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Energie & Management > Aus Der Zeitung - Selbstlernender Kundenservice
Quelle: E&M
Aus Der Zeitung

Selbstlernender Kundenservice

Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, die Kundenkommunikation auf eine ganz neue Ebene zu bringen. Eines aber ist dabei unverzichtbar.
In der guten alten Zeit, als Internet und Smartphone noch surreale Zukunftsvisionen waren, da wusste ein lokal gut vernetzter Verkäufer noch, was seine Kunden bewegt: Herr Lorenz erwartet Nachwuchs? Angesichts des potenziell steigenden Wasser- und Stromverbrauchs vielleicht Anlass für einen Tarifwechsel. Frau Kastner gibt ihrem Mann den Laufpass und zieht um? Bestimmt braucht sie einen neuen Stromvertrag.

Kurz: Wer seine Kunden, ihre Lebensumstände, Vorlieben und Möglichkeiten kennt, kann ihnen die besten Angebote machen. In Zeiten von Onlinevertrieb und maximaler digitaler Anonymität aber ist das schwieriger geworden. Oder vielleicht doch nicht?

Eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) legt nahe: Die Digitalisierung der Kundenschnittstelle und der gezielte Einsatz von maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz (KI) im Kundenkontakt könnten eine Vertrautheit zwischen Kunden und Energiedienstleister herstellen, die sogar weit über das hinausgeht, was im direkten Kundenkontakt möglich ist. „Die Möglichkeit, KI auf bisher unbekannte Ereignisse reagieren zu lassen und aufbauend auf bisherigen Erkenntnissen neue Schlüsse zu ziehen, birgt großes Potenzial für die einzelnen Phasen der Customer Journey, das bisher kaum genutzt wird“, heißt es hier.

Auch Alexander Neuhaus, Vice President Customer Advisory Energy & Healthcare beim Softwarehaus SAP, sieht diese Potenziale. „Es wird nicht ganz schnell gehen, aber in den kommenden Jahren wird − meiner festen Überzeugung nach − Vertrieb primär durch digitale Interaktion gehen.“ Die Herausforderung im Vertrieb sei, den Kunden in seiner Lebenswirklichkeit abzuholen − was insbesondere bei Alltagsprodukten wie Strom und Gas wichtig sei. Unabdingbar dabei: den Kunden auf dem richtigen Kanal mit den richtigen Inhalten zur richtigen Zeit abholen. Und zwar an jedem Punkt der Customer Journey.

Der Begriff Customer Journey fasst alle Berührungspunkte von Kunden und Kundinnen mit einem Unternehmen oder einer Marke zusammen und reicht damit vom Erstkontakt − der (potenzielle) Kunde wird auf die Marke aufmerksam − über die Überlegung, die Kaufentscheidung und den Service bis hin zur (langfristigen) Kundenbindung. Neuhaus sieht dabei enorme Chancen in der Unterstützung durch maschinelles Lernen und KI. Und zwar schon beginnend bei der Kampagnengestaltung, bei der die KI unterstützen könne, indem sie unter Rückgriff auf vorhandene Kundendatenbanken Kampagnenformate überprüft und darauf hinweist, welche Kunden aufgrund ihrer Merkmale und Historie ein- oder auszuschließen sind. Auch könne KI analysieren, welche Kunden auf welchem Wege am häufigsten und effizientesten kommunizieren und so bei der Kanalauswahl unterstützen.

Mehr Kundenzufriedenheit, mehr Effizienz

Auf diesem Wege, so Claudia Keller, Expert Customer Advisory bei SAP, komme man schnell weg von klassischen E-Mail-Kampagnen. „KI kann eine Masse von Daten und damit sehr viele Informationen sehr schnell analysieren. So können wir Kunden direkt mit personalisierten Produktinformationen über ihren gewünschten Kanal ansprechen − ganz fein, granular, sehr personalisiert.“ Und das Ganze, ergänzt Neuhaus, lasse sich dann auch unmittelbar in der Interaktion mit dem Kunden anpassen: „Wenn wir registrieren, ein Kunde schwirrt dauernd um ein bestimmtes Produkt auf meiner Webseite herum, können wir direkt einspielen: ‚Wir haben gerade ein tolles Angebot nur für dich: eine Kombination von Wärme mit PV und Ökostrom‘.“ Idealerweise, so Neuhaus, könne eine Vertriebs-KI wie ein Schachcomputer bis zu fünf Züge im Voraus sehen und darauf reagieren. Das garantiere Effizienz: „Ein guter Customer Service ist immer auch ein günstiger“, sagt Neuhaus.

Schwerpunktmäßig, heißt es in der Studie des Fraunhofer IAO, lägen die Chancen der Anwendung von KI im Vertrieb in vier Nutzungsmöglichkeiten: Da sei zunächst einmal die der Steigerung der Datenqualität. Zweitens könnten sich Geschäftsmodelle oder Angebote von Unternehmen durch KI-Technologie wandeln, um den Kunden, Kundinnen und Marktanforderungen besser zu entsprechen, sodass Unternehmen ihre Strategien optimal anpassen können. Auch könnten KI-Systeme durch Sprach- und Texterkennung, -verarbeitung und -ausgabe Prozesse automatisieren und so operative Maßnahmen unterstützen. Viertens könnten künstlich intelligente Systeme Kundenzufriedenheit, Kundennähe und Kundenwert ermitteln und steigern, was zur Optimierung der Customer Experience führe.

Nichts geht ohne Datensicherheit

In allen Bereichen und allen Schritten entlang der Customer Journey bleibt der kritische Punkt dabei das Kundenvertrauen. So erzählt Sandro Yersin, bei SAP als Industrie Expert für Customer Experience verantwortlich, von einer Vielzahl von Kundenanfragen, die sich um die Sicherheit ihrer Daten sorgen. Denn klar ist: Jede KI braucht Trainingsdaten, anhand derer sie ihre Reaktionen erlernen kann. Und nur dann, wenn die KI maximalen Zugriff auf Kundendaten, Zahlungshistorie und Kontaktverlauf hat, kann sie die optimale Kundenansprache generieren.

Auch für Neuhaus ist die Frage nach der Sicherheit der Kundendaten die wichtigste. Unlängst war bekannt geworden, dass im sogenannten „LAION5B-Datensatz“ (Large-scale Artificial Intelligence Open Network), einem der weltweit größten Trainingsdatensätze für KI-Bildgenerierung, millionenfach private Nutzerdaten enthalten sind. Dass die Kundendaten von Energieversorgern in einem solchen Datensatz auftauchen und verwendet werden könnten, ist nicht nur für Neuhaus eine Horrorvision. Man prüfe daher ganz genau, mit welchen KI-Anbietern man wie zusammenarbeite, sagt er. Momentan sei das eine breite Auswahl von Anbietern, darunter große Unternehmen wie IBM, Microsoft und Google Cloud. Die verschiedenen Anbieter, so Neuhaus, hätten ihre jeweiligen Profile, die in unterschiedlichen Szenarien Stärken haben.

Gerade in der jetzigen Entwicklungsphase sei Offenheit für verschiedene Ansätze wichtig. Darüber hinaus hat SAP im Juli 2023 selber in drei KI-Unternehmen investiert, darunter in den Heidelberger Softwareentwickler Aleph Alpha. Dass es keinen ungewollten Rückfluss von Kundendaten zu externen KI-Entwicklern gebe, sei für SAP Basis aller Aktivitäten, so Neuhaus.

Grundsätzlich, so Yersin, komme SAP seine Größe, Erfahrung und geografische Breite zugute. „Energieversorger sind ja nicht die Ersten, die sich mit den Möglichkeiten von KI im Kundenmanagement beschäftigen“, sagt er. Und auch Neuhaus ist optimistisch: „Sicherlich gibt es eine gewisse Fehleranfälligkeit“, sagt er, „da müssen wir genauso lernen wie die KI. Aber ich sehe sehr viel mehr Chancen als Schwierigkeiten.“

Donnerstag, 9.11.2023, 09:05 Uhr
Katia Meyer-Tien
Energie & Management > Aus Der Zeitung - Selbstlernender Kundenservice
Quelle: E&M
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Selbstlernender Kundenservice
Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, die Kundenkommunikation auf eine ganz neue Ebene zu bringen. Eines aber ist dabei unverzichtbar.
In der guten alten Zeit, als Internet und Smartphone noch surreale Zukunftsvisionen waren, da wusste ein lokal gut vernetzter Verkäufer noch, was seine Kunden bewegt: Herr Lorenz erwartet Nachwuchs? Angesichts des potenziell steigenden Wasser- und Stromverbrauchs vielleicht Anlass für einen Tarifwechsel. Frau Kastner gibt ihrem Mann den Laufpass und zieht um? Bestimmt braucht sie einen neuen Stromvertrag.

Kurz: Wer seine Kunden, ihre Lebensumstände, Vorlieben und Möglichkeiten kennt, kann ihnen die besten Angebote machen. In Zeiten von Onlinevertrieb und maximaler digitaler Anonymität aber ist das schwieriger geworden. Oder vielleicht doch nicht?

Eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) legt nahe: Die Digitalisierung der Kundenschnittstelle und der gezielte Einsatz von maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz (KI) im Kundenkontakt könnten eine Vertrautheit zwischen Kunden und Energiedienstleister herstellen, die sogar weit über das hinausgeht, was im direkten Kundenkontakt möglich ist. „Die Möglichkeit, KI auf bisher unbekannte Ereignisse reagieren zu lassen und aufbauend auf bisherigen Erkenntnissen neue Schlüsse zu ziehen, birgt großes Potenzial für die einzelnen Phasen der Customer Journey, das bisher kaum genutzt wird“, heißt es hier.

Auch Alexander Neuhaus, Vice President Customer Advisory Energy & Healthcare beim Softwarehaus SAP, sieht diese Potenziale. „Es wird nicht ganz schnell gehen, aber in den kommenden Jahren wird − meiner festen Überzeugung nach − Vertrieb primär durch digitale Interaktion gehen.“ Die Herausforderung im Vertrieb sei, den Kunden in seiner Lebenswirklichkeit abzuholen − was insbesondere bei Alltagsprodukten wie Strom und Gas wichtig sei. Unabdingbar dabei: den Kunden auf dem richtigen Kanal mit den richtigen Inhalten zur richtigen Zeit abholen. Und zwar an jedem Punkt der Customer Journey.

Der Begriff Customer Journey fasst alle Berührungspunkte von Kunden und Kundinnen mit einem Unternehmen oder einer Marke zusammen und reicht damit vom Erstkontakt − der (potenzielle) Kunde wird auf die Marke aufmerksam − über die Überlegung, die Kaufentscheidung und den Service bis hin zur (langfristigen) Kundenbindung. Neuhaus sieht dabei enorme Chancen in der Unterstützung durch maschinelles Lernen und KI. Und zwar schon beginnend bei der Kampagnengestaltung, bei der die KI unterstützen könne, indem sie unter Rückgriff auf vorhandene Kundendatenbanken Kampagnenformate überprüft und darauf hinweist, welche Kunden aufgrund ihrer Merkmale und Historie ein- oder auszuschließen sind. Auch könne KI analysieren, welche Kunden auf welchem Wege am häufigsten und effizientesten kommunizieren und so bei der Kanalauswahl unterstützen.

Mehr Kundenzufriedenheit, mehr Effizienz

Auf diesem Wege, so Claudia Keller, Expert Customer Advisory bei SAP, komme man schnell weg von klassischen E-Mail-Kampagnen. „KI kann eine Masse von Daten und damit sehr viele Informationen sehr schnell analysieren. So können wir Kunden direkt mit personalisierten Produktinformationen über ihren gewünschten Kanal ansprechen − ganz fein, granular, sehr personalisiert.“ Und das Ganze, ergänzt Neuhaus, lasse sich dann auch unmittelbar in der Interaktion mit dem Kunden anpassen: „Wenn wir registrieren, ein Kunde schwirrt dauernd um ein bestimmtes Produkt auf meiner Webseite herum, können wir direkt einspielen: ‚Wir haben gerade ein tolles Angebot nur für dich: eine Kombination von Wärme mit PV und Ökostrom‘.“ Idealerweise, so Neuhaus, könne eine Vertriebs-KI wie ein Schachcomputer bis zu fünf Züge im Voraus sehen und darauf reagieren. Das garantiere Effizienz: „Ein guter Customer Service ist immer auch ein günstiger“, sagt Neuhaus.

Schwerpunktmäßig, heißt es in der Studie des Fraunhofer IAO, lägen die Chancen der Anwendung von KI im Vertrieb in vier Nutzungsmöglichkeiten: Da sei zunächst einmal die der Steigerung der Datenqualität. Zweitens könnten sich Geschäftsmodelle oder Angebote von Unternehmen durch KI-Technologie wandeln, um den Kunden, Kundinnen und Marktanforderungen besser zu entsprechen, sodass Unternehmen ihre Strategien optimal anpassen können. Auch könnten KI-Systeme durch Sprach- und Texterkennung, -verarbeitung und -ausgabe Prozesse automatisieren und so operative Maßnahmen unterstützen. Viertens könnten künstlich intelligente Systeme Kundenzufriedenheit, Kundennähe und Kundenwert ermitteln und steigern, was zur Optimierung der Customer Experience führe.

Nichts geht ohne Datensicherheit

In allen Bereichen und allen Schritten entlang der Customer Journey bleibt der kritische Punkt dabei das Kundenvertrauen. So erzählt Sandro Yersin, bei SAP als Industrie Expert für Customer Experience verantwortlich, von einer Vielzahl von Kundenanfragen, die sich um die Sicherheit ihrer Daten sorgen. Denn klar ist: Jede KI braucht Trainingsdaten, anhand derer sie ihre Reaktionen erlernen kann. Und nur dann, wenn die KI maximalen Zugriff auf Kundendaten, Zahlungshistorie und Kontaktverlauf hat, kann sie die optimale Kundenansprache generieren.

Auch für Neuhaus ist die Frage nach der Sicherheit der Kundendaten die wichtigste. Unlängst war bekannt geworden, dass im sogenannten „LAION5B-Datensatz“ (Large-scale Artificial Intelligence Open Network), einem der weltweit größten Trainingsdatensätze für KI-Bildgenerierung, millionenfach private Nutzerdaten enthalten sind. Dass die Kundendaten von Energieversorgern in einem solchen Datensatz auftauchen und verwendet werden könnten, ist nicht nur für Neuhaus eine Horrorvision. Man prüfe daher ganz genau, mit welchen KI-Anbietern man wie zusammenarbeite, sagt er. Momentan sei das eine breite Auswahl von Anbietern, darunter große Unternehmen wie IBM, Microsoft und Google Cloud. Die verschiedenen Anbieter, so Neuhaus, hätten ihre jeweiligen Profile, die in unterschiedlichen Szenarien Stärken haben.

Gerade in der jetzigen Entwicklungsphase sei Offenheit für verschiedene Ansätze wichtig. Darüber hinaus hat SAP im Juli 2023 selber in drei KI-Unternehmen investiert, darunter in den Heidelberger Softwareentwickler Aleph Alpha. Dass es keinen ungewollten Rückfluss von Kundendaten zu externen KI-Entwicklern gebe, sei für SAP Basis aller Aktivitäten, so Neuhaus.

Grundsätzlich, so Yersin, komme SAP seine Größe, Erfahrung und geografische Breite zugute. „Energieversorger sind ja nicht die Ersten, die sich mit den Möglichkeiten von KI im Kundenmanagement beschäftigen“, sagt er. Und auch Neuhaus ist optimistisch: „Sicherlich gibt es eine gewisse Fehleranfälligkeit“, sagt er, „da müssen wir genauso lernen wie die KI. Aber ich sehe sehr viel mehr Chancen als Schwierigkeiten.“

Donnerstag, 9.11.2023, 09:05 Uhr
Katia Meyer-Tien

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