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Energie & Management > Stromnetz - Bayernwerk geht „all-in“
Daniela Groher, Egon Leo Westphal (Mitte) und Albert Zettl bei der Jahrespressekonferenz in Regensburg. Quelle: E&M / Günter Drewnitzky
Stromnetz

Bayernwerk geht „all-in“

Mehr als 5 Milliarden Euro will das Bayernwerk in den kommenden zwei Jahren in den Ausbau der Netze stecken. Die Belegschaft ist bereits im vierstelligen Bereich gewachsen.
Von einem historischen Wachstumsprogramm, welches das Bayernwerk für die Energiezukunft startet, sprach Vorstandsvorsitzender Egon Leo Westphal bei der Jahrespressekonferenz am 7. Mai in Regensburg. „Wir gehen all-in.“ Dabei lenkte Westphal den Fokus gleich auf das Problem, unter dem die Energiewende von Anfang an gelitten hat. Nämlich, dass sie nicht nur darauf ausgerichtet sein darf, mehr erneuerbare Energien zuzubauen. „Es geht um eine komplette Transformation und Neuentwicklung des Systems, darum, Grundlagen völlig neu zu schaffen“, erklärte er und meinte damit, dass auch das Stromnetz neu gestaltet werden muss.

Die Zubauzahlen bei den Erneuerbaren waren schon zuvor sehr hoch. Nachdem Russland die Ukraine angegriffen hatte, schnellten die Anträge auf den Anschluss von Photovoltaik-Anlagen nochmals in die Höhe. So wurden allein im Jahr 2023 mehr als 87.000 neue Solaranlagen mit einer Leistung von 2.200 MW neu ans Bayernwerk-Netz angeschlossen. Bei den insgesamt integrierten PV-Flächen soll demnächst die Zahl 500.000 gefeiert werden. „Das sind Meilensteine, die lange Zeit schier undenkbar waren“, so Westphal. Auch erinnerte er an den Freitag, 5. April 2024, als der gesamte Energieverbrauch in Bayern über Erneuerbare gedeckt wurde. Erstmals werde man dieses Jahr mehr Energie aus den eigenen Netzen exportieren als importieren.

​Falsche Reihenfolge als Geburtsfehler der Energiewende

Gleichzeitig machte der Vorstandsvorsitzende auch keinen Hehl daraus, dass bei den Dimensionen, die das Thema angenommen hat, nicht alles so läuft wie man es gerne hätte. Bei zahlreichen Kunden sei man zum Beispiel mit den Ausgleichszahlungen für den Redispatch-Betrieb im Verzug, also Entschädigungen dafür, wenn ihre Anlagen aus netztechnischen Gründen abgeregelt werden müssen. Allerdings seien 2023 allein 3 Millionen solcher Engriffe erforderlich gewesen – vor zwei Jahren waren es nur 100.000. Bis Jahresmitte, so Westphal, wolle man aber die Rückstände abgearbeitet haben.

Auch bei neuen Messeinrichtungen, die für PV-Anlagen nötig sind, gebe es zum Teil mehrmonatige Verzögerungen. Das liege schlicht an der begrenzt verfügbaren Dienstleisterkapazität. Man sei dabei, sie mit allen Mitteln zu erweitern. „Wir geben unser Bestes und werden wie immer Lösungen finden. Aber wir können uns nicht auf alles vorbereiten, was kommen könnte.“

Viel zu wenig, so bedauerte Westphal, werde gesehen, welcher Weg zwischen dem Anfangskapitel „Erneuerbare“ und dem Endkapitel „Klimaneutralität“ liegt. Es gehe immer noch nach dem Motto „Erneuerbare voran, Netze hintendran. Das ist die falsche Reihenfolge“. Der Ausbau der Energienetze könne in vielen Regionen nicht Schritt halten. Erneuerbare Energie müsse dorthin, wo die Netze sind – nicht umgekehrt. Westphal sprach in diesem Zusammenhang von einem „Geburtsfehler der Energiewende“.

Der bisherige Ausbaupfad reiche – auch wenn er erfolgreich war – bei weitem nicht aus, um das bayerische Energiesystem bis 2040 klimaneutral zu machen. Der Netzausbaubedarf für die Integration regenerativer Energie sei immens und koste viel Geld. „Auch die Sonne gibt es nicht zum Nulltarif.“ Zudem wünschte sich der Bayernwerk-Chef mehr Akzeptanz für die Energiewende in der Gesellschaft. Zwar befürworte eine Mehrheit der Menschen in Deutschland die Energiewende, ihr Anteil gehe aber gefühlt zurück.

Kraftwerksstrategie mit dezentraler Ergänzung

Zur Kraftwerksstrategie der Bundesregierung, die 10.000 MW wasserstofffähige Gaskraftwerke vorsieht, äußerte sich Westphal ebenfalls. Für Bayern könnten dezentrale Lösungen in verschiedenen Regionen ergänzend helfen, um Leistungslücken zu vermeiden. In dem Zusammenhang verwies er auf einen Fehlbetrag bei der gesicherten Leitung im Freistaat von 6.900 MW im Jahr 2030. Man müsse zentrale und dezentrale Lösungen zusammenbringen, um diese Lücke zu schließen.

Die Netzausbaupläne bis 2028 sehen vor:
  • 540 Kilometer Hochspannungsleitungen
  • 10.000 Kilometer Mittelspannungsleitungen
  • 173 Umspannwerke
  • 8.500 digitale Ortsnetzstationen
Finanzvorständin Daniela Groher bezifferte das Investitionsvolumen bis 2026 auf 5,1 Milliarden Euro, 2024 sollen es 1,3 Milliarden sein, 2025 mehr als 1,7 und 2026 mehr als 2 Milliarden Euro. Dabei verwies sie auch auf die Probleme, das gesetzte Geld auch einsetzen zu können: Materialverfügbarkeit, Fachkräftemangel, die Dauer von Genehmigungen und die Akzeptanz für Projekte vor Ort stünden zeitweise im Weg.

Albert Zettl, im Vorstand zuständig für Personal und Vertrieb, stellte die Steigerung der Mitarbeiterzahl von 3.000 im Jahr 2022 auf aktuell 4.200 heraus. Dazu kämen tausende Stellen, die durch Projekte seines Unternehmens bei Partnerfirmen geschaffen werden. Als Erfolgsmodell gegen den Fachkräftemangel hob er die neu gegründete Bayernwerk-Akademie hervor. „Der Zuspruch zeigt schon heute, dass wir damit goldrichtig liegen.“

Dienstag, 7.05.2024, 16:16 Uhr
Günter Drewnitzky
Energie & Management > Stromnetz - Bayernwerk geht „all-in“
Daniela Groher, Egon Leo Westphal (Mitte) und Albert Zettl bei der Jahrespressekonferenz in Regensburg. Quelle: E&M / Günter Drewnitzky
Stromnetz
Bayernwerk geht „all-in“
Mehr als 5 Milliarden Euro will das Bayernwerk in den kommenden zwei Jahren in den Ausbau der Netze stecken. Die Belegschaft ist bereits im vierstelligen Bereich gewachsen.
Von einem historischen Wachstumsprogramm, welches das Bayernwerk für die Energiezukunft startet, sprach Vorstandsvorsitzender Egon Leo Westphal bei der Jahrespressekonferenz am 7. Mai in Regensburg. „Wir gehen all-in.“ Dabei lenkte Westphal den Fokus gleich auf das Problem, unter dem die Energiewende von Anfang an gelitten hat. Nämlich, dass sie nicht nur darauf ausgerichtet sein darf, mehr erneuerbare Energien zuzubauen. „Es geht um eine komplette Transformation und Neuentwicklung des Systems, darum, Grundlagen völlig neu zu schaffen“, erklärte er und meinte damit, dass auch das Stromnetz neu gestaltet werden muss.

Die Zubauzahlen bei den Erneuerbaren waren schon zuvor sehr hoch. Nachdem Russland die Ukraine angegriffen hatte, schnellten die Anträge auf den Anschluss von Photovoltaik-Anlagen nochmals in die Höhe. So wurden allein im Jahr 2023 mehr als 87.000 neue Solaranlagen mit einer Leistung von 2.200 MW neu ans Bayernwerk-Netz angeschlossen. Bei den insgesamt integrierten PV-Flächen soll demnächst die Zahl 500.000 gefeiert werden. „Das sind Meilensteine, die lange Zeit schier undenkbar waren“, so Westphal. Auch erinnerte er an den Freitag, 5. April 2024, als der gesamte Energieverbrauch in Bayern über Erneuerbare gedeckt wurde. Erstmals werde man dieses Jahr mehr Energie aus den eigenen Netzen exportieren als importieren.

​Falsche Reihenfolge als Geburtsfehler der Energiewende

Gleichzeitig machte der Vorstandsvorsitzende auch keinen Hehl daraus, dass bei den Dimensionen, die das Thema angenommen hat, nicht alles so läuft wie man es gerne hätte. Bei zahlreichen Kunden sei man zum Beispiel mit den Ausgleichszahlungen für den Redispatch-Betrieb im Verzug, also Entschädigungen dafür, wenn ihre Anlagen aus netztechnischen Gründen abgeregelt werden müssen. Allerdings seien 2023 allein 3 Millionen solcher Engriffe erforderlich gewesen – vor zwei Jahren waren es nur 100.000. Bis Jahresmitte, so Westphal, wolle man aber die Rückstände abgearbeitet haben.

Auch bei neuen Messeinrichtungen, die für PV-Anlagen nötig sind, gebe es zum Teil mehrmonatige Verzögerungen. Das liege schlicht an der begrenzt verfügbaren Dienstleisterkapazität. Man sei dabei, sie mit allen Mitteln zu erweitern. „Wir geben unser Bestes und werden wie immer Lösungen finden. Aber wir können uns nicht auf alles vorbereiten, was kommen könnte.“

Viel zu wenig, so bedauerte Westphal, werde gesehen, welcher Weg zwischen dem Anfangskapitel „Erneuerbare“ und dem Endkapitel „Klimaneutralität“ liegt. Es gehe immer noch nach dem Motto „Erneuerbare voran, Netze hintendran. Das ist die falsche Reihenfolge“. Der Ausbau der Energienetze könne in vielen Regionen nicht Schritt halten. Erneuerbare Energie müsse dorthin, wo die Netze sind – nicht umgekehrt. Westphal sprach in diesem Zusammenhang von einem „Geburtsfehler der Energiewende“.

Der bisherige Ausbaupfad reiche – auch wenn er erfolgreich war – bei weitem nicht aus, um das bayerische Energiesystem bis 2040 klimaneutral zu machen. Der Netzausbaubedarf für die Integration regenerativer Energie sei immens und koste viel Geld. „Auch die Sonne gibt es nicht zum Nulltarif.“ Zudem wünschte sich der Bayernwerk-Chef mehr Akzeptanz für die Energiewende in der Gesellschaft. Zwar befürworte eine Mehrheit der Menschen in Deutschland die Energiewende, ihr Anteil gehe aber gefühlt zurück.

Kraftwerksstrategie mit dezentraler Ergänzung

Zur Kraftwerksstrategie der Bundesregierung, die 10.000 MW wasserstofffähige Gaskraftwerke vorsieht, äußerte sich Westphal ebenfalls. Für Bayern könnten dezentrale Lösungen in verschiedenen Regionen ergänzend helfen, um Leistungslücken zu vermeiden. In dem Zusammenhang verwies er auf einen Fehlbetrag bei der gesicherten Leitung im Freistaat von 6.900 MW im Jahr 2030. Man müsse zentrale und dezentrale Lösungen zusammenbringen, um diese Lücke zu schließen.

Die Netzausbaupläne bis 2028 sehen vor:
  • 540 Kilometer Hochspannungsleitungen
  • 10.000 Kilometer Mittelspannungsleitungen
  • 173 Umspannwerke
  • 8.500 digitale Ortsnetzstationen
Finanzvorständin Daniela Groher bezifferte das Investitionsvolumen bis 2026 auf 5,1 Milliarden Euro, 2024 sollen es 1,3 Milliarden sein, 2025 mehr als 1,7 und 2026 mehr als 2 Milliarden Euro. Dabei verwies sie auch auf die Probleme, das gesetzte Geld auch einsetzen zu können: Materialverfügbarkeit, Fachkräftemangel, die Dauer von Genehmigungen und die Akzeptanz für Projekte vor Ort stünden zeitweise im Weg.

Albert Zettl, im Vorstand zuständig für Personal und Vertrieb, stellte die Steigerung der Mitarbeiterzahl von 3.000 im Jahr 2022 auf aktuell 4.200 heraus. Dazu kämen tausende Stellen, die durch Projekte seines Unternehmens bei Partnerfirmen geschaffen werden. Als Erfolgsmodell gegen den Fachkräftemangel hob er die neu gegründete Bayernwerk-Akademie hervor. „Der Zuspruch zeigt schon heute, dass wir damit goldrichtig liegen.“

Dienstag, 7.05.2024, 16:16 Uhr
Günter Drewnitzky

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