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Quelle: E&M
Georg Eble
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Mittwoch, 03.12.2025, 08:50 Uhr
Aus Dem Jahresmagazin
E&M News
„Vielleicht ist der Wind ein bisschen aufgefrischt“
Ursula Heinen-Esser, die CDU-Politikerin war, ist seit Oktober die erste Präsidentin des BEE. Ein Gespräch über Vernetzung in die Politik, in der Branche und in Europa.
E&M: Frau Heinen-Esser, Gratulation zur Wahl zur Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie. Ich nehme an, Sie sind die erste ehemalige CDU-Politikerin in dieser Position. 
 
Heinen-Esser: Ja, jedenfalls die erste aktive. 

E&M: Sie folgen in dieser Position auf eine ehemalige Grünen-Politikerin, nämlich auf Simone Peter. Ist das ein normaler Vorgang bei einem Regierungswechsel, erst recht, wenn das Energieministerium und das Kanzleramt mit CDU-Politikern besetzt sind? 

Heinen-Esser: Simone Peter hatte dieses Amt acht Jahre inne, im Übrigen auch bei Ministern unterschiedlicher politischer Farben. Und dass es nach so langer Zeit zu einem Wechsel kommt, halte ich für einen normalen Vorgang. 

„Seit vielen Jahren intensiv mit Erneuerbaren zu tun“

E&M: Sie sind in der CDU stark vernetzt und das seit 42 Jahren: Damals sind Sie in die Junge Union eingetreten, dann haben Sie sich im Ring Christlich-Demokratischer Studenten engagiert, sind in die CDU eingetreten, in die Frauen-Union, haben dort jeweils Führungsfunktionen übernommen, Sie waren in der ‚Jungen Gruppe‘ der Union im Bundestag. Wie sehr sind Sie denn in der Erneuerbaren-Branche vernetzt?
 
Ursula Heinen-Esser, die neue Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE)
Quelle: BEE / Rolf Schulten

 Heinen-Esser: Eigentlich sehr gut. Ich habe zwar im Deutschen Bundestag nicht mit dem Thema Energie begonnen, aber durch meine Zugehörigkeit im Landwirtschaftsausschuss habe ich mich früh mit dem Thema Bioenergie beschäftigt. Das habe ich dann als Parlamentarische Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium fortgesetzt und war dann Parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium. Dort war ich zuständig für Kernenergie. Der 2011 beschlossene Ausstieg aus der Kernenergie ist ja einhergegangen mit einem Ausbau der erneuerbaren Energien. Anders hätte man das damals auch nicht darstellen können beziehungsweise wollen. Insofern habe ich seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema erneuerbare Energien zu tun. 

E&M: Meine Beobachtung war, zuletzt 2024 bei der Messe Wind Energy in Hamburg: Die Erneuerbaren-Branche hat sich stark mit Katherina Reiches Vorgänger als Energieminister, Robert Habeck, identifiziert. Er wurde wie ein Popstar begrüßt. Hat sich die Branche zu stark auf ihn verlassen? 

Heinen-Esser: Nein, das würde ich auf gar keinen Fall sagen. Robert Habeck hat als zuständiger Minister sehr, sehr viel für die Erneuerbaren-Branche getan. Das geht ganz klar auf seine Positivliste. Und dass die Branche einen engen Draht sucht zu einem Minister, der viel für sie tut, ist, glaube ich, relativ logisch.
Aber jetzt brechen andere Zeiten heran: Vielleicht ist der Wind ein bisschen aufgefrischt. Wie genau, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, da − bis auf die zehn Maßnahmen aus dem Aktionsplan von Katherina Reiche − noch nichts vorliegt. Was davon tatsächlich umgesetzt wird, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen. 

„Ich finde den Spitznamen ‚Gas-Kathi‘ nicht in Ordnung“
 
E&M: Der Zehn-Punkte-Aktionsplan von Katherina Reiche nach dem Energiewende-Monitoringbericht war Mitte September, einen Tag vor der Messe Husum Wind, ein starker Angriffspunkt vonseiten der Erneuerbaren-Branche. Ich nehme ein gewisses Fremdeln dieser Branche gegenüber Frau Reiche wahr. Inoffiziell wird sie ‚Gas-Kathi‘ genannt, weil sie 20.000 MW neuer Gaskraftwerke zum Systemausgleich ausschreiben möchte. Welchen Zugang haben Sie zu ihr? 

Heinen-Esser: Ich kenne sie seit vielen Jahren. Wir waren zusammen Mitglieder im Bundestag, wir waren zusammen Parlamentarische Staatssekretärinnen im Umweltministerium. Wenn ich das mal klar sagen darf: Ich finde einen solchen Spitznamen nicht in Ordnung. Katherina Reiche hat mehr praktische Erfahrung als fast jeder ihrer Amtsvorgänger. Sie ist nicht nur Politikerin, sondern sie war auch Führungskraft in einem Wirtschaftsunternehmen. Frau Reiche war beim VKU (Verband kommunaler Unternehmen; d. Red.) als Hauptgeschäftsführerin, sie war Vorsitzende des Vorstands von Westenergie. Sie kennt das Energiegeschäft von zwei Seiten. Daraus leitet sie ihre Kompetenz ab. Ob wir als Erneuerbaren-Branche alle ihre Ansichten teilen, das bleibt mal dahingestellt. Aber sie leitet ihre Schlussfolgerungen aus ihrer persönlichen praktischen Erfahrung − ich vermute mal vor allen Dingen bei Westenergie − ab. 

E&M: Der Hauptdiskussionspunkt ist die Ausschreibung der Gaskraftwerke. Wie stehen Sie dazu? 

Heinen-Esser: Der Koalitionsvertrag hat festgelegt, bis zu 20 GW Gaskraftwerke zu errichten. Wir sind als Branche nicht der Meinung, dass diese Leistung in der heutigen Zeit benötigt wird. Unter Habeck waren bei der EU-Kommission 12 GW beihilferechtlich beantragt worden. Das ist auch die installierte Leistung, die jetzt tatsächlich zur Diskussion steht.
Ich glaube, dass wir es auch mit deutlich weniger schaffen können: mit intelligenten Netzen, intelligenten Speichersystemen. Welche Überlegungen im BMWE (Wirtschaftsministerium; d. Red.) da eine Rolle spielen, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber die Koalitionsfraktionen sind eben von ‚bis zu‘ 20 GW − das ist die Formulierung im Koalitionsvertrag − ausgegangen. 

„Ich war damals für Windkraft auf Kahlflächen“
 
E&M: Sie waren 2018 bis 2022 Ministerin in NRW. In den Anfang Ihrer Amtszeit fällt noch ein Fast-Stillstand beim Ausbau der Windenergie im bevölkerungsreichsten Bundesland. Es galt die 1000-Meter-Abstandsregel, Waldwind war verboten. Sie sind oder waren auch Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Wie stehen Sie zu Waldwind? 

Heinen-Esser: Ich war Umwelt- und Landwirtschaftsministerin in Nordrhein-Westfalen. Windkraft zählte − leider, muss ich sagen − nicht zu meinen Themen, sondern liegt in Nordrhein-Westfalen traditionell im Wirtschafts- und Energieministerium.
Heute ist Nordrhein-Westfalen unter einer schwarz-grünen Landesregierung das Nummer-eins-Land im Ausbau der Windkraft. Es hat da in NRW einen kräftigen Schub gegeben. Das können Sie auch auf den aktuellen CDU-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst zurückführen. Unter meiner Präsidentschaft bei der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald haben wir zudem ein dezidiertes Papier zum Thema Windkraft im Wald verabschiedet, eben um Windkraft im Wald naturverträglich möglich machen zu können.
In meine Zeit als Ministerin in Nordrhein-Westfalen fielen die großen Kalamitäten. Gerade Nordrhein-Westfalen gehört zu den Bundesländern, denen Borkenkäfer-induzierte Kahlschläge zu schaffen machen. Ich habe mich damals für Windkraft im Wald oder, besser gesagt, auf den Kahlflächen ausgesprochen, um auch den Waldbesitzenden neue Einkommensmöglichkeiten zu geben. Sie müssen dann im Wald nichts verändern, sondern Sie können Windkraftanlagen bauen und um die Anlagen herum dann wieder den Wald aufforsten. Das ist eine Win-win-Situation sowohl für Windkraft als auch Wald und Waldbesitz, aber auch für den Naturschutz. 

E&M: Sie sind auch international vernetzt. Sie leiteten 2013 die deutsche Delegation zur UN-Klimakonferenz. Wie wichtig ist diese supranationale und internationale Vernetzung? Und wann werden wir einen schlagkräftigen europäischen Erneuerbaren-Dachverband sehen statt vieler technologiespezifischer Fachverbände? 

Heinen-Esser: Ach, das ist eine Frage, die ich im Grunde überhaupt nicht beantworten kann. Ich finde es spannend, jetzt auch inhaltlich in diesen Komplex einzusteigen, und würde mir wünschen, dass das Thema Erneuerbare auf EU-Ebene genauso stark wird, wie es das in einzelnen Mitgliedsländern geworden ist. Wir haben jedenfalls ein sehr engagiertes Vorstandsmitglied, das sich um die europäischen Themen kümmert. Seit vielen Jahren, jedenfalls solange ich schon Politik mache, ist Energiepolitik auf europäischer Ebene heikel. Die nationalen Interessen sind so unterschiedlich, dass es schwierig ist, sie miteinander zu koppeln.
Ich bin schon froh, wenn übernationale Themen wie etwa die Klimaziele oder der Emissionshandel vernünftig auf europäischer Ebene geregelt werden. Darin kann sich die nationale Energiepolitik wunderbar einfügen. Aber wenn Sie sehen, dass der Zeitplan für die Einführung von ETS 2 erneut verschoben wurde … 

E&M: … das zweite Emissionshandelssystem für fossile Brenn- und Kraftstoffe im Verkehr und zum Heizen, das eigentlich Anfang 2027 unionsweit eingeführt werden sollte … 

Heinen-Esser: … oder wie lange über die Klimaziele diskutiert wurde, sind wir froh, dass der Europäische Rat sich schließlich doch für die Klimaziele 2040 ausgesprochen hat. Wenn wir das erreicht haben, dann schaffen wir es auch, mit der Energiepolitik weiterzukommen. Aber wann das tatsächlich auf europäischer Ebene der Fall ist, darüber wage ich aus meiner Erfahrung heraus keine Prognose. 
 

Zur Person:

Ursula Heinen-Esser (60) ist im Oktober 2025 zur Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) gewählt worden. Sie folgte in der Position Simone Peter nach. Die Kölner CDU-Politikerin Heinen-Esser war Parlamentarische Staatssekretärin, zuerst 2007 bis 2009 beim Bundeslandwirtschafts- und dann bis 2013 beim Bundesumweltministerium. 2018 bis zu ihrem Rücktritt im Jahr 2022 im Zusammenhang mit der Ahrtal-Flut war sie in NRW Umwelt- und Landwirtschaftsministerin. Danach arbeitete sie unter anderem für die von ihr und ihrem Mann geführte strategische Unternehmensberatung.