Militärflieger und Windkraftanlagen pflegen ein distanziertes Verhältnis zueinander. Nun gehen Bundeswehr und Branche aber aufeinander zu, wie auf den Windenergietagen NRW zu hören war.
Die Windkraft und die Streitkraft in Deutschland sind nicht die besten Freunde. Häufig sehen Abordnungen beider Seiten sich vor Gericht, weil es eine Schiedsstelle braucht, um zu Lösungen in Interessenkonflikten zu gelangen. Dieser juristische Umweg könnte bald zur Seltenheit werden.
Wie ein Panel im Rahmen der diesjährigen Windenergietage in Nordrhein-Westfalen erbrachte, bewegen Verbände und Militär sich aufeinander zu. Laut Alexander Rabuske wollen Bundeswehr auf der einen und Fachverbände der Energiewirtschaft auf der anderen Seite im Jahr 2026 eine Gesprächsrunde wiederbeleben. Rabuske ist Planungsingenieur und Militär-Fachexperte beim Berliner Projektierer Qualitas Energy sowie einer der Sprecher im Arbeitskreis „Luftverkehr & Radar“ des Bundesverbands Windenergie (BWE).
In einer Arbeitsgruppe wollen ab kommendem Jahr BWE und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mit der Bundeswehr Probleme besprechen, um sie möglichst außergerichtlich aus der Welt zu schaffen. Hintergrund: Zu häufig kollidierten in der Vergangenheit Windenergieprojekte mit den Interessen des Militärs.
Die Seiten sind uneins über mehr als 4.700 MW Leistung
Die Bundeswehr verweigert die erforderliche Zustimmung häufig, weil sie zum Beispiel Radaranlagen beeinträchtigt oder Gefahren durch die Höhe der Anlagen sieht. Das sei problematisch für die Sicherheit etwa des normalen Flugverkehrs von Militärmaschinen, bei Formationsflügen oder auch im Falle von Hubschrauber-Tiefflugkorridoren.
Wie Alexander Rabuske beim Branchentreff, den der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW) am 20. und 21. November in Bad Driburg ausrichtet, vortrug, waren im Herbst 2024 geplante Anlagen mit einer Leistung von mehr als 4.700 MW von Auseinandersetzungen mit dem Militär betroffen.
Er bezog sich auf eine BWE-Studie vom vergangenen Jahr. Sie war zu dem Ergebnis gekommen, dass mehr als zwei Drittel (68 Prozent) dieser Anlagen nicht entstehen konnten, weil Projektierer sie wegen der fehlenden Zustimmung der Bundeswehr entweder verworfen hatten (58 Prozent) oder Klagen auf Genehmigung vor Gericht gescheitert waren (10 Prozent).
Für Raunen sorgte in der Windkraft-Branche zuletzt die Nachricht, dass die Luftwaffe sieben Tiefflugkorridore in Deutschland reaktivieren wolle. Eins davon betrifft den Himmel über Ostwestfalen und dem Sauerland. Insgesamt erhöht sich durch die zusätzlich geplanten Flüge und Korridore so auch das Risiko für Windkraftprojektierer, ihre Anlage nicht genehmigt zu bekommen. Mehr Prozesse wären dadurch absehbar.
Dabei seien die Chancen vor Gericht für Windkraftunternehmen grundsätzlich gar nicht so schlecht, wie Oliver Frank erklärte. Der Jurist aus der Kanzlei Engemann & Partner, zugleich Sprecherkollege von Rabuske beim BWE, listete jüngere Verfahren auf, die das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster verhandelt hatte.
Eigene Rechte wahren und auch das Gespräch suchen
Im Falle eines Radars in Erndtebrück hatte die Bundeswehr 2021 eine Niederlage kassiert, weil das OVG die bloße Möglichkeit einer Störung des Radars nicht als ausreichend ansah. Es sei eine erhebliche Störung nachzuweisen, um ein Windkraftwerk zu verhindern. Auch bei einem Tiefflugkorridor für Hubschrauber musste das Militär einen Kompromiss eingehen und den Widerstand gegen eine Turbine aufgeben, weil schon andere in derselben Windkraftvorrangzone und dem Korridor standen.
Diese beiden Verfahren waren mit Protokollnotizen zu Ende gegangen, weil die Bundeswehr die Sachen fallen ließ und ein Richterspruch so unnötig wurde. In anderen Prozessen gab es für die Windkraftbranche weniger zu holen. Von 13 geplanten Anlagen in der Nähe des britischen Truppenübungplatzes Senne (Bielefeld) ließen sich nur sieben durchsetzen, die nicht in den geltenden Luftbeschränkungsbereich hineinragten. Und schließlich gelang es Anfang November 2025 nicht, eine Turbine im Einzugsbereich des Radars am Fliegerhorst Nörvenich durchzusetzen (wir berichteten).
Das neue Gesprächsformat der Bundeswehr und der Verbände soll also absehbare Konflikte frühzeitig thematisieren. Im Idealfall finden beide Seiten einen tragfähigen Kompromiss. Das wäre ganz im Sinne von Oliver Frank. Der Anwalt empfahl zwar, im Zweifel eigene Rechte auch juristisch prüfen zu lassen. Unbedingt empfehlenswert sei aber zudem, bereits in frühen Planungsphasen den direkten Austausch mit der Bundeswehr zu suchen.