Der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz lud am 20. November zum sechsten deutschen Strommarkt-Forum ein. Unter dem Titel „Strommarkt im Wandel – Flexibilität und Sicherheit gestalten die Zukunft“ diskutierten Fachleute aus Unternehmen, Behörden und Forschung über Anforderungen an ein verlässliches Stromsystem.
Zur Eröffnung sagte Stefan Kapferer, deutlich mehr Marktakteure müssten künftig verlässliche Rahmenbedingungen erhalten, um gemeinsam für Netzstabilität zu sorgen. Neue Backup-Kraftwerke seien notwendig, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, erinnerte er an die Versprechen der Bundesregierung, so der CEO von 50 Hertz. Er sprach sich für einen Kapazitätsmarkt aus, der Rollen und Verantwortlichkeiten transparent klärt. Batteriespeicher sollten nach seiner Einschätzung stärker als bislang systemdienlich arbeiten. „Eine rein betriebswirtschaftlich optimierte Fahrweise einzelner Anlagen reicht nicht aus, um das Stromsystem sicher zu betreiben“, sagte er.
Kapferer betonte außerdem, die Standortwahl neuer Kapazitäten müsse stärker netzdienlich erfolgen. Einen ersten Schritt sehe er in Baukostenzuschüssen, die künftig auch für erneuerbare Erzeugungsanlagen gelten sollten. Er verwies darauf, dass Marktsignale die geeignetste Form seien, um Investitionen zu lenken. Ein volatiles Energiesystem lasse sich nicht durch zentrale Vorgaben führen, sagte er. Auch kleinere Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen müssten künftig besser steuerbar arbeiten, schloss er.
Lehren aus dem großen BlackoutEin Schwerpunkt der Veranstaltung war die Bewertung des großflächigen Stromausfalls auf der iberischen Halbinsel Ende April durch Nicolas Krieger von der Bundesnetzagentur. Das Ereignis sei der erste vollständige Blackout dieser Größenordnung seit zwei Jahrzehnten gewesen. Die Untersuchungen zeigten, dass zuvor Pendelbewegungen im Netz beobachtet worden waren und Maßnahmen des spanischen Übertragungsnetzbetreibers zu steigenden Spannungen führten.
Krieger hob hervor, dass die enge Zusammenarbeit der europäischen Übertragungsnetzbetreiber wesentlich zum schnellen Wiederaufbau beigetragen habe. Die Aufarbeitung des Vorfalls laufe weiter, ein Abschlussbericht sei für das erste Quartal 2026 vorgesehen.
Technische Anschlussregeln für neue Erzeuger einführenMirjam König vom Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW erläuterte die Anforderungen an eine ganzheitliche Systemauslegung. Sie sagte, die technischen Anschlussregeln für Erzeuger, Lasten und Großverbraucher müssten schneller an moderne Anforderungen angepasst werden. Netzbildende Eigenschaften von Stromrichtern, neue Vorgaben für Elektrolyseure und Wärmepumpen sowie zusätzliche Kompensationsanlagen für Blindleistung gehörten zu den notwendigen Maßnahmen.
König verwies auf laufende Arbeiten an Märkten für stationäre Blindleistung und Momentanreserve. Ein europaweit abgestimmter Rechtsrahmen sei erforderlich, damit neue Anlagen technische Mindestanforderungen einheitlich erfüllen. Die EU solle schnellstens europäische Netzanschlusscodes beschließen „Requirements for Generators“ (ERG) und „Demand Connection“, damit neue Anlagen den modernen Anforderungen entsprechen, forderte sie.
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Von links: Mirjam König (Transnet BW), Nicolas Krieger (Bundesnetzagentur) und Moderatorin Quelle: Susanne Harmsen |
In seinem Impulsvortrag beschrieb Christoph Maurer vom Aachener Beratungsunternehmen Consentec die systemischen Herausforderungen. Bis zu 15.000 MW Redispatch-Leistung an manchen Tagen seien ein Hinweis auf Engpässe im Netz. Maurer forderte einen engeren regionalen Ausgleich von Erzeugung und Last. Auch der Übertragungsnetzausbau sei keine endgültige Lösung, denn künftig müssten Interkonnektoren zu Nachbarstaaten nach EU-Vorgaben zu 70 Prozent für den grenzüberschreitenden Stromhandel zur Verfügung stehen. Damit sei weniger Kapazität für innerdeutsche Transporte verfügbar.
Christina Hepp vom Unternehmen Green Flexibility stellte Ansätze für einen netzneutralen Betrieb von Batteriespeichern vor. Sie sagte, Speichersysteme seien derzeit unterschiedlichen technischen Vorgaben unterworfen, die ihren Einsatz beschränken. Zu den Einschränkungen gehörten Leistungsbegrenzungen, frühe Fahrplanfestlegungen, Vorgaben für Leistungsgradienten und Limits bei der Vermarktung von Regelleistung.
Dies führte zu deutlich höheren Erlöseinbußen als dynamische Vorgaben. Die Unvorhersehbarkeit der Erträge erschwere zugleich die Kreditfinanzierung durch Banken. Daher plädierte sie für eine abgestimmte Kombination verschiedener Maßnahmen, um Netzsicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig Flexibilität zu erhalten. Eine garantierte Mindestleistung pro Jahr könnte die Erlössituation von Batteriespeichern verbessern, so Heppner.
Marktmechanismen sollten Flexibilität honorieren und netzdienliche Betriebsweisen unterstützen. Neue technische und regulatorische Lösungen müssten dies unterstützen, so das Fazit des Forums.