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Energie & Management > Bilanz - Wien Energie: Bilanz als Ansichtssache
Quelle: Kurhan, Fotolia
Bilanz

Wien Energie: Bilanz als Ansichtssache

Gemäß IFRS war der Jahresgewinn der Wien Energie 2023 um 55 Prozent höher als 2022, laut dem Unternehmensgesetzbuch dagegen um 15 Prozent niedriger. Der Grund sind Bewertungsregeln.
Die Wien Energie, der mit etwa zwei Millionen Kunden weitaus größte Kommunalversorger Österreichs, hat 2023 gemäß International Financial Reporting Standards (IFRS) 4,66 Milliarden Euro umgesetzt. Das waren 21 Prozent weniger als 2022. Geschuldet ist dies den gesunkenen Großhandelspreisen für Strom und Erdgas, berichtete der Vorsitzende der Geschäftsführung, Michael Strebl, bei der Bilanzpressekonferenz am 3. Mai.

Demgegenüber erhöhte sich das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) um 38 Prozent auf 778 Millionen Euro. Strebl führte dies auf die „erfolgreiche Vermarktung von Strommengen im Großhandel“ zurück.

Vor allem wegen der gesunkenen Gas-Großhandelspreise fiel der Materialaufwand um 26 Prozent auf 3,53 Milliarden Euro. Der Ergebnisbeitrag der at-equity in der Bilanz zu berücksichtigenden Unternehmen, deren größtes die Wien Energie Vertrieb GmbH ist, betrug +202 Millionen Euro. Im Jahr 2022 hatte sich der Vergleichswert auf -129,7 Millionen Euro belaufen.

Wegen höherer Beteiligungserträge verbesserte sich ferner das Finanzergebnis: Es lag bei -1,7 Millionen Euro, verglichen mit -17,7 Millionen Euro im Jahr 2022. In Summe verzeichnete die Wien Energie einen Jahresgewinn von 598 Millionen Euro, um 55 Prozent mehr als 2022.

Andere Betrachtungsweise

Dies ist zumindest die Darstellung gemäß IFRS. Allerdings gibt es auch eine andere Betrachtung der Jahresbilanz, stellte Strebl fest: Gemäß den Vorgaben des Unternehmensgesetzbuchs (UGB) - dem österreichischen Pendant des deutschen Handelsgesetzbuchs (HGB) - fielen die Umsätze um 1,8 Millionen Euro höher aus als nach der IFRS-Version, waren aber ebenfalls um 21 Prozent niedriger als 2022. Der Jahresgewinn belief sich jedoch lediglich auf 295 Millionen Euro und sank daher - verglichen mit 2022 - um 15,3 Prozent.

Als Grund nannte Strebl auf Anfrage der Redaktion die strengeren Bilanzierungsregeln des UGB. Ihnen zufolge gilt bei der Berechnung des Unternehmensvermögens das Niedrigstwertprinzip. So betrachtet, waren die Töchter der Wien Energie um 188 Millionen Euro weniger wert als gemäß IFRS. Beim Materialbestand beläuft sich der Unterschied auf 41 Millionen Euro, bei den Pensionsrückstellungen auf 74 Millionen Euro. Insgesamt war das Unternehmensvermögen laut dem UGB somit um rund 300 Millionen Euro niedriger zu bewerten als nach IFRS.

Wie ein Konzernsprecher der Redaktion erläuterte, ist die nicht börsennotierte Wien Energie nicht zur Rechnungslegung gemäß IFRS verpflichtet. Sie tut dies jedoch in Übereinstimmung mit ihrer Mutter, den im Eigentum der Stadt Wien befindlichen Wiener Stadtwerken. Die Gewinn- und Verlustrechnung gemäß UGB muss Wien Energie erstellen. Üblicherweise veröffentlicht sie die sich dabei ergebenden Zahlen jedoch nicht. Heuer sei dies wegen der extremen Differenz zwischen den beiden Bilanzierungsregeln ausnahmsweise erfolgt, um deren Auswirkungen zu verdeutlichen.

Für Winter 2024/25 genug Gas

Ungeachtet derartiger bilanztechnischer Ansichtssachen plant die Wien Energie laut Strebl für die Jahre 2024 bis 2029 „Rekordinvestitionen“ von 2,6 Milliarden Euro, berichtete Strebl. Etwa 1 Milliarde Euro entfällt auf die Stromerzeugung mit Wasser- und Windkraftwerken sowie Photovoltaikanlagen. Rund 800 Millionen Euro fließen in grüne Wärme sowie Projekte im Bereich der Kreislaufwirtschaft.

Darunter befindet sich das Tiefengeothermie-Vorhaben „Deeep“, bei dem die Wien Energie gemeinsam mit dem österreichischen Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV die in etwa 4.000 Metern Tiefe befindlichen Heißwasser-Vorkommen im Nordosten Wiens erschließen will. Laut Karl Gruber, dem zuständigen Geschäftsführer der Wien Energie, beginnt heuer der Bau der ersten derartigen Anlage. Ab 2027 sollen damit etwa 20.000 der 460.000 Wiener Fernwärme-Kunden versorgt werden.

Für eine noch sicherere Versorgung wendet die Wien Energie bis 2029 laut Strebl 320 Millionen Euro auf. Dies betrifft primär die Beschaffung von Erdgas aus anderen Lieferländern als Russland. Strebl zufolge importiert sein Unternehmen selbst kein Gas, sondern bezieht dies von „großen Lieferanten“ wie der OMV. Im vergangenen Jahr stammten etwa 2,5 Milliarden kWh aus „nichtrussischen“ Quellen, was rund 40 Prozent des Kundenbedarfs entspricht. Strebl betonte, er sehe dem kommenden Winter entspannt entgegen, obwohl der Gastransit-Vertrag zwischen Russland und der Ukraine zu Jahresende ausläuft: „Unsere Gasspeicher sind zu 95 Prozent befüllt. Wir sind für den Winter 2024/25 perfekt aufgestellt.“

Freitag, 3.05.2024, 15:45 Uhr
Klaus Fischer
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Wien Energie: Bilanz als Ansichtssache
Gemäß IFRS war der Jahresgewinn der Wien Energie 2023 um 55 Prozent höher als 2022, laut dem Unternehmensgesetzbuch dagegen um 15 Prozent niedriger. Der Grund sind Bewertungsregeln.
Die Wien Energie, der mit etwa zwei Millionen Kunden weitaus größte Kommunalversorger Österreichs, hat 2023 gemäß International Financial Reporting Standards (IFRS) 4,66 Milliarden Euro umgesetzt. Das waren 21 Prozent weniger als 2022. Geschuldet ist dies den gesunkenen Großhandelspreisen für Strom und Erdgas, berichtete der Vorsitzende der Geschäftsführung, Michael Strebl, bei der Bilanzpressekonferenz am 3. Mai.

Demgegenüber erhöhte sich das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) um 38 Prozent auf 778 Millionen Euro. Strebl führte dies auf die „erfolgreiche Vermarktung von Strommengen im Großhandel“ zurück.

Vor allem wegen der gesunkenen Gas-Großhandelspreise fiel der Materialaufwand um 26 Prozent auf 3,53 Milliarden Euro. Der Ergebnisbeitrag der at-equity in der Bilanz zu berücksichtigenden Unternehmen, deren größtes die Wien Energie Vertrieb GmbH ist, betrug +202 Millionen Euro. Im Jahr 2022 hatte sich der Vergleichswert auf -129,7 Millionen Euro belaufen.

Wegen höherer Beteiligungserträge verbesserte sich ferner das Finanzergebnis: Es lag bei -1,7 Millionen Euro, verglichen mit -17,7 Millionen Euro im Jahr 2022. In Summe verzeichnete die Wien Energie einen Jahresgewinn von 598 Millionen Euro, um 55 Prozent mehr als 2022.

Andere Betrachtungsweise

Dies ist zumindest die Darstellung gemäß IFRS. Allerdings gibt es auch eine andere Betrachtung der Jahresbilanz, stellte Strebl fest: Gemäß den Vorgaben des Unternehmensgesetzbuchs (UGB) - dem österreichischen Pendant des deutschen Handelsgesetzbuchs (HGB) - fielen die Umsätze um 1,8 Millionen Euro höher aus als nach der IFRS-Version, waren aber ebenfalls um 21 Prozent niedriger als 2022. Der Jahresgewinn belief sich jedoch lediglich auf 295 Millionen Euro und sank daher - verglichen mit 2022 - um 15,3 Prozent.

Als Grund nannte Strebl auf Anfrage der Redaktion die strengeren Bilanzierungsregeln des UGB. Ihnen zufolge gilt bei der Berechnung des Unternehmensvermögens das Niedrigstwertprinzip. So betrachtet, waren die Töchter der Wien Energie um 188 Millionen Euro weniger wert als gemäß IFRS. Beim Materialbestand beläuft sich der Unterschied auf 41 Millionen Euro, bei den Pensionsrückstellungen auf 74 Millionen Euro. Insgesamt war das Unternehmensvermögen laut dem UGB somit um rund 300 Millionen Euro niedriger zu bewerten als nach IFRS.

Wie ein Konzernsprecher der Redaktion erläuterte, ist die nicht börsennotierte Wien Energie nicht zur Rechnungslegung gemäß IFRS verpflichtet. Sie tut dies jedoch in Übereinstimmung mit ihrer Mutter, den im Eigentum der Stadt Wien befindlichen Wiener Stadtwerken. Die Gewinn- und Verlustrechnung gemäß UGB muss Wien Energie erstellen. Üblicherweise veröffentlicht sie die sich dabei ergebenden Zahlen jedoch nicht. Heuer sei dies wegen der extremen Differenz zwischen den beiden Bilanzierungsregeln ausnahmsweise erfolgt, um deren Auswirkungen zu verdeutlichen.

Für Winter 2024/25 genug Gas

Ungeachtet derartiger bilanztechnischer Ansichtssachen plant die Wien Energie laut Strebl für die Jahre 2024 bis 2029 „Rekordinvestitionen“ von 2,6 Milliarden Euro, berichtete Strebl. Etwa 1 Milliarde Euro entfällt auf die Stromerzeugung mit Wasser- und Windkraftwerken sowie Photovoltaikanlagen. Rund 800 Millionen Euro fließen in grüne Wärme sowie Projekte im Bereich der Kreislaufwirtschaft.

Darunter befindet sich das Tiefengeothermie-Vorhaben „Deeep“, bei dem die Wien Energie gemeinsam mit dem österreichischen Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV die in etwa 4.000 Metern Tiefe befindlichen Heißwasser-Vorkommen im Nordosten Wiens erschließen will. Laut Karl Gruber, dem zuständigen Geschäftsführer der Wien Energie, beginnt heuer der Bau der ersten derartigen Anlage. Ab 2027 sollen damit etwa 20.000 der 460.000 Wiener Fernwärme-Kunden versorgt werden.

Für eine noch sicherere Versorgung wendet die Wien Energie bis 2029 laut Strebl 320 Millionen Euro auf. Dies betrifft primär die Beschaffung von Erdgas aus anderen Lieferländern als Russland. Strebl zufolge importiert sein Unternehmen selbst kein Gas, sondern bezieht dies von „großen Lieferanten“ wie der OMV. Im vergangenen Jahr stammten etwa 2,5 Milliarden kWh aus „nichtrussischen“ Quellen, was rund 40 Prozent des Kundenbedarfs entspricht. Strebl betonte, er sehe dem kommenden Winter entspannt entgegen, obwohl der Gastransit-Vertrag zwischen Russland und der Ukraine zu Jahresende ausläuft: „Unsere Gasspeicher sind zu 95 Prozent befüllt. Wir sind für den Winter 2024/25 perfekt aufgestellt.“

Freitag, 3.05.2024, 15:45 Uhr
Klaus Fischer

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