet werden kann.
Die SPP stärkt Robert Fico jedoch an anderer Front den Rücken. Die Top-Manager warnen nämlich davor, dass mit einem Verbot russischer Gasimporte ein Schiedsverfahren mit dem russischen Konzern Gazprom drohe. Dies könnte der SPP Verluste in Milliardenhöhe bescheren. Denn die Slowaken haben sich gegenüber Gazprom verpflichtet, bis 2034 Gas von dem russischen Konzern zu beziehen.
Falls sie den Vertrag einseitig kündigen würden, käme eine Take-or-Pay-Klausel zum Tragen, wonach SPP auch für nicht abgenommenes Gas bezahlen müsste. Bei den aktuellen Preisen könnte das einen Verlust in Höhe von insgesamt 16 Milliarden Euro nach sich ziehen Diese Last müsste letztlich der Staat tragen, was wiederum den Bemühungen der Regierung um eine zügige Konsolidierung des Haushalts zuwider liefe.