Quelle: Europäische Union / Mario Salerno
Der rheinland-pfälzische Sozialminister will, dass Strom- und Gassperren „besser als bisher“ vermieden werden. Und sieht die Energiewirtschaft in der Pflicht. Von dort kommt Widerstand.
Post für die rheinland-pfälzische Energiewirtschaft aus dem Sozialministerium: Ressortchef Alexander Schweitzer (SPD) appelliert vor dem Hintergrund der hohen Energiepreise in einem Brief an Branchenverbände, Strom- und Gassperren vorzubeugen. Gerichtet ist das Schreiben an den Verband kommunaler Unternehmen (VKU) im Land und den Landesverband der Energie- und Wasserwirtschaft in Hessen und Rheinland-Pfalz (LDEW), den ansässigen BDEW-Landesverband. Der Minister weist darauf hin, „dass die Gesamtsituation bereits heute und in Zukunft wahrscheinlich zunehmend die Gefahr birgt, dass es für zu viele Verbraucherinnen und Verbraucher zu Härten kommen kann“. Härten, die sich nach Ansicht Schweitzers „vermeiden lassen“.
„Mein Ziel ist es daher, mit Ihnen zusammen in dieser schwierigen Zeit Strom- und Gassperren für verschuldete und armutsgefährdete Menschen nach Möglichkeit zu vermeiden und damit elementare Grundlagen des Lebens sicherzustellen“, heißt es in dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt. Der Sozialminister verweist auf Vorschläge von Verbraucherschützern und Schuldnerberatern und schlägt den Energieunternehmen einer Reihe präventiver Maßnahmen vor:
- Schuldner sollten frühzeitig auf die Beratungsangebote zur Vermeidung von Energiesperren hingewiesen werden.
- Für Berater und Beraterinnen sei ein fester Ansprechpartner oder eine feste Ansprechpartnerin zu den Versorgern wichtig, um drohende Sperren wirksamer abwenden zu können.
- Die Ratenzahlung bei Altschulden solle eine angemessene Dauer haben.
- Forderungen sollten nicht durch einen Inkasso-Dienstleister bearbeitet werden.
"Brötchen bekommt man doch auch nicht geschenkt"Irritiert über den Vorstoß des Ministers zeigt man sich beim LDEW. „Es ist nicht so, dass es eine Frontstellung gibt“, sagt der Geschäftsführer der Verbands, Horst Meierhofer, über die Praxis in Unternehmen, wenn Verbrauchende in Zahlungsschwierigkeiten stecken. Es sei in längst üblich, in solchen Fällen Lösungen mit Ratenzahlungen zu suchen. Auch mit Verbraucherzentralen stehe man im Austausch.
Meierhofer hält angesichts der sich durch den Ukrainekrieg zuspitzenden Lage die Energiewirtschaft auch nicht für den ersten Adressaten, was die Verhinderung von Strom- und Gassperren in Härtefällen betrifft. „Wir sehen zuvorderst die Sozialpolitik in der Verantwortung“, sagt er. Geeignetes Hilfsmittel könnten etwa staatliche Zuschüsse sein.
Den
Ansatz, Energieunternehmen in Pflicht zu nehmen, um hohe Preisbelastungen abzufedern, bezeichnet der Verbandschef als „seltsames Vorgehen“, da ein Teil der Preise „staatlich induziert“ sei.
Der LDEW-Chef spricht in dem Zusammenhang von einem grundlegenden Missverständnis der Energieversorgung: Von der Energiewirtschaft werde etwas verlangt, was man sich bei Lebensmittelversorgern nicht vorstellen könne: „Brötchen bekommt man doch nicht geschenkt.“
Auch aus sozialer Sicht wäre die Vermeidung von Energiesperren um jeden Preis fragwürdig: Wenn ein Verbraucher nicht bezahlt, „wäre es doch nicht gerecht, die Schulden auf andere abzuwälzen“.
Freitag, 1.04.2022, 17:25 Uhr
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