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Volker Stephan
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Mittwoch, 29.03.2023, 15:01 Uhr
Mobilität
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Pop-up-Tankstellen bieten Ökostrom von kreiselnden Flugdrachen
Fliegende Batterien sind es nicht, von denen fahrende E-Autos unterwegs saugen werden. Mobil sein sollen die Strom-Zapfstellen gleichwohl, die VW mit einem Flugwind-Startup entwickelt.
Es klingt wie ein Traum von E-Mobilisten: Und ist der Akku auch fast leer, kommt von irgendwo ein Ladepunkt daher. Volkswagen und der Flugwind-Entwickler „EnerKite“ basteln an dieser Idee. Die Zutaten: eine mobile Stromtankstelle und in luftiger Höhe darüber Drachen, die die Öko-Energie beim Kreisen erzeugen.

Das Eberswalder Start-up Enerkite – was wie Energie-Drache anmuten soll – arbeitet jetzt mit der VW-Tochter Volkswagen Group Charging GmbH an einer Machbarkeitsstudie für eine Kombination aus Tankstellen und Windkraftanlagen, die ohne wesentliche Bauarbeiten auskommt. Denn eine aufwändige Infrastruktur mit Leitungsnetzen und Fundamenten soll für die „ortsflexiblen“ Tankstellen nicht erforderlich sein, so Enerkite.

Das Projekt ist in Volkswagens Nachbarschaft am Wolfsburger Forschungscampus „Open Hybrid LabFactory“ (OHLF) beheimatet. Dort arbeiten verschiedene Institute und Unternehmen im „TechnoHyb“ zusammen, darunter die TU Braunschweig, das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU und VW. Das Ziel des vom Bund geförderten Forschungskonsortiums: die zirkularitätsgerechte Entwicklung und Anwendung von funktionsintegrierten Bauteilen.
 
Enerkite und Volkswagen Group Charging GmbH tüfteln an einer mobilen E-Tankstelle, die Strom von Flugdrachen liefert.
Quelle: Enerkite

Einsatz an abgelegenen Orten oder bei Musikfestivals

Mit dem Beitritt von Enerkite will das Konsortium im Teilprojekt „Autarke mobile Ladeinfrastruktur“ mithin den Bau und möglichen Wiederabbau von Elektro-Tankstellen auf ihre Praxistauglichkeit prüfen. Die Brandenburger bringen ihre Expertise von fliegenden Windkraftdrachen mit ein, die ihre Bewegungsenergie über Seile an Generatoren am Boden übertragen. Dort ist die Technik in mobilen Containern untergebracht, was nach der Idee Enerkites einen Einsatz vorübergehend und auch an abgelegenen Orten ermögliche.

Enerkite-Geschäftsführer Florian Breipohl preist das Forschungsprojekt als Technologie, die im Bereich der netzunabhängigen Ladeinfrastruktur durch konstante Stromerzeugung, bedarfsgerechten Betrieb, einfachen Transport und rasche Inbetriebnahme punkten könne. Ein Sprecher des Unternehmens erklärte auf Anfrage unserer Redaktion, mobile E-Tankstellen eigneten sich besonders für abgelegene Orte ohne Netzanbindung und „Pop-up-Events“, also einmalige Veranstaltungen.

So seien künftig etwa bei Musikfestivals auf dem Land, wie beispielsweise dem berühmten Heavy-Metal-Wochenende in Wacken, für einen kurzen Zeitraum mobile Ökostrom-Tankstellen erforderlich. Das bisher in der Entwicklung befindliche System sitzt in einem Container, der auf einen Tieflader passt und über Stützen vor Ort aufzustellen ist. Im Rahmen des Wolfsburger Projekts will Enerkite nun an innovativen Technologien und recyclingfähigen Materialien beim Flügel- und Anlagenbau forschen.

Produktion der ersten 1-MW-Anlage in Arbeit

Enerkite arbeitet seit 2016 an der Marktreife des ersten Systems, seit diesem Jahr in einer Produktionsstätte in Eberswalde. Pilotprojekte sollen ab 2024 den Dauereinsatz testen. Darunter sind Vorhaben für landwirtschaftliche Betriebe, die sich mit Eigenstrom versorgen wollen. Auch soll ein Flugdrachensystem in Kooperation mit der Fürstenwalder Edis-Tochter „e.disnatur Erneuerbare Energien GmbH“ für dezentrale Kleinstnetze in den Testbetrieb gehen.

Das EK200-System kommt auf eine Leistung von 100 kW. Wie der Enerkite-Sprecher sagt, sei die Anlage gut skalierbar, eine 1-MW-Anlage in Arbeit. Das Unternehmen spricht davon, den doppelten Energieertrag einer konventionellen Windkraftanlage bei 90 Prozent weniger Stahl- und Betoneinsatz liefern zu können. Die Drachen ziehen ihre Kreise in einer Höhe von 300 Metern.

Für den Betrieb muss nach aktueller Rechtslage jeweils noch der Luftraum gesperrt werden. Enerkite verspricht sich Lockerungen, sobald Transpondersysteme in Flugzeugen vorgeschrieben sind. Diese Lösung ist auch beim Betrieb von fest installierten Turbinen vorgesehen, um das nächtliche Warnblinklicht nur bei Bedarf auszulösen (BNK).